Für einen Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie

Rezensiert von Thomas Kroll |
Der Schweizer Theologe Hans Küng plädiert in seinem Buch "Der Anfang aller Dinge" für eine Versöhnung von Rationalität und christlichem Glauben. Naturwissenschaftlern empfiehlt er, angesichts der letzten Fragen Gott zumindest als Hypothese in Betracht zu ziehen. Den Theologen legt er nahe, neue Forschungsergebnisse nicht zu ignorieren.
Warum ist überhaupt etwas und nicht nichts? Was war vor dem Beginn der Zeit? Wie entstand das Leben, wann der Mensch? Um Antworten auf derlei große Fragen bemühen sich sowohl Naturwissenschaftler als auch Theologen und Philosophen. Der Schweizer Theologe Hans Küng unternimmt in seinem Buch ›Der Anfang aller Dinge‹ zahlreiche Exkursionen an die Grenzen des menschlichen Wissens und plädiert für eine neue Gemeinsamkeit von Naturwissenschaft und Theologie – bei allen unterschiedlichen Perspektiven.

Der Konflikt Galileo Galileis (1564-1642) mit der römischen Inquisition hat das Verhältnis der jungen aufstrebenden Naturwissenschaft zu Kirche und Religion an der Wurzel vergiftet und für lange Zeit geprägt. Wen wundert, dass sich heute noch Forscher mit "instinktiver Opposition" zufrieden geben, der Kernfrage nach dem Anfang der Wirklichkeit letztlich ausweichen oder diese als irrelevant hintanstellen.

Hans Küng, zeit seines Forscherlebens um die Versöhnung von Rationalität und christlichem Glauben bemüht, gibt sich damit nicht zufrieden. In erster Linie möchte er mit denen, die das "Buch der Natur" erforschen, ins Gespräch kommen und ihnen empfehlen, angesichts der letzten Fragen Gott zumindest als Hypothese in Betracht zu ziehen. Im Zuge dessen legt er denen, die vor allem das "Buch der Bücher" studieren, die wichtigsten Forschungsergebnisse aus Astrophysik und Mikrobiologie dar und empfiehlt ihnen, diese bei der Entwicklung einer intellektuell redlichen Theologie nicht zu ignorieren.

Im Einstein-Jahr sowie im Nachgang zu George Bushs Reden vom Designer-Gott und Kardinal Schönborns unglücklichen Äußerungen zum Verhältnis von Darwinismus und Schöpfungstheologie kommt Hans Küngs Buch gerade recht. Ein relativ kleines Buch – gemessen am Umfang und mit Blick auf Küngs vielseitige Bestseller – zu großen Themen. Eine kleine Summe langjähriger Beschäftigung mit den Ergebnissen aus den unterschiedlichen Forschungsgebieten.

" "Es werde Licht!": So schreibt die Hebräische Bibel in ihren ersten Sätzen über den "Anfang" von "Himmel und Erde". ... "Es werde Licht!": Das war mit Recht auch die Parole der "Aufklärung" ... "Es werde Licht!": Das hätte auch ALBERT EINSTEIN sagen können, als er die Geschwindigkeit des Lichts als die große Konstante festsetzte, um auf dieser Grundlage Gravitation, Raum und Zeit zu "relativieren"."

Hans Küng ist davon überzeugt, dass Naturwissenschaft und Religion in Zukunft nur gemeinsam Antwort geben können auf die Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält. Für ihn ist es nach all den unheilvollen Konfrontationen, einseitigen Verurteilungen und lang anhaltendem Desinteresse auf beiden Seiten nunmehr an der Zeit, die Gegensätze aufzuheben und eine neue Gemeinsamkeit, Formen des Dialogs zu wagen, bei denen die unterschiedlichen Perspektiven Bestand haben können.

Ein Beispiel: Darwinismus oder Schöpfungsglaube? Diese Alternative ist für Küng so nicht gegeben. Um die verschiedenen Wissenschaften, deren unterschiedliche Methoden, Erkenntnisse und Grenzen ernst zu nehmen und miteinander ins Gespräch zu bringen, favorisiert Küng ein Komplementaritätsmodell kritisch-konstruktiver Interaktion, in dem alle illegitimen Übergänge vermieden und alle Verabsolutierungen abgelehnt werden, in dem man jedoch in gegenseitiger Befragung und Bereicherung die Wirklichkeit als ganzer in all ihren Dimensionen gerecht zu werden versucht. Für die Beantwortung der Fragen nach der Entstehung der Welt und des Menschen hat das zur Folge:
• Religion kann die Evolution als Schöpfung interpretieren.
• Naturwissenschaftliche Erkenntnis kann Schöpfung als evolutiven Prozeß konkretisieren.
• Religion kann so dem Ganzen der Evolution einen Sinn zuschreiben, den die Naturwissenschaft von der Evolution nicht ablesen, bestenfalls vermuten kann.

Der Autor, emeritierter Professor für Ökumenische Theologie und Präsident der Stiftung Weltethos, führt den Leser mit seinem gut lesbaren Buch an die Grenzen der Wissenschaften und die Grenzen der Vernunft. So ist auch im Gefolge Kants anzuerkennen, dass man weder die Existenz noch die Nichtexistenz Gottes beweisen kann. An dieser Grenze wie auch an anderen, so Küng, muss man sich entscheiden.

Man kann alles, das Universum ebenso wie die Evolution und das menschliche Leben, für sinnlos erachten und sich als "Zigeuner am Rande des Universums" (Jacques Monod) einrichten. Man kann aber auch ja sagen zu einem Urgrund, Urhalt und Urziel – aus vernunftgemäßem Vertrauen heraus. Ebendas ist Küngs Position.

Hans Küng
Der Anfang aller Dinge. Naturwissenschaft und Religion
Piper Verlag: München / Zürich 2005
247 Seiten, 18,90 €