Für Freiheit, Frieden und Menschenrechte

Von Stephan Hilsberg · 16.10.2012
Der Mauerbau 1961 bedeutete das Ende alter demokratischer Widerstandsformen in der DDR, findet der SPD-Politiker Stephan Hilsberg. Nach der Wende sei die aus der evangelischen Kirche hervorgegangene oppositionelle Bewegung diffus geblieben.
Opposition in der DDR war etwas ganz anderes als in einer modernen Demokratie. Die SED verfolgte gnadenlos jeden, der ihr politisch gefährlich zu werden drohte. Sie, die sich bewusst war, dass ihre Macht auf Diktatur und Unterdrückung beruhte, trachtete danach, eine Situation zu schaffen, in der jeder Versuch, eine unabhängige, politische Kraft zu etablieren, von Anfang an aussichtslos erschien und einer Resignation wich.

Dafür hatte schon die Niederschlagung des Arbeiteraufstands im Juni 1953 gesorgt. Dennoch gab es auch danach noch einige harte Widerstandsgruppen, wie etwa die "Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" oder den "Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen", die für ihren politischen Widerstand einen hohen Blutzoll entrichten mussten. Ihre Motivation war der Glaube an ein schnelles Ende der DDR gewesen.

Spätestens mit dem Mauerbau 1961 stellte sich dieser sich als eine Illusion heraus, und es kam zu einem kompletten Abbruch alter demokratischer Widerstandsformen. Was blieb, war die evangelische Kirche und marxistisch motivierter Widerstand. Für den letzteren stehen vor allem zwei Namen in der DDR, zum einen der Liedermacher Wolf Biermann, zum anderen der Physiker und Philosoph Robert Havemann.

Beide sind anfangs durchaus Verfechter einer sozialistischen DDR, stellen aber zunehmend deren Machtverhältnisse unter dem verknöcherten, orthodoxen kommunistischen Machtregime des Politbüros der SED in Frage und geraten folgerichtig in einen heftigen Konflikt mit diesem. Vor allem Havemann ist ein sehr politischer Kopf, der in der Lage ist, über den Tag hinauszudenken. So verfasst er gemeinsam mit dem Oppositionellen und Pfarrer Rainer Eppelmann 1982 einen Berliner Appell, der die Deutsche Einheit thematisiert.

Demgegenüber ist der Widerstand in der evangelischen Kirche gegen den Kommunismus eine Frage der eigenen religiösen Existenz und damit des Überlebens. Nicht die Kirche an sich, wohl aber das hier beheimatete protestantische Selbstverständnis, vor allem sein Verantwortungsethos wird zur wesentlichen Keimzelle einer neu entstehenden oppositionellen Bewegung in der DDR. Überzeugt haben deren Gruppen vor allem durch ihre menschliche Haltung, weniger durch klare politische Analysen und Zukunftsvorstellungen.

Dies beginnt sich Mitte der 80er-Jahre zu ändern. In dieser Zeit entstehen neue politische Initiativen, wie etwa "Frauen für den Frieden" oder "Initiative Frieden und Menschenrechte", die nun zwar vollständig aus dem Schatten der Kirche heraustreten, aber immer noch ein eher schwammiges politisches Selbstverständnis aufzeigen.

Freiheit, Frieden und Menschenrechte sind den oppositionellen Gruppen mehr Werte als politisches Konzept. So gesehen trifft ihre nachträgliche Benennung als Bürgerrechtler für einen Großteil von ihnen den Nagel auf den Kopf - aber nicht für alle von ihnen.

Von 1988 an entstehen mehrere neue Initiativen. Unter denen sticht vor allem die sozialdemokratische Partei in der DDR mit sehr präzisen Vorstellungen einer parlamentarischen Demokratie in Ostdeutschland hervor. Ihre Gründung setzte die Einsicht in eine anstehende Neuordnung Mitteleuropas im zu Ende gehenden Kalten Krieg voraus und gab der Dynamik der friedlichen Revolution 1989 erhebliche Impulse.

Generell war es das Verdienst der oppositionellen Bewegung in der DDR, den gewaltlosen Widerstand gegen die Diktatur angefacht und den Volksaufstand ausgelöst zu haben. Dafür hat sich ihr Einsatz bereits gelohnt. Frieden und Menschenrechte sind schließlich universelle Werte. Dauerhaften politischen Erfolg hingegen haben von der Ost-SPD abgesehen, nur wenige ihrer Vertreter gehabt.


Stephan Hilsberg, Publizist und SPD-Politiker, 1956 im brandenburgischen Müncheberg geboren, wuchs in der DDR auf. Er arbeitete dort als Informatiker. Ende der 80er-Jahre engagierte er sich in der Friedensbewegung der Evangelischen Kirche. Am Beginn der friedlichen Revolution 1989 zählte er zu den Gründungsmitgliedern der ostdeutschen SPD, war ihr erster Sprecher und später Geschäftsführer. Hilsberg gehörte der letzten und frei gewählten Volkskammer 1990 an. Anschließend war er Bundestagsabgeordneter bis 2009 und in dieser Zeit u. a. bildungs- und forschungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und zwei Jahre lang Staatssekretär im Verkehrsministerium. Stephan Hilsberg ist selbstständig als Autor und Publizist tätig.
Stephan Hilsberg, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
Stephan Hilsberg© stephan-hilsberg.de
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