Für gesellschaftliche Vielfalt und Teilhabe

Mehr Quoten wagen?

81:43 Minuten
Eine gemischte Gruppen von Frauen und Männern mit farbigen Sprechblasen in den Händen.
Eine Gruppe von Frauen und Männern hält Sprechblasen in die Höhe. Wie gelingt es, dass möglichst viele mitreden, wenn sich über die Angelegenheiten der Gesellschaft verständigt wird? © Getty / E+
Moderation: Katrin Heise |
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"Männer und Frauen sind gleichberechtigt" – heißt es im Grundgesetz. Die Realität ist anders; deshalb fordern viele eine Frauenquote. Auch andere Gruppen wollen Teilhabe: Menschen mit Migrationsgeschichte, mit Behinderungen. Brauchen wir mehr Quoten?
Gesellschaftliche Vielfalt, Diversität, Teilhabe – schöne Schlagworte. Die Realität in Deutschland sieht anders aus. Seit Jahren wird in Deutschland über eine Frauenquote diskutiert. Doch nach wie vor werden zwei von drei Unternehmen ausschließlich von Männern im Vorstand geführt. Gerade einmal 31 Prozent der Bundestagsabgeordneten sind weiblich.
Obwohl ein Viertel der Bundesbürger einen Migrationshintergrund haben, haben nur acht Prozent der Abgeordneten ausländische Wurzeln. Fast zehn Prozent der Deutschen haben eine Behinderung, im Bundestag sind es jedoch nur gut drei Prozent. Dabei sollen die Abgeordneten "Volksvertreter" sein. Wie kann also das Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe für möglichst viele Gruppen erreicht werden?

Feste männlich geprägte Netzwerkstrukturen

"Quoten sind eine Reaktion auf das unzureichend umgesetzte Gleichheitsgebot der Demokratie", sagt Stefanie Lohaus, die das Buch "Papa kann auch stillen" geschrieben hat und Herausgeberin der feministischen Zeitschrift "Missy Magazin" ist.
"Wir haben seit über 100 Jahren das Frauenwahlrecht, aber noch nie waren Frauen in einem deutschen Parlament paritätisch vertreten", sagt Lohaus. Es gebe immer noch zu viele Hürden, ob in der Politik oder in der Wirtschaft: Feste männlich geprägte Netzwerkstrukturen, zu wenig Möglichkeiten für eine Vereinbarkeit von Familie und Arbeit, zu wenig Transparenz.

Die Erfahrung, dass der schlechter qualifizierte Mann den Posten bekommt

Rechtliche Niederlagen, wie das Kippen des Paritätsgesetzes in Thüringen durch ein Urteil des Landesverfassungsgerichtes in dieser Woche, entmutigen Stefanie Lohaus nicht. Gerade jüngeren Kritikerinnen entgegnet sie: "Oft werden Quotengegnerinnen im Laufe ihrer Karriere zu deren Befürworterinnen: Wenn sie die Erfahrung machen, dass der schlechter qualifizierte Mann den Posten bekommen hat."

Die Hürden der gesetzlichen Quote

"Eine Quote ist eine anspruchsvolle Sache", sagt Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani, Professor für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft an der Universität Osnabrück.
Aladin El-Mafaalani kennt die Probleme der gesellschaftlichen Teilhabe. Er berät unter anderem die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen und andere Institutionen in Fragen der Diversität, Integration und Inklusion, zum Beispiel bei Stellenbesetzungen. Jeder Vierte in Deutschland habe einen Migrationshintergrund, sagt er. Die Forderung nach einer Quote werde auch hier lauter.
Der Wissenschaftler steht ihr allerdings skeptisch gegenüber. "Wen zählt man dazu, welche Altersgruppe? Kinder machen weit über 40 Prozent aus, Ältere eher weniger. Soll es dann eher eine Quote für Azubis sein?" Das Problem sei auch, dass der Migrantenanteil regional sehr unterschiedlich ist. Das müsse man immer auch ins Verhältnis setzen.

"Ich bin ein Riesenfan von Strategien"

Der Autor mehrerer populärer Sachbücher wie "Das Integrationsparadox" und "Mythos Bildung" warnt davor, gesetzliche Quoten als Allheilmittel zu sehen. "Anders sieht es aus, wenn sich einzelne Unternehmen oder Behörden eigene Ziele setzen. Zum Beispiel: Wir haben einen Anteil einer bestimmten Gruppe von zehn Prozent und wollen den in zehn Jahren verdoppelt haben. Ich bin ein Riesenfan von Strategien, und diese sollten auch veröffentlicht werden, damit jeder sieht, welche Ziele man hat. Aber wenn man das staatlich regeln will, hängt ein riesiger Rattenschwanz daran."
(sus)

Mehr Quoten wagen?
Darüber diskutiert Katrin Heise heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit der Publizistin Stefanie Lohaus und dem Soziologen Aladin El-Mafaalani. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de" target="_blank" href="https://www.deutschlandfunkkultur.de/im-gespraech.969.de.html">gespraech@deutschlandfunkkultur.de. Besuchen Sie uns auch auf Facebook, Instagram und Twitter!

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