"Für Ihr Leben gern"
Ärzte sind der angesehenste Berufsstand in Deutschland. Und dennoch hat ein Ärzteverband eine Imagekampagne für 15 Millionen Euro gestartet. Geld, das man besser für die Ausbildung junger Mediziner hätte ausgeben sollen, meint der Journalist Martin Tschechne.
Es sind gute Leute, die da für ihren Berufsstand werben: ein Chirurg, dessen Tatkraft man sich ohne zu zögern im Notfall anvertrauen würde. Ein Hausarzt, dem Menschenkenntnis ins Gesicht geschrieben steht. Eine Landärztin, die einfach einen guten Blick hat – interessiert, teilnahmsvoll, klug. Warum nur ruft die Kampagne im ganzen Land solche Empörung hervor?
"Ich arbeite für Ihr Leben gern", verkünden sie im Fernsehen und von Plakatwänden, die Kinderärztin, der Augenarzt, der Orthopäde. Es sind echte Mediziner, keine Fotomodelle; sie geben sich mit Namen zu erkennen, und die Dringlichkeit ihres Anliegens ist den ernsten Gesichtern anzumerken: Ärzte fühlen sich überfordert, von den Kassen drangsaliert, in der Politik missachtet und – natürlich, wieder mal – unterbezahlt.
Den ersten Ärger mit der 15 Millionen Euro teuren Offensive der Kassenärztlichen Bundesvereinigung formulierte Daniel Bahr: Er könne nicht verstehen, sagte der Bundesgesundheitsminister, was die Ärzte gerade jetzt zu ihrer Kampagne des Selbstmitleids veranlasst habe. Es gehe ihnen doch blendend: Der durchschnittliche Arzt verdiene immer noch sehr anständiges Geld, der Berufsstand genieße enorme Anerkennung, und die Arbeitsbedingungen – nun ja: Wer sonst sieht so unmittelbar, was er Gutes getan hat? Und der Alltag eines Lehrers oder Architekten ist ja auch nicht immer vergnügungssteuerpflichtig.
Und weil die Gelegenheit günstig war, rückte der Minister die Verhältnisse mal eben wieder zurecht. Kritisierte das selbstherrliche Gehabe mancher Halbgötter in Weiß und machte für den Stress am Arbeitsplatz Krankenhaus nicht etwa ein mögliches Imageproblem verantwortlich, sondern die völlig veralteten, beispiellos steilen Hierarchien dort. Daniel Bahr wörtlich: "Ein modernes Arbeitsklima und kluges Führungsmanagement sehen anders aus." Zack! Das saß. Es scheint, die Damen und Herren Mediziner haben mit ihrer Kampagne ein klassisches Eigentor geschossen. Ein teures obendrein.
Den zweiten Ärger verspüren gerade in diesen Tagen mehr als 40.000 junge Menschen, die ihr Abitur machen und sich auf einen von knapp 9000 Studienplätzen in Medizin bewerben. So schlimm kann es nicht stehen um das Image des Arztberufs, um die Einsicht in seine Notwendigkeit und die Hoffnung, als Arzt der Gemeinschaft einen wertvollen und reell bezahlten Dienst zu erweisen.
Tatsache ist: Viele wollen Arzt werden. Tatsache ist auch: Ärzte werden gebraucht, wahrscheinlich in Zukunft eher mehr als bisher – Stichwort: demografischer Wandel, alternde Gesellschaft. Was fehlt, sind Studienplätze. Sind kluge Planung und Koordination im Blick auf medizinischen Nachwuchs. Und so fliehen bald wieder Tausende von Abiturienten vor deutscher Sparsamkeit zum Studium ins Ausland, was eigentlich ein Armutszeugnis ist und zudem jeden Gedanken an soziale Gerechtigkeit verspottet. Oder sie warten, warten, warten, indem sie einen Beruf erlernen, der dem des Arztes immerhin nahe kommt. Krankenpfleger vielleicht. Oder Rettungsassistent.
Für solche eine Ausbildung zum Rettungsassistenten übrigens wird nicht bezahlt, sondern: Sie kostet. Im ersten Lehrjahr 4500 Euro; spezielle Schutzkleidung ist selber zu kaufen – von jungen Leuten, die später alkoholisierte Fußballfans einsammeln, Nothilfe nach einem Herzinfarkt leisten oder blutende Unfallopfer auf der Autobahn versorgen sollen.
Bevor irgendjemand sich über solch schreiende Unvernunft aufregt – zu erklären sind solche Gebühren mit der hohen Nachfrage: Viele hoffen, sich mit ihren Erfahrungen auf dem Notarztwagen nach einer oft jahrelangen Wartezeit doch noch für einen Studienplatz in Medizin zu empfehlen, den sie anders nur mit einem stromlinien-glatten Einskommanull-Abitur hätten bekommen können. Und ehrlich gesagt, einem Bewerber, der diesen harten Weg gegangen ist, der seine Ernsthaftigkeit nachts bei Blaulicht auf einer regennassen Landstraße unter Beweis gestellt hat, dem ist wahrscheinlich wirklich zu trauen, wenn er sagt: Ich arbeite für Ihr Leben gern.
Ob der Ärzteverband seine 15 Millionen Euro nicht besser für solche jungen Leute ausgegeben hätte?
Martin Tschechne ist Journalist und lebt in Hamburg. Sein Sohn Albert möchte Medizin studieren, doch sein Zensuren-Schnitt wird es ihm nicht leicht machen, einen Studienplatz zu ergattern. Also stellt sich der junge Mann auf eine Wartezeit ein – wahrscheinlich als Rettungsassistent. Der Vater unterstützt ihn dabei: Für einen, der helfen will, meint er, ist Arzt ein wunderbarer Beruf.
"Ich arbeite für Ihr Leben gern", verkünden sie im Fernsehen und von Plakatwänden, die Kinderärztin, der Augenarzt, der Orthopäde. Es sind echte Mediziner, keine Fotomodelle; sie geben sich mit Namen zu erkennen, und die Dringlichkeit ihres Anliegens ist den ernsten Gesichtern anzumerken: Ärzte fühlen sich überfordert, von den Kassen drangsaliert, in der Politik missachtet und – natürlich, wieder mal – unterbezahlt.
Den ersten Ärger mit der 15 Millionen Euro teuren Offensive der Kassenärztlichen Bundesvereinigung formulierte Daniel Bahr: Er könne nicht verstehen, sagte der Bundesgesundheitsminister, was die Ärzte gerade jetzt zu ihrer Kampagne des Selbstmitleids veranlasst habe. Es gehe ihnen doch blendend: Der durchschnittliche Arzt verdiene immer noch sehr anständiges Geld, der Berufsstand genieße enorme Anerkennung, und die Arbeitsbedingungen – nun ja: Wer sonst sieht so unmittelbar, was er Gutes getan hat? Und der Alltag eines Lehrers oder Architekten ist ja auch nicht immer vergnügungssteuerpflichtig.
Und weil die Gelegenheit günstig war, rückte der Minister die Verhältnisse mal eben wieder zurecht. Kritisierte das selbstherrliche Gehabe mancher Halbgötter in Weiß und machte für den Stress am Arbeitsplatz Krankenhaus nicht etwa ein mögliches Imageproblem verantwortlich, sondern die völlig veralteten, beispiellos steilen Hierarchien dort. Daniel Bahr wörtlich: "Ein modernes Arbeitsklima und kluges Führungsmanagement sehen anders aus." Zack! Das saß. Es scheint, die Damen und Herren Mediziner haben mit ihrer Kampagne ein klassisches Eigentor geschossen. Ein teures obendrein.
Den zweiten Ärger verspüren gerade in diesen Tagen mehr als 40.000 junge Menschen, die ihr Abitur machen und sich auf einen von knapp 9000 Studienplätzen in Medizin bewerben. So schlimm kann es nicht stehen um das Image des Arztberufs, um die Einsicht in seine Notwendigkeit und die Hoffnung, als Arzt der Gemeinschaft einen wertvollen und reell bezahlten Dienst zu erweisen.
Tatsache ist: Viele wollen Arzt werden. Tatsache ist auch: Ärzte werden gebraucht, wahrscheinlich in Zukunft eher mehr als bisher – Stichwort: demografischer Wandel, alternde Gesellschaft. Was fehlt, sind Studienplätze. Sind kluge Planung und Koordination im Blick auf medizinischen Nachwuchs. Und so fliehen bald wieder Tausende von Abiturienten vor deutscher Sparsamkeit zum Studium ins Ausland, was eigentlich ein Armutszeugnis ist und zudem jeden Gedanken an soziale Gerechtigkeit verspottet. Oder sie warten, warten, warten, indem sie einen Beruf erlernen, der dem des Arztes immerhin nahe kommt. Krankenpfleger vielleicht. Oder Rettungsassistent.
Für solche eine Ausbildung zum Rettungsassistenten übrigens wird nicht bezahlt, sondern: Sie kostet. Im ersten Lehrjahr 4500 Euro; spezielle Schutzkleidung ist selber zu kaufen – von jungen Leuten, die später alkoholisierte Fußballfans einsammeln, Nothilfe nach einem Herzinfarkt leisten oder blutende Unfallopfer auf der Autobahn versorgen sollen.
Bevor irgendjemand sich über solch schreiende Unvernunft aufregt – zu erklären sind solche Gebühren mit der hohen Nachfrage: Viele hoffen, sich mit ihren Erfahrungen auf dem Notarztwagen nach einer oft jahrelangen Wartezeit doch noch für einen Studienplatz in Medizin zu empfehlen, den sie anders nur mit einem stromlinien-glatten Einskommanull-Abitur hätten bekommen können. Und ehrlich gesagt, einem Bewerber, der diesen harten Weg gegangen ist, der seine Ernsthaftigkeit nachts bei Blaulicht auf einer regennassen Landstraße unter Beweis gestellt hat, dem ist wahrscheinlich wirklich zu trauen, wenn er sagt: Ich arbeite für Ihr Leben gern.
Ob der Ärzteverband seine 15 Millionen Euro nicht besser für solche jungen Leute ausgegeben hätte?
Martin Tschechne ist Journalist und lebt in Hamburg. Sein Sohn Albert möchte Medizin studieren, doch sein Zensuren-Schnitt wird es ihm nicht leicht machen, einen Studienplatz zu ergattern. Also stellt sich der junge Mann auf eine Wartezeit ein – wahrscheinlich als Rettungsassistent. Der Vater unterstützt ihn dabei: Für einen, der helfen will, meint er, ist Arzt ein wunderbarer Beruf.

Martin Tschechne© privat