Vom Umgang mit grausamen Erinnerungen
Niemand könne ihm helfen, sagt der 27-jährige Junis. Die Dunkelheit, die in ihm herrscht, kann er nicht in Worte fassen. Er ist aus Syrien geflohen, hat dort viel Blut und Zerstörung gesehen. Sein bester Freund ist getötet worden. Die Bilder des Krieges verfolgen ihn.
Junis, das ist nicht sein richtiger Name. Er ist 27 Jahre alt. Ein kräftiger, großer Mann. In seiner Heimat Syrien ging er fünf Jahre lang zur Schule. Danach machte er eine Ausbildung zum Friseur - hat bis zu seiner Flucht nach Deutschland vor anderthalb Jahren sein eigenes Geschäft geführt. Er lebt heute in Berlin. Junis sagt, er fühlt sich wie ein Toter, der sich aus seinem eigenen Grab freischaufeln soll.
70 Prozent der erwachsenen Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, haben in ihrem Heimatland oder auf der Flucht Gewalt gegenüber anderen Menschen miterlebt, 55 Prozent haben selbst Gewalt erfahren, 43 Prozent geben an, gefoltert worden zu sein und 58 Prozent sagen, dass sie Leichen gesehen haben.
Angst vor dem Stigma der Therapie
Wie sollen Menschen das verarbeiten können? Sind die Seelsorger und Psychologen hierzulande für die Behandlung der vielen Traumatisierten gewappnet? Gleichzeitig können sich nur wenige von ihnen überwinden, zum Psychiater zu gehen - zu groß die Angst vor dem Stigma.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich nur wenige Menschen psychologische Unterstützung geholt. Erst im hohen Alter beginnen Seniorinnen und Senioren mit der Aufarbeitung ihrer Traumata.
Komplettes Manuskript des Features von Johannes Nichelmann als PDF-Dokument