Karl Schlögel: Das sowjetische Jahrhundert. Archäologie einer untergegangenen Welt
C.H. Beck, München 2017
752 Seiten, 38 Euro
Wie roch die Sowjetunion?
Kleidung, Toiletten, Parfüms und Zimmerpflanzen. Die Russische Oktoberrevolution hat alles verändert – bis in den Alltag der Menschen hinein. Auf Trödelmärkten hat der Historiker Karl Schlögel die untergegangene Lebenswelt der Sowjetunion wiederentdeckt.
"Wir haben ja so festgefügte Vorstellungen über das, was die Sowjetunion war", sagt der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel. "Das fängt schon mit diesem Jahrestag Oktoberrevolution an. Man kann sie für sich eigentlich gar nicht mehr betrachten, weil man sie immer schon im Schatten der Folgegeschichte sieht. Also man sieht sie im Schatten des Stalinismus."
Anstatt allein auf die Beschlüsse des Politbüros zu schauen, interessiert Schlögel sich für die Veränderungen, die diese Revolution im Alltag des Menschen herbeigeführt hat. Zum Beispiel in den Gemeinschaftswohnungen:
"Große bürgerliche Wohnungen, die nach der Revolution besiedelt worden sind. Also pro Zimmer eine Familie. Und das heißt, dass in einer großen Wohnung statt fünf, sechs, sieben Leuten sechs, sieben Familien lebten. Und das eben nicht für einen kurzen Augenblick in einer Krisensituation, sondern für ein ganzes Leben. Was das bedeutet herauszuarbeiten, war meine Absicht."
Die Geschichte neu im Kopf zusammensetzen
Relikte dieser untergegangenen Welt hat Schlögel auf Trödelmärkten in Petersburg und Moskau gefunden und zu einer systematischen "Archäologie" zusammengefügt. Am Ende soll die Sammlung dieser Gegenstände in einem Museum ausgestellt werden:
"Das hätte wie jedes Museum den Vorteil: Man geht herum. Es ist wie ein Parcours. Man sieht sich die Gegenstände an. Und man setzt sich die Geschichte nochmal neu im Kopf zusammen."