Funktionierende Zivilgesellschaft
Vor 40 Jahren putschte in Chile General Pinochet gegen die demokratische Regierung. Die folgende Diktatur endete 1990. Seither kehrte das Land zur Demokratie zurück - und gilt mittlerweile als ein Lehrstück in Reife und Prosperität.
Um die Mittagszeit bombardierten Kampfjets der chilenischen Luftwaffe die Moneda, den Amtssitz des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Die Bilder gingen damals um die Welt und sind längst eingeschreint ins kollektive Gedächtnis. Umso bemerkenswerter, dass das demokratische Chile von heute die Kraft findet, sich aus dem Schatten der Vergangenheit zu lösen.
Wohl gibt es in den Reihen der Ultrarechten noch immer Schönredner der mit CIA-Hilfe installierten Mörder-Diktatur, auch pflegen manch altgediente Linke weiterhin eine Allende-Folklore, die von der desaströsen Wirtschaftspolitik seiner Regierung geflissentlich absieht - in der breiten Mitte der Gesellschaft aber diskutiert man eher über Gegenwärtiges.
Im nächsten Januar endet die Amtszeit von Sebastián Pinera. Weil die Verfassung einem Präsidenten keine zweite Legislaturperiode erlaubt, treten im Wahlkampf zwei neue Bewerber gegeneinander an und zwar zwei bekannte Politikerinnen.
Auf den ersten Blick könnte ihr Duell historisch relevanter gar nicht sein: Die sozialliberale Michelle Bachelet, bereits Staatsoberhaupt von 2006 bis 2010, ist die Tochter eines Allende-treuen Generals, der nach dem Putsch von 1973 in Folterhaft kam und danach an einem Herzinfarkt starb.
Ihre konservativ-wirtschaftsliberale Opponentin Evelyn Matthei ist dagegen die Tochter von Pinochets ehemaligem Luftwaffenchef. Mehr noch: Beide Familien waren miteinander befreundet, ehe sie der damalige Militärcoup entzweite. Journalisten und Anwälte recherchieren immer noch, ob General Matthei womöglich gar Mitverantwortung trägt für den Tod seines einstigen Kameraden Bachelet.
Tochter Michelle aber - und das kennzeichnet Chiles politische Debatte - konzentriert sich auf Sachpolitik. Sie traut sich zu, das unsoziale Bildungssystem zu verbessern, eher jedenfalls als ihre Rivalin Matthei, derzeit noch Arbeitsministerin. Aber auch sie gibt sich als progressive Streiterin in Scheidungs- und Abtreibungsfragen.
Wohl gibt es in den Reihen der Ultrarechten noch immer Schönredner der mit CIA-Hilfe installierten Mörder-Diktatur, auch pflegen manch altgediente Linke weiterhin eine Allende-Folklore, die von der desaströsen Wirtschaftspolitik seiner Regierung geflissentlich absieht - in der breiten Mitte der Gesellschaft aber diskutiert man eher über Gegenwärtiges.
Im nächsten Januar endet die Amtszeit von Sebastián Pinera. Weil die Verfassung einem Präsidenten keine zweite Legislaturperiode erlaubt, treten im Wahlkampf zwei neue Bewerber gegeneinander an und zwar zwei bekannte Politikerinnen.
Auf den ersten Blick könnte ihr Duell historisch relevanter gar nicht sein: Die sozialliberale Michelle Bachelet, bereits Staatsoberhaupt von 2006 bis 2010, ist die Tochter eines Allende-treuen Generals, der nach dem Putsch von 1973 in Folterhaft kam und danach an einem Herzinfarkt starb.
Ihre konservativ-wirtschaftsliberale Opponentin Evelyn Matthei ist dagegen die Tochter von Pinochets ehemaligem Luftwaffenchef. Mehr noch: Beide Familien waren miteinander befreundet, ehe sie der damalige Militärcoup entzweite. Journalisten und Anwälte recherchieren immer noch, ob General Matthei womöglich gar Mitverantwortung trägt für den Tod seines einstigen Kameraden Bachelet.
Tochter Michelle aber - und das kennzeichnet Chiles politische Debatte - konzentriert sich auf Sachpolitik. Sie traut sich zu, das unsoziale Bildungssystem zu verbessern, eher jedenfalls als ihre Rivalin Matthei, derzeit noch Arbeitsministerin. Aber auch sie gibt sich als progressive Streiterin in Scheidungs- und Abtreibungsfragen.
Pragmatische Zivilgesellschaft
Übrigens war es ihre, die gegenwärtige Rechtsregierung Pinera, die, ein Novum in Chile, letzten Sommer ein Gesetz gegen Homophobie verabschiedet hatte - "El Ley Zamudio", benannt nach dem jungen Daniel Zamudio, der zuvor zum Opfer eines schwulenfeindlichen Mordangriffs geworden war.
40 Jahre nach dem Putsch zeigt sich Chile somit als eine Zivilgesellschaft, die sich pragmatisch und rational mit all ihren Problemen der Gegenwart auseinandersetzt - und davon sind andere Länder des Kontinents noch meilenweit entfernt.
Im formell demokratischen, aber de facto autokratischen Venezuela präsentiert sich Präsident Maduro bis hinein in absurde physische Travestie als getreuer Nachfolger des linkspopulistischen Hugo Chávez, während die Häuserwände von Buenos Aires gepflastert sind mit Plakaten, welche die Bottox-Lippen von Argentiniens Präsidentin Kirchner zeigen - in vermeintlicher Schwesterlichkeit dem Halbprofil der legendären Evita Perón zugewandt.
Im riesigen Brasilien verschmäht die sozialdemokratische Präsidentin Dilma Rousseff derlei verschmierten Personenkult, muss sich dafür jedoch mit der tief verästelten Korruptionsstruktur der politischen Klasse herumschlagen. Eine solch drückende Erblast aber existiert in Chile nicht - wie auch immer die Wahlen ausgehen werden.
Jenseits von Gewalttätigkeit und falschen Heilsversprechen ist dort etwas Positives Wirklichkeit geworden, das man ganz Lateinamerika wünschen mag. Vier Jahrzehnte nach den dunkelsten Stunden, die das Land bislang erlebt hatte, leuchtet das südamerikanische Land auf denkbar sympathische Weise.
Marko Martin, Berliner Schriftsteller und Publizist, bereist regelmäßig Lateinamerika. Soeben ist in der Anderen Bibliothek sein neuer Erzählband "Die Nacht von San Salvador" erschienen.
40 Jahre nach dem Putsch zeigt sich Chile somit als eine Zivilgesellschaft, die sich pragmatisch und rational mit all ihren Problemen der Gegenwart auseinandersetzt - und davon sind andere Länder des Kontinents noch meilenweit entfernt.
Im formell demokratischen, aber de facto autokratischen Venezuela präsentiert sich Präsident Maduro bis hinein in absurde physische Travestie als getreuer Nachfolger des linkspopulistischen Hugo Chávez, während die Häuserwände von Buenos Aires gepflastert sind mit Plakaten, welche die Bottox-Lippen von Argentiniens Präsidentin Kirchner zeigen - in vermeintlicher Schwesterlichkeit dem Halbprofil der legendären Evita Perón zugewandt.
Im riesigen Brasilien verschmäht die sozialdemokratische Präsidentin Dilma Rousseff derlei verschmierten Personenkult, muss sich dafür jedoch mit der tief verästelten Korruptionsstruktur der politischen Klasse herumschlagen. Eine solch drückende Erblast aber existiert in Chile nicht - wie auch immer die Wahlen ausgehen werden.
Jenseits von Gewalttätigkeit und falschen Heilsversprechen ist dort etwas Positives Wirklichkeit geworden, das man ganz Lateinamerika wünschen mag. Vier Jahrzehnte nach den dunkelsten Stunden, die das Land bislang erlebt hatte, leuchtet das südamerikanische Land auf denkbar sympathische Weise.
Marko Martin, Berliner Schriftsteller und Publizist, bereist regelmäßig Lateinamerika. Soeben ist in der Anderen Bibliothek sein neuer Erzählband "Die Nacht von San Salvador" erschienen.