Kampf und Religion auf dem Platz
Die Geschichte von Lyon ist untrennbar verwoben mit seinem fußballerischen Erbe. Eine Ausstellung würdigt es nun und erzählt auch die Geschichte von der Dauerrivalität mit dem Fußballclub des benachbarten St. Etienne.
"Ja, ich glaube, der Fußball gehört unbedingt zum Erbe Lyons. Die Lyoner hängen unglaublich an ihren Mannschaften. Das zeigt sich in den Stadien, aber auch wenn sie an Spieltagen singend und tanzend durch die Stadt laufen – Lyon ist eine absolute Fußballstadt."
Die Ausstellung "Divinement foot" ("Göttlicher Fußball") wurde von einem europäischen Museumsverbund konzipiert, als Vertreter Frankreichs ist das Musée Gadagne dabei. Der Titel ist wörtlich zu nehmen: die Ausstellung geht - im ersten Teil - der Frage nach, inwieweit der Fußball und die Verehrung von Spielern und Mannschaften inzwischen religionsartige Züge angenommen hat. Anne Lasseur:
"Der Fußball ist keine Religion, denn, wenn man sich für ein Spiel interessiert und seine Mannschaft unterstützt, dann glaubt man ja nicht an die Transzendenz der Spieler, es gibt kein Jenseits des Fußballs. Aber diese ganze Ritualisierung mit dem festen Spielplan, die großen Stadien, die wie geweihte Orte verehrt werden, der immer gleiche und streng reglementierte Ablauf des Spiels - das alles hat schon religiöse Züge. Spieler, die als Heilige gelten; erbeutete Trikots werden wie Reliquien verehrt und später an die Kinder weitergegeben, die ganzen Trikots in den Fanshops! Und die Spieler machen es vor: tragen Boxershorts und Socken und manche sogar Präservative mit den Insignien des Vereins..."
Ein Pokal wie ein religiöser Kelch
Fußball und Religion: Gezeigt werden Fotos, Filme, Zeitungsseiten, ganze Reliquienschreine mit Trikots, Schuhen, Fahnen, ein Altar für "die Hand Gottes", den "begnadeten" Diego Maradona. Fotos von Spielern in der Kabine, nach Mekka ausgerichtet beten sie; ein Spielerkreis, um den Sieg zu beschwören; betende Fans beim Elfmeterschießen: Ritual, Glaube, Aberglaube – die Grenzen sind fließend.
In einer Vitrine steht der Meisterschaftspokal von Olympique Lyon aus dem Jahr 2002 neben einem Kelch, wie er in der Katholischen Kirche bei der Feier der Eucharistie benutzt wird: beide sind sich verblüffend ähnlich.
Im zweiten Teil der Ausstellung geht es um den Fußball in Lyon, genauer gesagt: um die Dauerrivalität zwischen Olympique Lyonnais und dem AS St. Etienne – beide Städte trennen nur 50 Kilometer, ansonsten aber Welten. "OL" oder "ASSE" - das war schon immer eine Glaubensfrage, hier das großbürgerliche Lyon, die Seidenstadt mit vielen Klöstern, dort die arme Arbeiterstadt St. Etienne, geprägt von Bergbau und Stahlindustrie: so will es das Klischee, das noch nie gestimmt hat, aber schon immer mit Inbrunst gepflegt wurde. Denn auch Olympique Lyon war mit seinem Stadion, dem "Stade de Gerland", gebaut 1926, jahrzehntelang in einem Industriegebiet beheimatet.
Lyons Fußballbegeisterung ist ansteckend
Dominierte AS St. Etienne die 60er und 70er Jahre, prägte Olympique Lyon die jüngste Vergangenheit: von 2002 an war die Herrenmannschaft des Clubs sieben Mal hintereinander französischer Meister, ein Rekord, den die Frauenmannschaft noch übertraf: sie gewann von 2007 bis 2016 alle Meistertitel der 1. Frauenfußballiga: zehn Mal in Folge.
Das alte "Stade de Gerland" ist in Lyon längst zur Legende geworden. Obwohl es vor 20 Jahren von Grund auf renoviert wurde, hat man zur Fußball-Europameisterschaft trotzdem ein neues gebaut: das Stade de Lumières, das drittgrößte Fußballstadion Frankreichs.