Der Bilder-Wahnsinn
Wer zur Europameisterschaft alle 680 Felder im Panini-Album füllen will, muss rund 500 Euro investieren. Doch nicht nur der italienische Hersteller der Kicker-Bilder macht ein gutes Geschäft, auch Banken, Brauereien und Burger-Bratereien wittern fette Umsätze.
Dass die begehrten Panini-Bildchen den Umsatz ankurbeln, darauf setzen auch die Burger-Schmiede McDonalds und die Produzenten von Coca-Cola. So gibt es in den Filialen von McDonalds als Zugabe zu einem Happy Meal acht Sonder-Kicker-Sticker von "La Mannschaft", also dem deutschen Team. Natürlich nur einen Sticker für ein Happy Meal. 24 Sonder-Bildchen hat der Cola-Konzern für die in petto, die ein Multipack mit vier mal 1,5 Litern kaufen. Außerdem prangen auf den Dosen mit der braunen Brause die Konterfeis diverser deutscher Kicker. Vielleicht avancieren bei einem erfolgreichen Turnierverlauf sogar diese Dosen zu Sammelobjekten. Oder die DFB-Frühstücksbrettchen bei der Supermarkt-Kette Rewe zum Stückpreis von 3,99 Euro, auf denen den Fans entschlossen dreinblickende Spieler Appetit auf die EM machen.
Ökonomen gehen davon aus, dass die zahlreichen EM-Zusatzprodukte und Fan-Prämienaktionen an den Kassen für ein Umsatzplus von annähernd 2,5 Milliarden Euro sorgen dürften. Denn Fan-Prämien-Aktionen zahlen sich aus, stellt Marketingwissenschaftler Prof. Jan Wieseke von der Ruhr-Universität fest:
"Absolut, der Umsatz steigt und das sieht man auch daran, dass diese Bonusaktionen serienmäßig angefertigt werden….wenn sich das nicht rechnen würde, dann würde das keinen Sinn machen."
Auf den Werbesog von "La Mannschaft" baut auch eine Bank, für die die Truppe von Jogi Löw Reklame läuft. Wer im Fußballfieber jetzt ein Online-Konto eröffnet, erhält ein Startguthaben von 100 Euro. Bei dieser Aktion zahlt die Bank ganz sicher nicht drauf. Selbst Fußballerbildchen, die auf den ersten Blick nichts kosten, lassen die Kassen klingeln. So gibt es in Rewe-Supermärkten ein Bildertütchen mit DFB-Etikett für jeden Einkauf ab zehn Euro. Grund genug für den zehnjährigen Max in Bochum, seine Mutter in diesen Tagen häufig beim Einkaufen zu begleiten. Denn:
"Mir fehlen ein paar Bilder noch ... das sind noch sehr viele."
Dabei sitzt Max schon jetzt auf fast 50 Bildern, mit denen er nichts anfangen kann, obwohl nur 32 ins Album passen. Ein typisches Sammler-Schicksal von Fußballbildern. Aber Max hat noch Hoffnung.
"Wir tauschen sehr viel und ich versuch auch, alle meinen doppelten loszuwerden. Und ich tausch auch ein paar morgen in der Schule."
Bilder-Wahn stößt in neue Dimensionen vor
Natürlich nur in der Pause. Im Angebot: vier Manuel Neuer und sieben Mats Hummels. Dringend gesucht: ein Thomas Müller und ein Jerome Boateng. In manchen Rewe-Läden im Land warten Schüler wie Max an der Kasse auf Kunden wie Wolfgang Guzy und den Gegenwert in Karten für dessen Einkauf. Fragen nach den Kicker-Stickern kostet ja nichts.
"Ich persönlich kann sie nicht mehr gebrauchen, obwohl ich mich für Fußball interessiere. Aber ich gebe diese Bilder an die Kinder ab, die hinter mir stehen und mit ihren Müttern beim Einkauf sind."
Glück haben in diesen Fußball verrückten Tagen Jungs, die eine große, fürsorgliche Schwester wie Vivian haben, die für die Familie einkaufen geht.
"Wenn er nicht beim Kauf dabei ist, dann sammel ich für ihn mal mit oder so, dass er die Karten haben kann."
Oder die Freunde des kleinen Bruders. Doch selbst wer einen Pakt mit Glücksgöttin Fortuna abgeschlossen haben sollte, muss für wenigstens für 320 Euro in diesen Supermärkten einkaufen, wenn man das Sammelalbum komplett bestücken möchte. Ganz abgesehen davon, dass dazu Portraits von Spielern wie Marco Reus oder Ilkay Gündogan gehören, die Bundestrainer Löw gar nicht mit nach Frankreich genommen hat.
Mit sogenannten DFB-Teamcards lockt in den Supermärkten auch der Süßwarenhersteller Ferrero. Bei dessen Offerte dürften Mediziner allerdings dunkelrot sehen. Denn jeweils ein Bild steckt nur in einer Zehner-Packung. Das heißt: man müsste 54 Zehnerpackungen mit 540 Schokoriegeln zum Stückpreis von jeweils rund 2,30 Euro kaufen, um alle 18 Pappkarten zusammen zu bekommen. Der Bilder-Wahn rund um diese Europameisterschaft stößt in neue Dimensionen vor. Aber rund um solche Sport-Ereignisse spielen Stimmungen beim Einkauf eine größere Rolle als die Vernunft, sagt Marketing- Wissenschaftler Wieseke:
"Was vor allem auffallend ist, dass das Preisleistungs-Verhältnis in den Hintergrund rückt. Im Vordergrund steht da erst einmal das emotionale Erlebnis und auch das Ziel, ein solches Produkt zu erhalten."