"Fußball ist natürlich die Chance schlechthin"
Christian Ewers hat mehrere Monate auf dem afrikanischen Kontinent recherchiert und Porträts sowie Reportagen rund um den Fußball verfasst. Das "Hauptübel" für junge Afrikaner, so seine Erkenntnis, sei das "verzerrte Europabild".
Deutschlandradio Kultur: Vor der Fußball-WM in Südafrika sind eine ganze Reihe von Büchern erschienen. Ein drittes heißt: "Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer". Der Autor, Christian Ewers, ist für seine Recherchen mehrere Monate lang durch Afrika gereist, war unter anderem in Ghana, Elfenbeinküste, auf Sansibar. Herzlich willkommen in der Lesart.
Christian Ewers: Guten Tag.
Deutschlandradio Kultur: Herr Ewers, in Ihrem Buch kann man viel über die Eigenheiten des afrikanischen Fußballs lesen, aber ich habe kein Wort über Voodoo oder sonstige Zauberrituale gelesen. Spielt das Ihrer Ansicht nach gar keine Rolle?
Christian Ewers: Ich denke, dass das eher eine Nebenrolle spielt. Und deshalb hab ich mich in meinem Buch darum nicht gekümmert. Es gibt Ökonomen, die sagen, dass die afrikanische Wirtschaft deshalb so darniederliegt, weil es diesen Voodoo-Kult gibt. Das war mal eine Mode in der Soziologie. Davon ist man mittlerweile abgekommen. Und ich halte das auch eher für ein Nebenargument.
Deutschlandradio Kultur: Ihr Buch trägt den Untertitel "Die Tragödie des afrikanischen Fußballs". Und Sie umreißen da in mehreren reportageartigen Kapiteln mehrere Probleme – zum einen korrupte Fußballfunktionäre, dann eine desolate Trainingssituation bei den meisten Vereinen und dann auch eine fatale Sehnsucht nach den europäischen Ligen. Wo liegt denn Ihrer Meinung nach das Hauptübel?
Christian Ewers: Das Hauptübel haben Sie gerade im letzten Halbsatz schon benannt. Das ist das verzerrte Europabild. Also die Sehnsucht nach Europa zu kommen, dort sein Glück machen zu wollen, das ist sicherlich die große Triebfeder. Und das ist sicherlich auch das tragische Moment, das dem afrikanischen Fußball innewohnt. Denn so, wie sich afrikanische Fußballer Europa vorstellen, so ist Europa nicht.
Junge Fußballer denken sich Europa als Kontinent der täglich neuen Chancen, als einen Kontinent, der jeden willkommen heißt, als einen Kontinent, wo jeder eine Chance bekommt, wenn er denn hart genug dafür arbeitet. Und wenn sie dann tatsächlich in Europa sind, erfahren sie oft schmerzhaft, dass die Realität viel härter aussieht.
Deutschlandradio Kultur: Nennen Sie doch mal ein Beispiel. Was haben Sie denn erfahren bei Ihren Recherchen?
Christian Ewers: Also, ich bin ja in Paris gewesen. Das letzte Kapitel handelt von gestrandeten Fußballern, die hauptsächlich aus frankophonen Ländern nach Paris gekommen sind, um dort einen Profiklub zu finden. Es ist schon tragisch zu sehen, dass junge Männer mit Mitte 20, also die nicht mehr wirklich jung sind, gemessen daran, dass sie Sportler sind, immer noch darauf hoffen und fest daran glauben, dass sie eine steile Karriere in Europa einschlagen werden und zu einem Spitzenklub kommen werden. Das ist schon sehr bitter.
Deutschlandradio Kultur: Sie schildern ja etliche Schicksale in Ihrem Buch. Ein südafrikanischer Spieler, der es als Stürmer in Bochum geschafft hat, das ist Delron Buckley. Der ist mit 17 Jahren schon nach Deutschland gekommen. Und das war 1995. Und der ist sogar bis ins DFB-Pokal-Finale gekommen, 2008. Und wir hören mal kurz, wie der seine Lage einschätzt:
"Ich hab Glück gehabt, weil ich hab die Möglichkeit, der Land zu verlassen und mein Glück in Deutschland zu versuchen. Hat gut geklappt. Das ist die eine Sache, wenn ein südafrikaner Spieler der Glück eben woanders versuchen, dass der mehr Erfahrung sammelt, weil die Fußball in Südafrika, das erste Liga, das ist nicht das Gleiche wie Bundesliga. Das ist zwischen zweite und Regionalliga. Und darum versuchen viele Südafrika-Fußballspieler das Land zu verlassen, weil hier in Europa ist es mehr profihaft. Du hast viele Möglichkeiten. So ist das."
Deutschlandradio Kultur: Buckley hört sich ja recht zufrieden an mit seiner Situation hier. Ist er so völlig untypisch?
Christian Ewers: Es gibt durchaus großartige Erfolgsgeschichten. Es gibt Didier Drogba. Es gibt Samuel Eto'o. Es gibt einige, die es geschafft haben. Nur hinter jeder erfolgreichen Karriere stecken Hunderte, wenn nicht gar Tausende gescheiterter Biografien. Das muss man sehen.
Deutschlandradio Kultur: Woher kommt denn Ihrer Meinung nach diese Faszination für Europa?
Christian Ewers: Ich glaube, dass das entscheidend mit den elektronischen Medien zu tun hat. Die sind da ein Katalysator.
Es gibt viele junge Afrikaner, die sich ihr Weltbild zusammenschnipseln aus YouTube-Filmchen. Es gibt einen südafrikanischen Sender, der nahezu in ganz Afrika empfangbar ist. Und da läuft die englische Liga in einer Art Endlosschleife.
Und das, was man in Afrika von Europa zu sehen bekommt, ist tatsächlich eine Best-Of-Auswahl. Das sorgt für eine verzerrte Wahrnehmung des Kontinents und damit sorgt es auch dafür, dass ein verzerrtes Weltbild da vorliegt.
Deutschlandradio Kultur: Ist das ein verzerrtes Bild, sie möchten nach Europa, weil sie glauben, dass der Fußball hier so viel besser ist? Oder geht es da auch um persönliche Armut und mehr um das Persönliche?
Christian Ewers: Alles. Fußball ist natürlich die Chance schlechthin, alles auf einmal zu lösen. Das heißt, man ist vermögend. Man wird berühmt. Man wird geliebt. Man wird in der Heimat geachtet. Und, was man bei afrikanischen Fußballern auch nicht vergessen darf, das ist immer eine ganze Familie, die dahinter steht.
Das heißt, wenn es jemand geschafft hat, dann versorgt der nicht nur seine Kernfamilie, also seine Geschwister, Vater und Mutter, sondern da steht eine Großfamilie dahinter, die zig Mitglieder hat und die dann von dem Geld profitiert, das die Spieler hier verdienen.
Das sorgt auch dafür, dass es schwer ist für einen Spieler, zurückzugehen. Also, es ist keine Option zu sagen, ich hab's nicht gepackt, ich geh zurück. Diese Option gibt's nicht, weil, man würde für eine riesige Enttäuschung sorgen in der Heimat.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben gerade die Abhängigkeit der Familie geschildert. In Ihrem Buch da widerspricht auch ein Gesprächspartner aus Ghana vehement, als Sie nach "Filz" fragen. Und der sagt: "Man kann das auch anders nennen. Was für euch Europäer Filz bedeutet, bedeutet für viele Afrikaner Fürsorge und Solidarität." Haben wir da einen verzerrten Blick?
Christian Ewers: Also, das hat sicherlich zwei Seiten. Die Familie ist ein Solidarsystem. Das stimmt. Gleichzeitig erhöht das den Druck auf den Einzelnen immens. Also, der spielt nicht nur für sich, sondern der spielt für eine ganze Familie, die dahinter steht. Und das ist extrem belastend, gerade für einen jungen Menschen.
Und andererseits muss man halt auch sagen: Dieser Geldaspekt, über den wir sprechen, isoliert auch. Es ist nicht nur diese große Solidargemeinschaft, die man damit finanziert und aufrecht erhält, sondern es ist halt auch so – und da habe ich Spieler getroffen in Ghana, die sich mit Mannschaftskameraden von früher nicht mehr treffen, weil die dann einfach finanziell nicht mehr in einer Liga spielen: Also, der, der weniger verdient, möchte sich mit dem Kumpel von früher nicht treffen, der mehr Geld verdient, weil er nicht möchte, dass der andere denkt irgendwie, dass er ihm ans Portemonnaie wolle. Es ist ganz, ganz kompliziert. Also, Geld verkompliziert Beziehungen bzw. macht sie unmöglich in Afrika.
Deutschlandradio Kultur: Ich hatte beim Lesen ein bisschen den Eindruck, da am Fußball will jeder verdienen. Alle versuchen sich gegenseitig aufzunehmen ein bisschen. Sie beschreiben da einen Klub in Ghana, der regelmäßig pleite ist.
Dann kommen neue Investoren rein, stecken vielleicht 20.000 Dollar rein. Dann wird das Ganze ein bisschen angekurbelt bis wieder Geld da ist. Dann gehen die Investoren wieder raus und nehmen aber gleich 100.000 mit. Dann ist der Klub wieder pleite und dieser Zyklus fängt wieder von neuem an. Wie lässt sich denn so was durchbrechen?
Christian Ewers: Ganz, ganz schwierig. Das Kapitel, auf das Sie anspielen, beschreibt ja auch den Versuch eines Ghanaers, der Business studiert hat in England, der versucht, mit seinem Wissen, mit seinem Know-how da für Transparenz zu sorgen, für neuen Geist zu sorgen. Aber das ist wirklich eine Kärrnerarbeit. Also, das ist sicherlich nicht von heute auf morgen zu lösen. Das wird Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte brauchen.
Deutschlandradio Kultur: Wenn man Ihr Buch liest, dann hat das insgesamt eine sehr pessimistische Handschrift. Haben Sie denn bei Ihren Recherchen gar keinen einzigen Lichtblick gesehen?
Christian Ewers: Doch, und der steht auch im Buch drin. Und zwar geht es um diese Nachwuchsakademie in der Elfenbeinküste. "Sol Béni" heißt die, ist Französisch, heißt übersetzt: gesegneter Boden. Das läuft sehr gut. Die wird in Kooperation geleitet. Ein Schweizer ist da der Chef. Besitzer ist aber eine ivorische Rechtsanwaltsfamilie.
Und die haben wirklich sehr, sehr gute Spieler hervorgebracht. Die spielen beim FC Chelsea, die spielen bei Manchester City, die spielen beim FC Barcelona. Also, die leisten gute Arbeit nicht nur insofern, als dass sie starke Spieler hervorbringen würden, sondern auch, sie bereiten ihre Kicker darauf vor, was sie in Europa erwartet. Es wird mit pädagogischem Feingefühl gemacht.
Deutschlandradio Kultur: Herr Ewers, vielen Dank für das Gespräch.
Christian Ewers: Gerne.
Deutschlandradio Kultur: Christian Ewers hat das Buch geschrieben: "Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer - Die Tragödie des afrikanischen Fußballs". Erschienen ist das Buch im Güterloher Verlagshaus.
Christian Ewers: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer - Die Tragödie des afrikanischen Fußballs Gütersloher Verlagshaus 2010
Christian Ewers: Guten Tag.
Deutschlandradio Kultur: Herr Ewers, in Ihrem Buch kann man viel über die Eigenheiten des afrikanischen Fußballs lesen, aber ich habe kein Wort über Voodoo oder sonstige Zauberrituale gelesen. Spielt das Ihrer Ansicht nach gar keine Rolle?
Christian Ewers: Ich denke, dass das eher eine Nebenrolle spielt. Und deshalb hab ich mich in meinem Buch darum nicht gekümmert. Es gibt Ökonomen, die sagen, dass die afrikanische Wirtschaft deshalb so darniederliegt, weil es diesen Voodoo-Kult gibt. Das war mal eine Mode in der Soziologie. Davon ist man mittlerweile abgekommen. Und ich halte das auch eher für ein Nebenargument.
Deutschlandradio Kultur: Ihr Buch trägt den Untertitel "Die Tragödie des afrikanischen Fußballs". Und Sie umreißen da in mehreren reportageartigen Kapiteln mehrere Probleme – zum einen korrupte Fußballfunktionäre, dann eine desolate Trainingssituation bei den meisten Vereinen und dann auch eine fatale Sehnsucht nach den europäischen Ligen. Wo liegt denn Ihrer Meinung nach das Hauptübel?
Christian Ewers: Das Hauptübel haben Sie gerade im letzten Halbsatz schon benannt. Das ist das verzerrte Europabild. Also die Sehnsucht nach Europa zu kommen, dort sein Glück machen zu wollen, das ist sicherlich die große Triebfeder. Und das ist sicherlich auch das tragische Moment, das dem afrikanischen Fußball innewohnt. Denn so, wie sich afrikanische Fußballer Europa vorstellen, so ist Europa nicht.
Junge Fußballer denken sich Europa als Kontinent der täglich neuen Chancen, als einen Kontinent, der jeden willkommen heißt, als einen Kontinent, wo jeder eine Chance bekommt, wenn er denn hart genug dafür arbeitet. Und wenn sie dann tatsächlich in Europa sind, erfahren sie oft schmerzhaft, dass die Realität viel härter aussieht.
Deutschlandradio Kultur: Nennen Sie doch mal ein Beispiel. Was haben Sie denn erfahren bei Ihren Recherchen?
Christian Ewers: Also, ich bin ja in Paris gewesen. Das letzte Kapitel handelt von gestrandeten Fußballern, die hauptsächlich aus frankophonen Ländern nach Paris gekommen sind, um dort einen Profiklub zu finden. Es ist schon tragisch zu sehen, dass junge Männer mit Mitte 20, also die nicht mehr wirklich jung sind, gemessen daran, dass sie Sportler sind, immer noch darauf hoffen und fest daran glauben, dass sie eine steile Karriere in Europa einschlagen werden und zu einem Spitzenklub kommen werden. Das ist schon sehr bitter.
Deutschlandradio Kultur: Sie schildern ja etliche Schicksale in Ihrem Buch. Ein südafrikanischer Spieler, der es als Stürmer in Bochum geschafft hat, das ist Delron Buckley. Der ist mit 17 Jahren schon nach Deutschland gekommen. Und das war 1995. Und der ist sogar bis ins DFB-Pokal-Finale gekommen, 2008. Und wir hören mal kurz, wie der seine Lage einschätzt:
"Ich hab Glück gehabt, weil ich hab die Möglichkeit, der Land zu verlassen und mein Glück in Deutschland zu versuchen. Hat gut geklappt. Das ist die eine Sache, wenn ein südafrikaner Spieler der Glück eben woanders versuchen, dass der mehr Erfahrung sammelt, weil die Fußball in Südafrika, das erste Liga, das ist nicht das Gleiche wie Bundesliga. Das ist zwischen zweite und Regionalliga. Und darum versuchen viele Südafrika-Fußballspieler das Land zu verlassen, weil hier in Europa ist es mehr profihaft. Du hast viele Möglichkeiten. So ist das."
Deutschlandradio Kultur: Buckley hört sich ja recht zufrieden an mit seiner Situation hier. Ist er so völlig untypisch?
Christian Ewers: Es gibt durchaus großartige Erfolgsgeschichten. Es gibt Didier Drogba. Es gibt Samuel Eto'o. Es gibt einige, die es geschafft haben. Nur hinter jeder erfolgreichen Karriere stecken Hunderte, wenn nicht gar Tausende gescheiterter Biografien. Das muss man sehen.
Deutschlandradio Kultur: Woher kommt denn Ihrer Meinung nach diese Faszination für Europa?
Christian Ewers: Ich glaube, dass das entscheidend mit den elektronischen Medien zu tun hat. Die sind da ein Katalysator.
Es gibt viele junge Afrikaner, die sich ihr Weltbild zusammenschnipseln aus YouTube-Filmchen. Es gibt einen südafrikanischen Sender, der nahezu in ganz Afrika empfangbar ist. Und da läuft die englische Liga in einer Art Endlosschleife.
Und das, was man in Afrika von Europa zu sehen bekommt, ist tatsächlich eine Best-Of-Auswahl. Das sorgt für eine verzerrte Wahrnehmung des Kontinents und damit sorgt es auch dafür, dass ein verzerrtes Weltbild da vorliegt.
Deutschlandradio Kultur: Ist das ein verzerrtes Bild, sie möchten nach Europa, weil sie glauben, dass der Fußball hier so viel besser ist? Oder geht es da auch um persönliche Armut und mehr um das Persönliche?
Christian Ewers: Alles. Fußball ist natürlich die Chance schlechthin, alles auf einmal zu lösen. Das heißt, man ist vermögend. Man wird berühmt. Man wird geliebt. Man wird in der Heimat geachtet. Und, was man bei afrikanischen Fußballern auch nicht vergessen darf, das ist immer eine ganze Familie, die dahinter steht.
Das heißt, wenn es jemand geschafft hat, dann versorgt der nicht nur seine Kernfamilie, also seine Geschwister, Vater und Mutter, sondern da steht eine Großfamilie dahinter, die zig Mitglieder hat und die dann von dem Geld profitiert, das die Spieler hier verdienen.
Das sorgt auch dafür, dass es schwer ist für einen Spieler, zurückzugehen. Also, es ist keine Option zu sagen, ich hab's nicht gepackt, ich geh zurück. Diese Option gibt's nicht, weil, man würde für eine riesige Enttäuschung sorgen in der Heimat.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben gerade die Abhängigkeit der Familie geschildert. In Ihrem Buch da widerspricht auch ein Gesprächspartner aus Ghana vehement, als Sie nach "Filz" fragen. Und der sagt: "Man kann das auch anders nennen. Was für euch Europäer Filz bedeutet, bedeutet für viele Afrikaner Fürsorge und Solidarität." Haben wir da einen verzerrten Blick?
Christian Ewers: Also, das hat sicherlich zwei Seiten. Die Familie ist ein Solidarsystem. Das stimmt. Gleichzeitig erhöht das den Druck auf den Einzelnen immens. Also, der spielt nicht nur für sich, sondern der spielt für eine ganze Familie, die dahinter steht. Und das ist extrem belastend, gerade für einen jungen Menschen.
Und andererseits muss man halt auch sagen: Dieser Geldaspekt, über den wir sprechen, isoliert auch. Es ist nicht nur diese große Solidargemeinschaft, die man damit finanziert und aufrecht erhält, sondern es ist halt auch so – und da habe ich Spieler getroffen in Ghana, die sich mit Mannschaftskameraden von früher nicht mehr treffen, weil die dann einfach finanziell nicht mehr in einer Liga spielen: Also, der, der weniger verdient, möchte sich mit dem Kumpel von früher nicht treffen, der mehr Geld verdient, weil er nicht möchte, dass der andere denkt irgendwie, dass er ihm ans Portemonnaie wolle. Es ist ganz, ganz kompliziert. Also, Geld verkompliziert Beziehungen bzw. macht sie unmöglich in Afrika.
Deutschlandradio Kultur: Ich hatte beim Lesen ein bisschen den Eindruck, da am Fußball will jeder verdienen. Alle versuchen sich gegenseitig aufzunehmen ein bisschen. Sie beschreiben da einen Klub in Ghana, der regelmäßig pleite ist.
Dann kommen neue Investoren rein, stecken vielleicht 20.000 Dollar rein. Dann wird das Ganze ein bisschen angekurbelt bis wieder Geld da ist. Dann gehen die Investoren wieder raus und nehmen aber gleich 100.000 mit. Dann ist der Klub wieder pleite und dieser Zyklus fängt wieder von neuem an. Wie lässt sich denn so was durchbrechen?
Christian Ewers: Ganz, ganz schwierig. Das Kapitel, auf das Sie anspielen, beschreibt ja auch den Versuch eines Ghanaers, der Business studiert hat in England, der versucht, mit seinem Wissen, mit seinem Know-how da für Transparenz zu sorgen, für neuen Geist zu sorgen. Aber das ist wirklich eine Kärrnerarbeit. Also, das ist sicherlich nicht von heute auf morgen zu lösen. Das wird Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte brauchen.
Deutschlandradio Kultur: Wenn man Ihr Buch liest, dann hat das insgesamt eine sehr pessimistische Handschrift. Haben Sie denn bei Ihren Recherchen gar keinen einzigen Lichtblick gesehen?
Christian Ewers: Doch, und der steht auch im Buch drin. Und zwar geht es um diese Nachwuchsakademie in der Elfenbeinküste. "Sol Béni" heißt die, ist Französisch, heißt übersetzt: gesegneter Boden. Das läuft sehr gut. Die wird in Kooperation geleitet. Ein Schweizer ist da der Chef. Besitzer ist aber eine ivorische Rechtsanwaltsfamilie.
Und die haben wirklich sehr, sehr gute Spieler hervorgebracht. Die spielen beim FC Chelsea, die spielen bei Manchester City, die spielen beim FC Barcelona. Also, die leisten gute Arbeit nicht nur insofern, als dass sie starke Spieler hervorbringen würden, sondern auch, sie bereiten ihre Kicker darauf vor, was sie in Europa erwartet. Es wird mit pädagogischem Feingefühl gemacht.
Deutschlandradio Kultur: Herr Ewers, vielen Dank für das Gespräch.
Christian Ewers: Gerne.
Deutschlandradio Kultur: Christian Ewers hat das Buch geschrieben: "Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer - Die Tragödie des afrikanischen Fußballs". Erschienen ist das Buch im Güterloher Verlagshaus.
Christian Ewers: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer - Die Tragödie des afrikanischen Fußballs Gütersloher Verlagshaus 2010