Rostocker Verein kickt gegen Rechts - und eckt an
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In vielen Fußballvereinen werden Menschen, die aus diversen Gründen anders sind, nicht akzeptiert. Beim Internationalen Fußballclub in Rostock sollte das anders sein. Doch mit seiner offensiven Haltung eckt der Verein an. Es kam sogar zu Angriffen.
Knapp zwei Dutzend Fußballer bolzen auf einem Rasenplatz in Rostock-Evershagen. An einem frischen Sommerabend im Juli rascheln die Bäume im Wind, vereinzelt blinzelt die Sonne durch die Wolken. Rufe auf Deutsch, Englisch und Wolof hallen über den Rasen, die Sprache der Menschen, die hier aus Gambia, Somalia und Mauretanien über den Platz toben.
Nicht alle sind Mitglieder beim IFC, beim Internationalen Fußballklub, aber der Verein bringt Geflüchtete und Deutsche in einem offenen Training zusammen, an jedem Dienstagabend. Die Spieler wissen den IFC zu schätzen. Auch Mohammed Nije:
"Weil die sehr nett und freundlich sind. Die sprechen immer mit den Leuten, wir lachen, wir machen viel, sprechen viel. Zusammen. Nicht so wie in meinem ersten Verein: Die Spieler sind auf dem Platz und lachen mit mir, aber draußen spricht keiner mit mir, so wie: Die kennen mich nicht. Aber hier, wenn du einen Spieler triffst, draußen, die sind cool."
Keine Lust auf Rassismus im Stadion
Einer dieser Coolen des IFC ist Robert Dassow. Dassow ist 31, trägt ein Nasenpiercing und Wadentattoos, und er steht für einen anderen Fußball, ohne Leistungsdruck, der offen ist für Menschen, egal welcher Hautfarbe oder Sexualität.
"Ich habe keinen Bock darauf, in einem Fußballverein zu spielen, wo ein Schiri oder ein Gegenspieler als schwul oder Schwuchtel beschimpft wird. Das ist eine klare Haltung. Ich komme aus einer Kleinstadt, habe jahrelang im Kleinstadtverein gespielt, da war das normal, Leute als schwul zu beschimpfen. Darauf habe ich keine Lust mehr. Wir sind ein ganzes Becken von Leuten, das darauf keine Lust hat. Wir haben keine Lust auf homophobe Fankultur oder Fangesänge und wir haben genauso wenig Lust auf Affenrufe im Stadion."
Robert Dassow und seine Freunde gründeten vor fünf Jahren den IFC — in einer Zeit, als Deutschland zwischen Willkommenskultur und flüchtlingsfeindlichen Angriffen pendelte. Ihr Motto: Kein Mensch ist illegal — Fußball in Rostock bleibt international. Heute zählt der IFC mehr als 300 Mitglieder, es spielen zwei Herrenmannschaften, eine in der Kreisliga, es gibt eine Frauenmannschaft, ein Ü35-Team, eine Dartsgruppe und Rollerderby.
Einziger offen linkspolitischer Verein in MV
Sané Ousmann kommt jeden Dienstag auf den Bolzplatz nach Rostock-Evershagen. Ousmann hat beim IFC eine Heimat gefunden, obwohl er selbst nicht mehr spielen kann:
"Ich war einmal mit dem Fahrrad unterwegs. Jemand hat gesagt: Falsch herum, Afrika ist da lang. Oder: Geh’ arbeiten. Ich war mit meiner Frau und Kind da und ich arbeite. Jeden Dienstag ich bin dabei, ich spiele auch nicht, aber ich bringe meine Tochter mit, weil ich weiß, dass sie sich hier gut fühlt, hier ist sie safe, die Leute lieben meine Tochter wie mich."
Der IFC ist der einzige Verein in Mecklenburg-Vorpommern, der offen linkspolitisch auftritt. Fans und Mitglieder bringen Banner zu den Spielen, auf denen steht: "Linke Zentren verteidigen. Gegen rechte Gewalt". Spieler tragen Shirts mit dem Aufdruck: "Love Football. Hate Racism" — Liebe Fußball, hasse Rassismus. Für Spieler Steven Schwartz ist das selbstverständlich:
"Da wird man leicht in eine linke Ecke geschoben, ist so der Zeckenverein, der eigentlich nichts anderes macht, als Werte zu vertreten, die im Grundgesetz stehen. Dafür muss man sich rechtfertigen. Zum Beispiel gab es ein großes Banner, was wir bei jedem Spiel aufhängen: Kein Mensch ist illegal. Aber vom Staffelleiter kam die Aussage, dass das nicht geht, dass das zu politisch ist. Und dass diese Aussage nichts zu tun hat."
Bedrohung durch Neonazis
Was der IFC macht, gefällt nicht jedem in Mecklenburg-Vorpommern. 2017 verteilen und vergraben Unbekannte Porzellanscherben auf dem Heimplatz des IFC. Verletzt wurde niemand. Aber aufgestempelt auf dem Geschirr: ein Reichsadler mit Hakenkreuz. Wenig später finden einige Mitglieder Aufkleber in ihren privaten Briefkästen, der IFC ist durchgestrichen, auf einem anderen steht: Flüchtlinge sind nicht willkommen. Bei Spielen sollen gegnerische Fans Hitlergrüße gezeigt haben. Auf Laternen tauchen Aufkleber mit Nazisymbolen auf. Robert Dassow sagt:
"Die politischen und gesellschaftlichen Strukturen rücken immer weiter nach rechts. In Zeiten, wo die AfD über 20 Prozent bekommt, braucht man sich nicht wundern, wenn wir Gegenwind bekommen. Dann finde ich das gesund, wenn wir den Gegenpol stellen, wenn wir uns dadurch angreifbar machen, weil wir für ein offenes Miteinander sind, ist das nicht mein oder unser Fehler."
Der IFC wirbelt aber auch woanders Staub auf. Fünf Jahre lang trägt der Verein seine Heimspiele auf dem Fußballplatz einer kleinen Gemeinde aus: Wahrstorf hat 940 Einwohner und liegt etwa zwölf Kilometer südlich vor Rostock. Einen Mietvertrag für den Sportplatz und das Vereinsheim bekommt der IFC in diesen fünf Jahren nie. Irmgard Rautenberg, Anfang 60 mit blondem Kurzhaarschnitt und seit sechs Jahren Bürgermeisterin, steht auf genau diesem Platz. Sie zeigt auf die Einfahrt, auf das asphaltierte Kleinfeld, an dessen Ende ein Basketballkorb steht:
"Das haben die einfach zugeparkt. Ich habe gesagt: Warum stellt ihr euch darauf? Da kann kein Kind trainieren. Deren Reaktion: Da komme eh keiner. Ich sage: Wenn ihr euch da draufstellt, kommt auch keiner. Die haben uns massiv weggedrängelt."
Jetzt verlässt der IFC die Gemeinde.
"Ich würde nicht die Politik in den Vordergrund stellen. Das war einfach das massive Wachsen des Vereins, das uns an unsere Grenzen gebracht hat."
Bürgermeisterin Rautenberg sagt, mit Politik habe das nichts zu tun. Sie sagt aber auch:
"Wir hatten ein paar Anschläge hier, die nicht aus unserer Gemeinde kamen. Das fand ich traurig, dann muss man sich als Gemeinde damit auseinandersetzen, wenn rechtsradikale Äußerungen stattfinden. Das ist nicht gewollt. Ich finde: Sport ist sicherlich ein bisschen politisch. Aber wenn politische Richtungen ausschlagen, muss man als Gemeindevertreter und Bürgermeisterin aufpassen, dass man keinen Zündstoff reinbringt. Wir wissen, wie die politische Lage heute ist: Wir haben Rechts- und Linksextremismus, das will kein Gemeindeoberhaupt, man möchte eine friedliche Koexistenz. Jeder soll seine Neigungen ausleben, aber so dass er die Allgemeinheit nicht belästigt."
Man hätte bestimmte Gruppen abholen müssen
In Wahrstorf prallen linke Stadtmenschen und eine Dorfgemeinschaft aufeinander. Dieter Möller vom zuständigen Fußballkreisverband Warnow findet es schade, dass da etwas zwischen der Gemeinde und dem IFC zerbrochen ist:
"Und wenn der IFC als Rostocker Verein an den Gürtel von Rostock geht, in eine Gemeinde, kann das sein, dass Irritationen aufgetreten sind. Man hätte bestimmte Gruppen, wenn es da eine Freiwillige Feuerwehr gibt, abholen müssen, da brauche ich politisches oder soziales Gefühl."
Offiziell sagt Dieter Möller, dass das mit Politik nichts zu tun habe.
"Wir sind ja verpflichtet, politisch neutral zu sein. Genau wie Landessportbund und Landesfußballverband. Wir sind natürlich sensibilisiert, was die rechte Szene angeht. Dann beobachten wir das schon. Aber ansonsten können und wollen wir uns nicht einmischen, das dürfen wir eigentlich nicht."
Verein ohne Heimat
Der IFC steht im Moment ohne Heimspielstätte da. Für Dieter Möller könnte davon das Überleben des Vereins abhängen, weil dem IFC ein Ort fehle, an dem die Bindung an den Verein stattfindet. Nur: Das Besondere beim IFC ist, dass die Mitglieder nicht nur Sport treiben, sondern für die gleichen Werte, die gleiche Politik einstehen. Und selbst, wenn sie die kommende Saison keinen Heimplatz haben, vielleicht sogar nicht in der Kreisliga spielen können, sagt Steven Schwartz:
"Das Gute ist: Fußball bedarf nicht viel, man braucht einen Fußball, paar Leute, die Ball kicken. Gut ist. Auch wenn wir keine Spiel- oder Trainingsstätte haben. Selbst wenn wir nicht im Spielbetrieb teilnehmen: Fußball kann man immer spielen."