"Wir sollten uns mit den Männern nicht vergleichen"
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Jahrzehntelang war Doris Fitschen eine der wichtigsten Profifußballerinnen Deutschlands. Nach dem Ende ihrer aktiven Zeit macht sie sich im DFB für den Frauenfußball stark. Und sie kämpft für eine Vielfalt, von der auch männliche Spieler profitieren.
Das berühmte Glas ist für Doris Fitschen eher halbvoll, als halbleer: Wo sie kann, versucht die ehemalige Nationalspielerin die positiven Dinge zu sehen.
Bei der Entwicklung des Frauenfußballs zum Beispiel. Statt ihn immer mit dem der Männer zu vergleichen, erinnert die vierfache Europameisterin daran, was seit etwas mehr als 50 Jahren bewegt wurde. Schließlich hatte der DFB bis 1970 seinen Vereinen den Frauenfußball verboten.
"Der Männerfußball hat im deutschen Sport einen Stellenwert, da kommt keine andere Sportart heran. Wenn wir aber auf uns schauen, was wir für eine Entwicklung im Frauenfußball gemacht haben, dann ist das eine sehr positive Entwicklung. Gerade im Vergleich mit anderen Frauensportarten. Aber wenn wir uns immer mit den Männern vergleichen, dann sind wir immer klein."
Ein Kaffeeservice als Prämie
Doris Fitschen ist heute die Managerin der Frauen-Nationalmannschaft. Noch können nicht alle Spielerinnen in der Bundesliga vom Fußball leben, "sie müssen nebenbei arbeiten", erzählt die 52-Jährige. Es fehle die große mediale Präsenz, damit auch die Sponsoren.
Erst 1989, bei der Europameisterschaft im eigenen Land, wurde im deutschen Fernsehen erstmals ein Länderspiel der Frauen übertragen. Für den EM-Triumph bekamen Doris Fitschen und die Mannschaft ein Kaffeeservice. Das sollte die Siegprämie sein.
"Equal Pay wird dauern"
Die Gehälter bei den Männern stehen für Doris Fitschen "in keinem Verhältnis mehr". Wichtig sei ihr allerdings, dass Prämien, etwa bei Welt- und Europameisterschaften, in Zukunft gleich ausfallen.
"Equal Pay, das wird noch ein bisschen dauern. Aber, dass die Prämien ähnlich wie bei Olympia zwischen Männer und Frauen gleich sind, da sollte es irgendwann hingehen."
"Wir hatten einen Riesenhype"
2011, bei der WM im eigenen Land, waren die Stadien voll, die Einschaltquoten hoch, über Frauenfußball wurde gesprochen. "Da hatten wir einen Riesenhype", sagt Doris Fitschen.
Dahin wolle man wieder zurück. "Dafür gibt es jetzt beim DFB diverse Maßnahmen. Beispielsweise bewerben wir uns für die Weltmeisterschaft 2027, gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien."
Hauptaufgabe bleibt für Doris Fitschen beim Deutschen Fußballbund die Vermarktung des Frauenfußballs, die Suche nach Sponsoren.
Fußball, Studium, Job - alles gleichzeitig
In ihrer aktiven Zeit fand das alles nicht statt. Ihr erstes Länderspiel mit 17 hätten sie fast verschieben müssen. Ihr Lehrer habe dafür kein Verständnis gehabt. "Zum Glück war mein Direktor großer Fußballfan, der hat das dann unterstützt".
Auch die Eltern waren von der Leidenschaft ihrer Tochter nicht begeistert:
"Die hatten relativ wenig Verständnis dafür, dass ich Fußball spielen wollte und hatten es auch am Anfang verboten. Ich habe dann so lange gequengelt, dass sie dann doch nachgegeben haben."
Doris Fitschen spielte erst in Wolfsburg und konnte bei VW eine Ausbildung machen. Vom Fußball leben, das ging damals nicht. Später wechselte sie nach Siegen, studierte nebenher. In Frankfurt, beim 1. FFC, begann die Nationalspielerin bereits beim DFB zu arbeiten.
144 Spiele machte Doris Fitschen für Nationalmannschaft, 2019 wurde sie in die "Hall of Fame" aufgenommen.
Freier Umgang mit Homosexualität
Auch wenn Doris Fitschen Vergleiche mit dem Männerfußball eigentlich vermeiden möchte, einer geht in jedem Fall zu Gunsten des Frauenfußballs aus. Nämlich der, was die gelebte Vielfalt angeht: Während sich bisher in der Bundesliga kein aktiver Spieler als homosexuell geoutet hat, scheint die gleichgeschlechtliche Liebe im Frauenfußball kein Problem zu sein.
"Bei den Frauen, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, ist es nie ein Thema gewesen", sagt Doris Fitschen, die mit Partnerin und Kind zusammenlebt.
Eine Chance könnte die Initiative "Ihr könnt auf uns zählen" sein, hofft die ehemalige Nationalspielerin. Hier unterstützen 800 Fußballerinnen und Fußballer homosexuelle Spieler darin, ihre Sexualität öffentlich zu machen.
"Ich würde mir natürlich wünschen, dass sich jetzt der eine oder andere, vielleicht auch eine Gruppe von Spielern, traut, rauszugehen. Und dann hoffe ich natürlich, dass es nicht nur Floskeln waren. Ich glaube, die Gesellschaft hat sich inzwischen gewandelt, dass diese Personen eine große Unterstützung bekommen würden."
(ful)