Fußball und Integration

Das "Wir schaffen das" ist gar nicht so leicht

Die Eckmarkierung auf dem Rasen eines Fußballfeldes
Integration auf dem Fußballplatz: Wie gut das gelingt, hat sich Heinz Schindler in Dortmund angesehen. © unsplash.com / Robert Katzki
Von Heinz Schindler |
Westfalia Wickede und die Sportfreunde Brackel 61: Beide Dortmunder Klubs wurden als Stützpunktverein "Integration durch Sport" ausgezeichnet. Die bei der Integrationsarbeit gemachten Erfahrungen sind allerdings nicht die gleichen.
Auf die Frage, ob Dortmund-Wickede ein Stadtteil oder ein Vorort der 600.000-Einwohner-Stadt sei, erhält man die Antwort, Wickede sei ein Dorf. Umgeben von Grün, die Stadt irgendwo weiter westlich am Strang der Straßenbahn. Auf der Anlage von Westfalia Wickede hat man durch den benachbarten Flughafen die große Welt stets vor Augen und Ohren. Vor zwei Jahren dann vor der eigenen Tür, erzählt der Vorsitzende Horst Linke:
"Wir haben gesagt, da ist etwas passiert, wo keiner wusste, dass so etwas kommt. Die Problematiken, die man dann erst später sieht – ein halbes Jahr oder dreiviertel Jahr später – die haben wir versucht abzuarbeiten der Reihe nach. Was geht und was geht nicht?"

Gewinner des DFB-Integrationspreises

Die Arbeit mit Migranten ist Westfalia Wickede nicht fremd. Vor einem Jahr gewann der Verein den Integrationspreis des DFB.
Dennoch entstanden wie vielerorts auch in Wickede Situationen, mit denen man ursprünglich nicht gerechnet hatte.
"Ich habe hier zwei Damen-Mannschaften laufen und die haben trainiert. Und dann hatte ich hier auf einmal 50 Senioren und Jugendliche aus dem Asylbereich kommen. Und die haben die Augen ganz woanders gehabt. Und nun haben die Mädels natürlich gesagt: Wir werden ja fast ausgezogen. Und dann sind die natürlich vom Platz gegangen. Und dann haben wir gesagt, wir können nicht mit einem oder zwei ehrenamtlichen Helfern über 50 Leute, die unsere Sprache nicht sprechen, was bewegen. Das ist nicht so einfach!
Ich kann nicht einen Trainingsbetrieb haben mit 50, 60 eigenen Leuten und dann kommen noch 70, 80 davon! Und der eine oder andere, wo wir dann keinen Bedarf hatten, da musste er sich einen anderen Verein suchen. Man muss auch mal Nein sagen können."

Ein Vorsitzender als Moderator

Horst Linke war als Moderator gefragt – nach innen wie nach außen hin gleichermaßen.
"Wenn ich Vorsitzender bin, muss ich ein bisschen aufpassen. Wir haben Politiker im Hintergrund, wir haben sehr viele Sympathisanten in vielen Bereichen. Im Sponsoring. Wir müssen sehr viele Menschen aus dem Dorf mitnehmen und wir müssen schauen, dass wir ein gesundes Maß finden."
Die Idee einer zweiten A-Jugend-Mannschaft, die allein aus Flüchtlingen besteht, hat nicht funktioniert. Am Spieltag elf aus 46 Spielern zu finden, scheiterte:
"Wir haben auch dafür einen Trainer noch beigepackt und einen Deutschtrainer noch beigepackt, weil sonst kann's ja nicht funktionieren. Und dann haben wir natürlich festgestellt, dass trotzdem wir soviel Flüchtlinge haben, bei den Trainingseinheiten immer nur wenige hatten. Weil die Mentalität nicht so ist wie die unsrige. Das heißt, wenn um neun Uhr Treffpunkt ist und um zehn Uhr gespielt wird, dann ist man auch da und geht nicht gerade ins Bett. Die hatten dann gesagt: 'Na gut, dann spielt eben ein Anderer'."
Im Sommer wurde die Mannschaft abgemeldet. Westfalia Wickede hat diejenigen, die wirklich spielen wollen, auf bereits bestehende Mannschaften verteilt.

Ein Projekt, das über den Sport hinausgeht

Ein paar Kilometer weiter westlich sitzt Hans-Walter von Oppenkowski auf einer Baustelle. Er ist Vereinsentwickler im Fußballkreis Dortmund und realisiert bei den Sportfreunden Brackel 61 ein Integrationsprojekt, das er in Wickede so nicht umsetzen konnte. Es geht weit über den Fußball hinaus:
"Sport wird so viel gemacht, wie notwendig ist. Das heißt, dass 45 bis 60 Minuten vor dem Training jeweils der Ergänzungsunterricht oder auch die Hausaufgabenhilfe angeboten wird. Bedarfsfälle gibt es also genug in unserer Gesellschaft und da wollen wir kein Kind zurücklassen."
Die Mitgliederzahl bei den Migrantenkindern hat sich in Brackel innerhalb eines Jahres verdoppelt. Während des Trainings erhalten die Eltern der Kinder Deutschunterricht. Für manche heißt das auch erst einmal: Alphabetisierung.
"Da brauchen wir Leute, die uns dann auch inhaltlich weiterhelfen können. Das sind also Ehrenamtler, die in der Lage sind, Ergänzungsunterricht auch für die Kinder zu erteilen. Wir brauchen auch noch weiter Ehrenamtler, die in der Lage sind, auch Analphabeten das Alphabet beizubringen beziehungsweise das Schreiben beizubringen."
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