Fußball

Wie der VAR beliebter werden könnte

06:39 Minuten
Videoleinwand mit dem Video Assist Logo beim Fußball-Bundesligaspiel Bayer 04 Leverkusen gegen Werder Bremen
Viele Fußballfans würden gerne auf den VAR verzichten. © dpa / picture alliance / Hirnschal
Von Thomas Jaedicke · 30.06.2024
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Seit sieben Jahren gibt es in der Fußball-Bundesliga den Video Assistent Referee, kurz VAR. Obwohl der Anteil der richtigen Entscheidungen sehr hoch ist, ist der VAR bei Fans unbeliebt. Kann mehr Transparenz für einen Stimmungsumschwung sorgen?
Bei der Europameisterschaft jubelte Belgiens Mittelstürmer Lukaku schon dreimal vergebens, weil seine Treffer unter anderem wegen hauchdünner Abseitsstellung nach Videobeweis wieder kassiert wurden.
Auch in Bundesliga und zweiter Liga nehmen Videoschiedsrichter und ihre Assistenten im Kölner Keller auf dem Gelände der Deutzer Messe jeden Spieltag strittige Situationen unter die Lupe. Pro Spiel sitzen in der Regel vier Männer vor acht Bildschirmen.

VAR: Arbeit unter Zeitdruck

Mithilfe von 16 verschiedenen Kameraperspektiven müssen sie unter hohem Zeitdruck Entscheidungen treffen und diese dann dem Schiedsrichter auf dem Spielfeld über Funk mitteilen: War es Hand, Foul oder Abseits?
Immer wieder hatten zum Beispiel Trainer gefordert, die Zeit, die benötigt wird, um über Abseitsstellungen bei erzielten Toren zu entscheiden, drastisch zu reduzieren. Viel zu lange würden diese Szenen analysiert.
Christoph Bohl, Pilot und Inhaber einer Beratungsfirma, unterstützt den Deutschen Fußball-Bund DFB beim Projekt Video-Assistent:

„Ich mache mal ein Beispiel: In der Champions League gibt es die halbautomatische Abseitslinientechnologie, die für sehr schnelle Auflösung der Abseitssituation sorgen kann.“  

Kommunikation wie auch von Piloten

Beim Projekt Video-Assistent wurde eine standardisierte Kommunikation, wie sie auch von Piloten im Berufsalltag durchgeführt wird, auf die Verständigung zwischen Video-Assistenten und Schiedsrichtern im Stadion übertragen.
Genau wie im Flugzeug-Cockpit braucht es in der hektischen Stadionatmosphäre unmissverständliche Ansagen. In diesem Kontext sei die „halbautomatische Abseitslinientechnologie“, die jetzt auch bei der Europameisterschaft eingesetzt wird, sehr hilfreich, sagt Christoph Bohl.

Manchmal ist das nicht ganz leicht, beim manuellen Legen von Linien dann eine schnelle Lösung des Problems herbeizuführen. Da hat man natürlich den Anspruch an die Videoschiedsrichter-Teams hier im Keller, eine möglichst saubere Auflösung der Situation vorzunehmen. Und die kann nun mal dauern, wenn man manuell Linien legt.

Christoph Bohl

Neue Abseitstechnologie noch nicht in der Bundesliga

Im deutschen Profifußball kommt die zeitsparende, halbautomatische Abseitslinientechnologie jedoch noch nicht zum Einsatz.
DFB-Berater Christoph Bohl ist der Ansicht, dass das an dem recht großen finanziellen Aufwand liegt, der nötig wäre, um diese Technologie einzuführen.

„Deutz 1: Sascha, wir müssen erst mal Hand und dann eventuell Abseits checken! Das dauert jetzt einen kleinen Moment …“
Blick in den Kölner Keller, in dem Videoschiedsrichter und Operatoren der Deutschen Fußball-Liga (DFL) am 17.03.2019 die Partie Bayer Leverkusen gegen Werder Bremen verfolgen.
Die Video-Assistenten im Kölner Keller geben den Schiedsrichtern auf dem Platz im Falle einer kritischen Szene einen Hinweis zur Überprüfung mit Videobeweis.© picture alliance / Moritz Müller
Auch beim hart umkämpften Abstiegsduell der vergangenen Zweitligasaison zwischen Kaiserslautern und Osnabrück wurde im Kölner Keller noch „per Hand“ nachgemessen.

„Also, es geht um zwei Sachen: Vielleicht Hand und vielleicht Abseits“…“Schulter, Hand“…“Das müssen wir jetzt klären. Das dauert einen Moment“…“Jetzt, Abseits. Wir machen Abseits. Hand ist durch. Keine Ahnung. Mach 16er Hoch, Groß.“
Schließlich gibt der Video Assistent Referee der Partie, Tobias Stieler, grünes Licht. Er drückt einen Knopf, um Stadionschiri Sascha Stegemann das über Funk mitzuteilen.
Damit Stegemann in der ganzen Aufregung auf dem Feld und dem Höllenlärm, den 42.000 Zuschauer auf dem ausverkauften Betzenberg veranstalten, überhaupt mitkriegt, wer mit ihm spricht, benutzt VAR-Stieler den Code „Deutz 1“.

Oft quälend lange Wartezeiten

Matthias Jöllenbeck kennt beide Rollen. Im Wechsel pfeift der 37-jährige, der im Hauptberuf als Orthopäde tätig ist, Spiele im Stadion oder wird als VAR eingesetzt.
„Wir müssen dem Schiri Bilder zur Verfügung stellen, die dann für ihn relevant sein können, wie er entscheidet.“

Die oft quälend langen Wartezeiten, bis strittige Szenen abschließend beurteilt sind, könnten nach Jöllenbecks Meinung nach sinnvoll überbrückt werden.

Deswegen würden wir es gut finden, wenn Bilder auch irgendwie ins Stadion kommen könnten, um Transparenz zu schaffen. Vor Ort entscheidet der Schiri, und deswegen soll die Rolle auch bei ihm bleiben. Ich glaube, es würde allen helfen: dem Schiri, den Fans, Zuschauern, Spielern.

Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck

DFB-Schiri-Kommunikationschef Alex Feuerherdt kennt die Diskussionen:
„Es gibt verschiedene Ideen. Es fängt bei den Bildern im Stadion an. Da ist das Problem momentan noch, dass die Stadionregie bei den Vereinen liegt beziehungsweise bei den Stadionbetreibern. Also nicht neutral ist, anders als bei internationalen Turnieren. Darüber werden Gespräche geführt.“

Videoreferees in fast allen europäischen Topligen

Bis auf die höchste schwedische Liga setzen inzwischen 29 der 30 europäischen Topligen auf Videoreferees. Überall würden ähnliche Verbesserungsvorschläge diskutiert, sagt der 55-jährige, der bis 2005 selbst Spiele gepfiffen hat, zuletzt in der fünftklassigen Oberliga.

„Das Thema Durchsagen ist auch eins, das so ein bisschen durch die Gegend wabert. Internationale Verbände machen das auch ziemlich unterschiedlich, bis hin zu Erklärformaten, vielleicht online oder im Fernsehen. Also da gibt´s momentan einige Ideen, die noch nicht spruchreif sind, aber über die wir nachdenken.“ 

Obwohl durch Videoassistenten, die immer bessere Technik nutzen, mehr Fehler korrigiert werden, ist der VAR bei vielen Fans noch nicht gern gesehen. In vielen Stadien wird auf Transparenten gefordert, den VAR wieder abzuschaffen, am besten sofort.
Doch das wird nicht passieren, sagt DFB-Mann Alex Feuerherdt. Stattdessen sollen demnächst noch bessere, KI-basierte Instrumente für noch mehr richtige Entscheidungen sorgen.  

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