Erinnerung an 1954

Wo sich das DFB-Team auf ein erfolgreiches WM-Turnier vorbereitete

06:24 Minuten
Helmut Rahn schießt im WM-Finale 1954 gegen Ungarn in Berlin das 3:2 für Deutschland.
Helmut Rahn schießt im WM-Finale 1954 gegen Ungarn in Bern das entscheidende 3:2 für Deutschland. © dpa / picture alliance
Von Heinz Schindler |
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Helmut Rahn, Fritz Walter, Toni Turek: sie alle wurden beim deutschen WM-Erfolg gegen Ungarn zu Fußballlegenden. Das Spiel ist längst ein Mythos, am 4. Juli jährt es sich zum 70. Mal. Den Grundstein für den WM-Triumph legte das Team in Karlsruhe.  
Eine Tafel, vielleicht DIN-A2-Format, grau und so schwer, dass man sich fragt, ob sie aus Metall oder aus Schiefer. Auf ihr die Markierungen eines Fußballfeldes, je zwei magnetische Tore und Bälle, dazu zwei Torhüterfiguren. Als sei diese Tafel einem frühen Tischfußballspiel nachempfunden oder aber dessen Prototyp.

Es ist aber nicht irgendeine Taktiktafel, sondern die von Sepp Herberger aus dem Jahr 1954. Sie ist der gut gehütete Schatz von Uwe Breitschopf. Er leitet die Sportschule Schöneck in Karlsruhe-Durlach, wo die deutsche Fußballnationalmannschaft übernachtete, bevor sie zur Weltmeisterschaft in die Schweiz fuhr.

Die Wände sind so wie damals

Im Speisesaal von damals kann man noch ein wenig die Atmosphäre nachempfinden.

„Wir haben die Wände so gelassen, wie sie damals waren. Alles noch so im alten Stil – alte braune Holzwände. Das war Absicht, weil so ein bisschen der gute Geist von Schöneck von 1954 auch noch in den Räumen bleiben soll.“
Auch das Buntglasfenster mit den Wappen badischer Traditionsvereine verstärkt diese kleine Zeitreise. Hier also hatte Herberger die Walter-Brüder, Helmut Rahn, Toni Turek und all die anderen um sich versammelt und ihnen Spiel- und Winkelzüge erläutert.

Das Gebäude ist 140 Jahre alt

Fritz Walters Erinnerungen im Zeitzeugenportal der Stiftung Haus der Geschichte an den Umgang Herbergers mit seinen Spielern befeuert die Fantasie:
"Das Geheimnis war der zwölfte Mann, der Chef. Herberger hat immer für alles gesorgt, hat immer Verständnis gehabt. Wir haben immer gesagt, wenn wir im Lehrgang waren oder dann in der Schweiz: Der Chef rollt wieder von hinten auf. Hat den Ottmar in den Arm genommen und den Jupp Posipal. Hat gesagt: Ottes, wie geht’s? Jupp, was macht die Familie? Was macht die Arbeit? So hat er sich mit jedem unterhalten."
Das Gebäude, in dem die Herberger-Mannschaft übernachtete, ist 140 Jahre alt und liegt idyllisch auf dem Turmberg oberhalb von Durlach. Bei gutem Wetter blickt man bis zu den Vogesen.
Das Wunder von Bern wurde etwa dreieinhalb Wochen vor dem 3:2 gegen Ungarn hier eingeleitet, darauf legen Einheimische wert.

Sepp Herberger war mit der Mannschaft 1954 hier vor Ort, ist dann abgereist in die Schweiz. Es wurde von der Stadt Durlach ein Schornsteinfegermeister vorbeigeschickt. Als die Mannschaft mit dem Bus Richtung Karlsruher Bahnhof unterwegs war, ist dann der Schornsteinfegermeister über die Straße gelaufen, hat Glück gewünscht. So ein Durlacher Gerücht lautet: Da wurde damals die Entscheidung getroffen, dass die deutsche Nationalmannschaft 1954 Weltmeister wird.  

Uwe Breitschopf, Leiter der Sportschule Schöneck

Wie sich die Sportschule weiterentwickelt

70 Jahre sind seitdem vergangen und aus der Sportschule mit einem Unterkunftshaus, einem Sportplatz und einer Sporthalle ist längst eine moderne Einrichtung geworden - mit gänzlich anderen Dimensionen.

„Mittlerweile ist es eine 7,5 Hektar große Anlage mit drei Sportplätzen, drei Sporthallen und 170 Betten in drei Unterkunftsgebäuden. Man darf diese Sportschulen in Deutschland nicht mehr als Jugendherbergen sehen, sondern es sind Sportzentren mit Ausstattung von Tagungsräumen, mit Zimmern, die Richtung Vier-Sterne-Hotel-Zimmern gehen. Wir haben zum Beispiel auch wie viele Bundesligisten einen Hybridrasen in unserem Stadion. Viele Sportschulen und auch wir entwickeln uns weiter.“

Der „gute Geist von Schöneck“ ist seit einigen Jahren sichtbar als Maskottchen der Sportschule und auch auf Veranstaltungen des Badischen Fußballverbandes präsent.

Im Schatten des Quartiers von Spiez

Dennoch steht er im Schatten seines Schweizer Namensvetters, dem guten Geist von Spiez, dem Quartier der Herberger-Mannschaft während der WM. Und dieser Rückstand lässt sich kaum annähernd so gut aufholen wie das 0:2 gegen die Ungarn im Finale von 1954.

„Es ist wirklich so, dass ich den guten Geist von Spiez immer wieder höre. Leider kommt der gute Geist von Schöneck zu kurz.“

Doch das ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Gegen die 70 Jahre, die das alles zurückliegt und auch gegen die Schnelllebigkeit der heutigen Zeit mit ihrer anderen, weniger analogen Form der Erinnerungskultur und mit oftmals schnellem Vergessen.
Werden nachfolgende Generationen den Wert von Herbergers Taktiktafel zu schätzen wissen?

„Es gibt immer weniger Leute, die diese Mannschaft oder auch Sepp Herberger kennen. Wir haben auch vor, eine kleine Ausstellung zu machen. Sehr viele, die hierherkommen, können mit 54er-Weltmeisterschaft, Mannschaft und Sepp Herberger nicht mehr viel anfangen. Leider!“

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