Fußballwettskandal

Leichtfertig verzockt

Von Jörg Steinkamp |
Der Fußball hat in diesem Jahr einen schweren Knacks erlitten. Im Februar veröffentlichte Europol erste Ermittlungsergebnisse rund um einen riesigen Wettskandal. Schnell wurde klar: Fast jede Liga ist betroffen.
Es sind bisher nicht dagewesene, gigantische Dimensionen, die die Ermittler an diesem Februarmorgen in Den Haag präsentieren. Monatelang habe man ermittelt und dabei nur an der Oberfläche gekratzt, berichtet Europolchef Rob Wainwright vor der versammelten europäischen Presse:
"Hier geht es im Spielmanipulationen in einer Dimension, die wir vorher nicht kannten. Mit hunderten Kriminellen und korrupten Spielern und Offiziellen. Hunderte Profispiele sind betroffen und das Ganze hat zu großen illegalen Gewinnen geführt."
680 Fußballspiele seien nachweislich manipuliert worden, darunter 380 in Europa. Betroffen seien neben Qualifikationsspielen für die WM und die EM auch Spitzenpartien in mehreren europäischen Ligen sowie der Champions League. In 15 Ländern werde gegen rund 425 Verbandsfunktionäre, Schiedsrichter, Spieler und mutmaßliche Drahtzieher ermittelt.
Der Kopf des Zockerrings sitze in Singapur, berichtet der leitende Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann aus Bochum. Hier gibt es eine regelrechte Schwerpunktstaatsanwaltschaft zum Thema Fußballwettbetrug:
"Das größte Problem ist, dass wir es mit einer weltweit agierenden Gruppierung zu tun haben, die über sehr viel Geld verfügen und uns immer einen Schritt voraus sind. Wir versuchen, mit den Mitteln der Strafprozessordnung und dem Strafrecht Schritt zu halten. Das ist aber meist schwierig."
Es geht um ein Millionengeschäft
Acht Millionen Euro sind nachweislich nach Singapur gewandert. Von hier aus sollen die Kontaktmänner in der ganzen Welt mit Informationen versorgt worden sein. Gleichzeitig wurden in der asiatischen Wetthochburg hohe Beträge auf die manipulierten Spiele gesetzt, oft sogar sechsstellige. Namen, etwa von Spielern und Vereinen, wollte Europol während der noch laufenden Ermittlungen nicht nennen. Deutsche Partien seien aber nicht betroffen.
Im Laufe des Jahres schlugen Ermittler immer wieder in etlichen europäischen Ländern zu: England, Österreich, allein in der Türkei wurden im November 70 Verdächtige verhaftet. In allen Fällen das gleiche alte Schema: Spieler, Funktionäre oder Schiedsrichter werden bestochen, dann wird in Singapur auf die Spiele gesetzt - ein Millionengeschäft. Immer neue Details kommen mit der Zeit ans Licht. Oft wird von der berühmten Spitze des Eisberges gesprochen, die bisher entdeckt wurde. Oberstaatsanwalt Bachmann:
"Es gibt viele Eisberge inzwischen, das wissen wir. Es gibt Eisberge in anderen Ländern. Und zwischen den Eisbergen gibt es Verbindungen. Und wir sind immer dabei, neue Erkenntnisse zu gewinnen."
Berliner Skandal-Zocker vor Gericht
Seit Anfang Dezember sitzt auf der Anklagebank des Bochumer Landgerichts erneut ein Mann, den man als den deutschen Wettpaten bezeichnen darf - Ante Sapina. 2005 manipulierte der Berliner zusammen mit dem DFB-Schiedsrichter Robert Hoytzer mehrere deutsche Fußballspiele - und flog auf. Nach mehreren Jahren Haft verfeinerte er nach eigenen Aussagen sein System und spannte vom Berliner "Cafe King" aus ein weltumspannendes Netz, manipulierte wieder Fußballspiele in fast allen europäischen Ligen - und flog erneut auf.
Fünfeinhalb Jahre soll Sapina dafür ins Gefängnis. Seine Anwälte versuchen derzeit in Bochum, die Strafe abzumildern. Fakt ist: Während die Bochumer Richter über den Fall Sapina entscheiden, werden überall auf der Welt weiter Spielgelder verschoben. Mittlerweile, so berichten Ermittler, hat sich der Virus "Wettbetrug" auch auf andere Sportarten übertragen - erste Tennis- und Basketballspiele seien manipuliert worden.
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