"Maximale Kontrastfolie zum Regierungsprogramm"
Die Zerstörungen durch Randalierer während des G20-Gipfels sei ein "Schaulauf mit Ansage" gewesen, sagt der taz-Reporter Martin Kaul. Dass ausgerechnet parallel zum offiziellen Besuchsprogramm die Demos eskalierten, sei kein Zufall gewesen.
Die Szenen am Ende des ersten Tages des G20-Gipfels waren dramatisch. Während die Staats- und Regierungschefs der sogenannten G20-Länder sich in der Hamburger Elbphilharmonie versammelten, eskalierten draußen die Demonstrationen.
Die Gruppe derer, die dort randaliert hätten, sei natürlich nicht homogen, sagt taz-Reporter Martin Kaul, der die Proteste dokumentieren wollte und dabei angegriffen wurde.
"Ansage der europäischen aufständigen Anarchisten"
Betrunkene Jugendliche seien genauso darunter gewesen wie Hooligans und linksradikale Hamburger aus verschiedenen Spektren. Aber: "Im Kern war das eine Ansage der europäischen aufständigen Anarchisten", sagte er auf Deutschlandfunk Kultur.
Es sei kein Zufall gewesen, dass die Proteste zu dem Zeitpunkt ausarteten, als die G20-Chefs "Ode an die Freude" in der Elbphilharmonie gehört hätten. Auch die Ansage der "Welcome to Hell"-Demonstration, zu der schon vorher mehrere tausend Radikale erwartet worden waren, sei eindeutig gewesen:
"Wir werden den G20-Gipfel zum Desaster machen und das ist auch passiert."
Dieser Termin sei gezielt gewählt worden "als maximale Kontrastfolie zu dem offiziellen Regierungsprogramm".
Im Livestream der Fernsehsender ntv und n24 wurden beide Ereignisse parallel ausgestrahlt. "Damit wurde dieser Antagonismus, der ganz gezielt erzeugt werden sollte, auch in die breite Bevölkerung gesendet" - auf der einen Seite Donald Trump, Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin, auf der anderen Seite brennende Straßen.
Theoretischer Hintergrund radikaler Anarchisten
Die Ereignisse deckten sich mit den Theorien einer Flugschrift eines sogenannten "Unsichtbaren Komitees", die im Jahr 2010 in Deutschland publiziert und sogar in überregionalen Tageszeitungen diskutiert wurde. Der Text mit dem Titel "Der kommende Aufstand" plädiere für einen "Widerstand, der in die Zentren getragen werden soll", sagt Kaul. Er rufe auch zu Sabotage und Gewalt auf.
Insgesamt decke sich die Theorie mit den Geschehnissen, auch etwa mit der Demontage von Bahngleisen an verschiedenen Orten Deutschlands in den Wochen vor dem Gipfel.
"Meine These ist nicht, dass alle das Buch gelesen haben und dann nach Hamburg gefahren sind", sagt Kaul weiter. Es zeige aber, dass es einen ideologischen Hintergrund gebe, der die Szene anspreche.