G7-Gipfel auf Elmau

Spionage unter Freunden begrenzen!

Eine Außenansicht des Schloss Elmau, in der Nähe von Krün und Mittenwald (Bayern).
Schloss Elmau: Kulisse für das G7-Treffen. © picture alliance / dpa / Stephan Jansen
Von Henning Hoff · 08.06.2015
Mitte Mai war klar, dass Washington nie ein Interesse hatte, mit Berlin ein "No-Spy-Abkommen" abzuschließen. Der Publizist Henning Hoff fragt, warum Angela Merkel während des G7-Treffens nicht versucht hat, zumindest einen Minimalkonsens zu vereinbaren.
Die sieben führenden Industrienationen haben sich auf Schloss Elmau viel vorgenommen: Um den Klimawandel abzumildern, diskutieren sie Strategien, aus der "Kohlenstoffwirtschaft" auszusteigen, um Epidemien zu bekämpfen, erwägen sie eine "Welttaskforce" zu schaffen.
Neben Klima und Gesundheit gäbe es aber noch ein weiteres Thema, das Gemüter und Medien immer wieder bewegt, nämlich das Spionieren unter Freunden. Das gehe gar nicht, hatte die Bundeskanzlerin verärgert erklärt, als der Whistleblower Edward Snowden enthüllte, dass Amerikas megalomaner Abhördienst NSA auch ihr Mobiltelefon im Visier hatte.
Merkels verlorene Chance
Warum also sondiert Gastgeberin Angela Merkel nicht in der Gruppe der prominenten Sieben, was geht und was nicht? Mittlerweile ist die vielleicht ehrliche, wenn auch naive Empörung des Jahres 2013 an der Realität internationaler Beziehungen abgeprallt.
Ein "No-Spy-Agreement" wird es mit Washington nicht geben, geschützt werden sollen allenfalls die Rechte der eigenen Landsleute, das Spionieren in der Fremde aber, auch unter Freunden, wird weiter gehen.
Anders gesagt: Selbst wenn der BND nicht mit dergleichen Unverfrorenheit vorgeht wie der britische Aufklärungsdienst GCHQ, so sei jedem Delegationsmitglied von der Benutzung einladender Gipfel-Internetcafes dringend abgeraten!
Sehr deutsche Aufgeregtheit
Ob als Finte ersonnen oder nach bestem Wissen und Gewissen ausgelotet, das "No-Spy-Agreement" war eine sehr deutsche Idee, ersonnen von Leuten, die Außenpolitik – wenn überhaupt – am liebsten mit dem Bundesgesetzbuch unterm Arm betreiben.
Und sehr deutsch ist auch die Aufgeregtheit, die das Thema hierzulande begleitet. Medien wittern - in historisch verdrehter Rolle - "Abgründe von Landesverrat", wenn es um Kooperation mit den Amerikanern geht. Die politische Klasse scheut nicht taktisch-politische Spielchen auf Kosten des deutschen Nachrichtendienstes. Und die Öffentlichkeit traut westlichen Geheimdiensten alles Böse dieser Welt zu.
Sie vergisst darüber schnell, dass sich Chinas Volksbefreiungsarmee mit ihrer "Einheit 61398" quer durchs ins Internet hackt oder was russische Geheimdienste treiben, in deren Wirkungskreis in jüngster Zeit immer mehr Oppositionelle den Gifttod sterben. So prägend waren zwölf Gestapo-Jahre und ein knappes halbes Jahrhundert DDR-Staatssicherheit dann doch nicht.
Nein, aus den deutschen Reaktionen spricht nicht etwa "historische Sensibilität", sondern eher gekränkte Eitelkeit, dass die Verbündeten, allen voran die Vereinigten Staaten, Deutschland immer noch nicht trauen, dass sie uns nicht für voll nehmen.
Auslandsgeheimdienst: Wie stark darf er sein?
Auf diese Weise mogelt sich die deutsche Politik schon seit zwei Jahren um eine ernsthafte Debatte herum: Was erwarten wir von unserem Auslandsgeheimdienst? Was muss er leisten können? Wie kann man ihn stärker befähigen und zugleich besser kontrollieren?
Denn wenn Deutschland tatsächlich international mehr Verantwortung übernehmen will, führt an einem Ausbau des BND kein Weg vorbei. Dessen Kapazitäten sind recht begrenzt, weshalb er sich ja auch zum willigen Handlanger machen ließ.
Vielleicht fiele es ja leichter, diese Debatte zu führen, wenn Angela Merkel vom Gipfel wenigstens einen Bierdeckel mitbrächte. Darauf könnten alle sieben Partner unterschrieben haben, dass grenzen-, anlass- und verdachtsloses Datenaufsaugen "nicht geht" – worum sich mittlerweile auch der amerikanische Kongress sorgt. Und dass ansonsten gilt:
Vertrauen ist gut. Aber gelegentliche Kontrolle tut der Freundschaft nicht gleich Abbruch.
Henning Hoff, studierte Zeitgeschichte in Köln und London, arbeitete nach der Promotion als freier Korrespondent in der britischen Hauptstadt. Seit 2011 ist er Editor-at-Large bei der Zeitschrift Internationale Politik und betreut zudem deren neues englischsprachiges Pendant Berlin Policy Journal. Er ist Mitgründer des Verlags WELTKIOSK.
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Henning Hoff© Alistair Hall
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