G8-Gipfel 2007

Heiligendamm damals und heute

Protestaktion während des G8-Gipfels 2007 an der Ostsee
Protestaktion der Entwicklungshilfeorganistion Oxfam am Strand von Kühlungsborn während des G8-Gipfels im Juni 2007. © picture alliance / dpa / Foto: Martin Athenstädt
Von Silke Hasselmann |
Vor acht Jahren trafen sich an der Ostsee die acht großen Staats- und Regierungschefs. Der dreitägige Gipfel zu "Wachstum und Verantwortung" kostete mehr als 90 Millionen Euro, Demonstranten wurden widerrechtlich inhaftiert und die Ergebnisse des Treffens sind fraglich.
Spätestens ab Mai/Juni, wenn die Touristen-Hauptsaison naht, brummen die Geschäfte in der Innenstadt von Bad Doberan, auch Karin Schwedes Zeitungsladen. Das habe natürlich vor allem mit der herrlichen Ostseelage zu tun, sagt sie. Aber auch mit dem Weltwirtschaftsgipfel im Ortsteil Heiligendamm vor acht Jahren.
"Viele kamen im Nachhinein: Wo ist denn jetzt dieses Heiligendamm? Wo muss ich denn jetzt hin nach Heiligendamm? - Und wenn ich jetzt auf eine Messe fahre und ich sage: Wir kommen aus Bad Doberan. - Bad Doberan? - Naja, wo der G8-Gipfel war. - Dann sagen die Leute: Ach, Heiligendamm. Bad Doberan? Alles klar. - Der Bekanntheitsgrad ist dadurch auf jeden Fall gestiegen."
Der eigentliche Treffpunkt der Regierungschefs von Bush bis Putin war damals weiträumig abgeriegelt. Die G8-Gegner verlegten ihre Proteste also auf die Umgebung von Heiligendamm. Allein in Bad Doberan gab es drei Zeltlager. Und: Angst vor Chaoten und Zerstörung. Später hätten sich viele Händler sehr über die Panikmache in den Medien geärgert, erzählt Karin Schwede. Sie hatte als eine der wenigen ihren Laden geöffnet.
"Und Sie müssen sich vorstellen: Es war eine komplett Stille… und dann kam einer rein und sagte nur: Mach deinen Laden zu. Die kommen jetzt nach Doberan und wollen Doberan stürmen. Aber wir haben es alle drei durchgehalten; wir waren ja drei Verkäuferinnen. Ich habe uns sogar T-Shirts anfertigen lassen, wo draufstand: ´2007 G8 - Wir sind dabei`."
"Und ja: Nichts ist gewesen, gar nichts. Die sind wirklich nur mit Trommeln durch die Straßen, und die waren friedlich. Alle friedlich. Also von mir aus kann das jedes Jahr passieren."
1600 Strafanzeigen nach dem Gipfel
"Also ich war selbst live dabei. Das sind jetzt hier so Sachen, die ich selbst fotografiert habe. Das hier war die schöne Seite, aber dann gibt es hier auch einige Krawalle, die in Rostock waren, so mit Brandsätzen und Zerstörungen."
So erinnert sich Bürgermeister Thorsten Semrau. Die Rostocker Staatsanwaltschaft hatte nach dem Gipfel knapp 1.600 Strafanzeigen erhalten: Schwerer Landfriedensbruch, Körperverletzung, Beleidigung. Letztlich wurden 86 Personen zu Geld- oder Freiheitsstrafen verurteilt, doch die weitaus meisten Verfahren waren bis Ende 2007 eingestellt.
Vorwürfe gab es derweil auch gegen die Polizei. Einige Beamte hätten sich als gewalttätige Provokateure unter Demonstranten geschleust, andere seien übergriffig geworden. Das meiste verlief im Sand. Doch 2011 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Land Mecklenburg-Vorpommern wegen Verletzung der Freiheits- und Versammlungsrechte, weil die Polizei zwei G8-Aktivisten sechs Tage lang vorbeugend in Gewahrsam genommen hatte.
Enorme Kosten des Gipfels
Und so erinnern sich die einen noch heute vor allem an die enormen Kosten des Gipfels: 81 Millionen Euro für den Bund, rund 64 Millionen Euro für das Land Mecklenburg-Vorpommern, knapp vier Millionen Euro die Landkreise Bad Doberan, Güstrow und Rostock. Dieser Heiligendamm-Besucherin aus Gelsenkirchener jedoch fällt spontan etwas anderes ein:
"Ich sehe noch diesen langen Strandkorb, wo alle drin saßen."
Sechs Meter lang, zwei Meter hoch, geflochten in Heringsdorf. Der Chef einer großen Frankfurter Vermögensberatung ersteigerte Ende 2007 den Korb für eine Million Euro.
Auch der in einem Nachbardorf von Heiligendamm gefertigte 20 Millionen Euro teure Sicherheitszaun fand nach dem Gipfel reißenden Absatz bei Privatkäufern, erinnert sich Doberans Bürgermeister Thorsten Semrau. Er bedauert ein wenig, dass Deutschland den diesjährigen Weltwirtschaftsgipfel im bayrischen Elmau und nicht wieder in Heiligendamm ausrichtet. Schließlich sei die Erfahrung gesammelt, die nötige Infrastruktur vorhanden.
"Angefangen von der Autobahn bis zu den ganzen Straßen, dem Straßenbegleitgrün, die vielen Radwege. Insofern kann man sagen, wir haben profitiert. Aber das Land musste das alles bezahlen, und das war natürlich die andere Seite, dass einige Politiker sagen: Nicht noch einmal, weil die Kostenfrage immer das Problem ist."
Der damalige wie Ordnungsamtschef Gerhart Kukla ergänzt:
"Gott sei Dank ist bei uns ist nichts passiert, alles ist heil geblieben. Wir sind in der Welt bekannter geworden. Aber ich würde aus heutiger Sicht sagen: Man muss sich nicht unbedingt drum reißen, dass man das hier wieder haben sollte. Viel Glück den Bayern!"
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