Gabriele-Münter-Retrospektive

Malen ohne Umschweife

Fotoaufnahmen "Zwei Mädchen parodieren eine Theaterszene" (1899/1900 Texas, USA) der Künstlerin Gabriele Münter, aufgenommen am 27.10.2017 in München (Bayern) im Kunstbau am Lenbachhaus in der Ausstellung "Gabriele Münter - Malen ohne Umschweife". Die Ausstellung ist von 31.10.2017 bis 08.04.2018 in München zu sehen. Foto: Tobias Hase/dpa | Verwendung weltweit
Die Malerin Gabriele Münter, © Tobias Hase/dpa
Von Moritz Gaudlitz |
Dank ihr wurde das Lenbachhaus in München international bekannt: Gabriele Münter. Schließlich hatte sie in den fünfziger Jahren dem Museum ihre Sammlung von über 80 impressionistischen Werken geschenkt. Nun widmet ihr das Haus eine besondere Werkschau.
Die aktuelle Gabriele Münter Ausstellung in München beginnt nicht etwa mit bekannten Gemälden der Künstlerin, sondern mit Fotografien. Ja, Gabriele Münter war auch Fotografin. Die Motive: Porträts von elegant gekleideten Damen in Arkansas, Bilder von texanischer Steppe oder das Foto eines jungen Mädchens auf einer belebten Straße in einer amerikanischen Kleinstadt. Die frühen Fotografien entstanden zwischen 1898 und 1900, als Gabriele Münter als junge Frau auf Amerikareise ihre Familie besuchte. Die Werke bilden den Auftakt einer Ausstellung, die das große und vielseitige Werk Gabriele Münters zeigt.

Fotografieren ist Motivsuche

Für Matthias Mühling, Direktor des Lenbachhaus und Kurator der Ausstellung, markiert Münters Amerikareise auch den Beginn ihrer langen und erfolgreichen Karriere: "Sie bekommt dort einen Fotoapparat geschenkt. Sie kann schon unglaublich gut zeichnen und jetzt fängt sie an, die ersten künstlerischen Schritte zu gehen. Und die sind unglaublich erstaunlich, weil: Wenn man sich so ein Foto ansieht, dann denkt man, das ist ein Foto aus den 50er-Jahren. Man sieht, Münter porträtiert ein junges Mädchen und es ist fast ein Schnappschuss. Da sieht man, Münter hat sofort erfasst, dass fotografieren Motivsuche ist."

Über 160 Arbeiten

Nun wird die Ausstellung im riesigen Raum des Münchner Kunstbaus für die Besucher zur Motivsuche, denn die Schau ist nicht chronologisch aufgebaut, sondern in zehn verschiedene Stationen aufgeteilt. Sie zeigt die Kontinuität und das Facettenreichtum in Gabriele Münters Leben und in ihrer Kunst. Gemeinsam mit Werken der "Gabriele Münter und Johannes Eichner Stiftung" und zahlreichen internationalen Leihgaben umfasst die Ausstellung über 160 Arbeiten aus Malerei, Zeichnung, Fotografie und Film. Münters Karriere beginnt bereits 1907 mit ihrer ersten Ausstellung in Köln. Später schließt sie sich in München der Blauen-Reiter-Bewegung um Franz Marc und Wassily Kandinsky an.
Neben ihren glanzvollen Porträts, darunter das berühmteste mit Marianne von Werefkin, oder den postexpressionistischen oberbayerischen Landschaftsmalereien, zeigt die Ausstellung "Malen Ohne Umschweife" auch viele exzellente Werke aus ihrer Zeit in Murnau.
Matthias Mühling: "Was auch sehr sehr unbekannt ist, dass sie in den 30er-Jahren ein Werk geschaffen hat, das bisher kaum gezeigt worden ist - eigentlich nur im Münter-Haus von uns in der Stiftung in Murnau, in dem sie diese Bilder gemalt hat. Da hat sich die Landschaft unglaublich verändert. Sie beobachtet also in Murnau lebend, wie diese Landschaftsformationen durch Bagger aufgerissen werden. Man sieht halt, dass sie das seriell beobachtet."

In jedem Jahrzent ein neuer Stil

Dass sich nicht nur die Landschaften, die Eindrücke, das Leben und die Orte von Gabriele Münter während ihrer Lebzeiten verändern, zeigen die einzelnen Bereiche der Ausstellung sehr gut, denn Münter variierte je nach Zeit und Ort ihren Stil. Ihre Malerei um 1910 ist erzählerisch gegenständlich, in den 1920er-Jahren malt sie - inspiriert von französischen Künstlern und einem längeren Paris-Aufenthalt - im Stil der neuen Sachlichkeit, und in den 1950er-Jahren werden ihre Werke abstrakt.
Sie wählte vor allem die einfachen Motive wie Landschaften, Stillleben oder Porträts. An einzelnen Stellen der Ausstellung werden auch Kurzfilme der jeweiligen Zeit an die Wände zwischen den Malereien projiziert, denn auch die filmische Erzählung interessierte Gabriele Münter sehr.
Matthias Mühling: "Sie ist ihr ganzes Leben lang mit Begeisterung ins Kino gegangen. Interessanterweise eben nicht nur in die Kunstfilme, sondern vor allem auch in die kluge Unterhaltungstechnik, die auch schon sehr früh in der Frühzeit des Films entwickelt war. Weil für sie das Erzählerische sehr sehr wichtig ist. Bei Münter ist es so: Sie orientiert sich an dieser Einfachheit und der Präzision der unterhaltsamen Erzählung."

Die typische "Münter-Technik"

Viele der ausgestellten Malereien haben die typische "Münter-Technik", mit der man sie in Verbindung bringt. Diese schwarzumrandeten, farbigen und leuchtenden Flächen, die sie aus der Kindermalerei übernommen hat. München war schon immer ein besonderer Ort für die Künstlerin. Hier schloss sie sich dem "Blauen Reiter" an, lernte dort ihren späteren Lebensgefährten Kandinsky kennen und schenkte in den 50er-Jahren ihre Sammlung von über 80 Werken dem Lenbachhaus, das dadurch über Nacht international berühmt wurde. Dieses Museum widmet ihr nun eine beeindruckende Ausstellung, die nicht nur bekannte und wegweisende Werke der Künstlerin zeigt, sondern vor allem Lebens- und Kreativitätsabschnitte von Gabriele Münter dokumentiert, die bisher noch weitegehend unbekannt waren.
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