Gärten der Repräsentation
Was ist das Besondere an den Herrenhäuser Gärten in Hannover und dem Großen Garten als Teil davon? Direktor Ronald Clark erklärt es damit, wie Menschen den Park besichtigen und wie sie durch die Anlage schreiten.
Klaus Pokatzky: Einerseits ging es im königlichen Garten zu Hannover-Herrenhausen um 1780 schon recht egalitär zu. Jedermann war der Eintritt erlaubt, und nicht nur, wie in anderen Residenzen, den adligen Herrschaften.
Andererseits sprach die Hannoversche Parkordnung von 1777 Klartext gegenüber den gemeinen Leuten, also dem normalen Bürger. Nach den Schwänen zu werfen oder solche auf ihren Brüteteichen zu beunruhigen, ward den gemeinen Leuten bei Leibesstrafe verboten. Und nicht zu vergessen: Keine Hünde mit in den Garten zu nehmen! Direktor der Gärten ist heute Ronald Clark, den ich nun am Telefon in Hannover begrüße. Guten Tag, Herr Clark!
Ronald Clark: Guten Tag!
Pokatzky: Herr Clark, die Schwäne dürfen heute sicherlich auch noch nicht beworfen werden, aber dürfen denn die Hunde in Ihren Park?
Clark: Nein, die dürfen auch heute noch nicht in den Park, und das freut vor allem die Jungschwäne und natürlich auch die älteren (…). Aber wir bestrafen nicht mehr mit Stockschlägen wie vor 250 Jahren.
Pokatzky: Wie bestrafen Sie?
Clark: Also, wenn es ganz hart kommt, maximal mit einem Gartenverweis, ansonsten sind wir sehr zivilisiert und vor allen Dingen unsere Besucher auch.
Pokatzky: Wie lange gilt der Gartenverweis?
Clark: Den dürfen wir nur pro Tag machen. Also, länger geht es nicht, weil wir eine öffentliche Grünanlage sind. Aber wie gesagt, das kommt einmal in fünf Jahren maximal vor, also, unsere Besucher sind sehr zivilisiert, und deswegen haben wir eigentlich auch keine Probleme damit.
Pokatzky: Also keine Stockschläge. Was ist noch das Besondere an den Herrenhäuser Gärten? Vor allem beim Großen Garten von Hannover, daneben gibt es ja noch den Berggarten und den Georgengarten und den Welfengarten. Was zieht die Menschen da an?
Clark: Nun, erst mal, dass wir ein Gartenensemble mit unterschiedlichsten Gartenstilen haben, und der Große Garten vor allen Dingen, dass er der einzige große Barockgarten in Deutschland ist, der in seiner gesamten Struktur unverändert geblieben ist. Den anderen Gärten ist das ja anders ergangen, die sind ja im späten 18. Jahrhundert, frühen 19. Jahrhundert fast alle wenigstens teilweise in Landschaftsgärten umgewandelt worden.
Pokatzky: Ja, was erlebe ich denn, was kann ich machen, wenn ich jetzt so in Ihren Großen Garten komme, gerade auch um diese Jahreszeit? Verstehe ich überhaupt, worum es da so geht?
Clark: Also, ich sage immer, wenn man durch diese verschiedenen Gärten einfach geht, beobachten Sie sich selber einmal, wie Sie gehen. Also, im Großen Garten werden Sie schreiten, da geht man in der Mitte des Weges, man hat ein ganz anderes Gefühl, es ist ein Garten der Repräsentation gewesen, auch heute noch. Schon die Kurfürstin sagte, nur mit dem Garten an der Leine können wir prunken. Und heute …
Pokatzky: War das die berühmte Kurfürstin Sophie?
Clark: Das war die Kurfürstin Sophie, die das kurz vor ihrem Tod – 1714 ist sie ja gestorben – sagte. Und auch heute noch ist das die allerbeste Stube Hannovers, wenn Sie die Erbtante zu Besuch haben, dann gehen Sie oft natürlich in den Großen Garten.
Im Berggarten zum Beispiel gehen die Leute alle eher mit der Nase am Boden, gucken sich die Schilder an, die einzelne Pflanze, da ist nicht das Gesamtensemble wichtig. Und im Georgengarten gehen sie, im Landschaftsgarten, ganz anders, befreiter oder legen sich einfach auf eine Wiese.
Pokatzky: Einst ist dort Gottfried Wilhelm Leibniz lustgewandelt, der ja gern als der letzte Universalgelehrte bezeichnet wird und der 1716 in Hannover gestorben ist, wo er vorher Hofrat und Hofbibliothekar war. Der hat sich auch kurz vor 1700, nämlich 1696, um das Fontänenprojekt gekümmert. Die Pläne von ihm wurden zwar zu seinen Lebzeiten nicht mehr realisiert, aber das waren ganz moderne Ideen, mit Wassermaschinen und Druckpumpen. Was hat der Garten für Leibniz, diesen ganz großen Gelehrten, bedeutet?
Clark: Also, Leibniz hat sich sehr viel in die Gestaltung des Gartens mit einbezogen, zusammen mit der Kurfürstin Sophie …
Pokatzky: Mit der er da auch lustgewandelt ist.
Clark: Mit der er da auch lustgewandelt ist, und ich meine, sie sagte oder er sagte selber ja über die Frau, wenn es die Frau Kurfürstin nicht gäbe, würde man noch viel weniger über Wissenschaft in Hannover reden. Also, es war eine sehr gebildete Frau, ihre Tochter Sophie Charlotte, die die meisten heute eher von Charlottenburg in Berlin kennen, die Königin von Preußen wurde, das waren zwei Frauen, mit denen er sich auch wissenschaftlich unterhalten konnte, die ihn verstanden – zwar natürlich nicht in allen Einzelheiten, dafür war er Genie –, aber immerhin nicht nur das Vergnügen im Kopfe hatten.
Und dort wandelte er, er hat seine Theorien erklärt, es ging eben auch so darum, gibt es überhaupt zwei gleiche Dinge, da wurden dann zwei Hofdamen losgeschickt, sollten zwei gleiche Blätter finden, was sie natürlich nicht geschafft haben. Und theoretisch hat er es geschafft, dass die Fontänen sprangen, praktisch erst vier Jahre nach seinem Tod mit einer anderen Wassermaschine, die aus England kam.
Pokatzky: Die beiden Damen, die Sie angesprochen haben, die Kurfürstin und ihre dann später nach Preußen gegangene Tochter, hatten ja Erfahrung mit dem niederländischen Exil. Welche Rolle spielte das für die Hannoverschen Gärten?
Clark: Ja, also, vor allem die Kurfürstin Sophie ist ja in den Niederlanden aufgewachsen, im Exil, während des 30-jährigen Krieges. Und dort lernte sie eben auch den barocken … das französische Barock kennen, was ein breiteres Parterre hat und eben weiß, eben das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden.
Denn die Hälfte des Großen Gartens war früher mit Obstbäumen bestanden, in den Triangeln gab es über 160 verschiedene Obstsorten, Kirschen, Pflaumen, Äpfel und so weiter. Und direkt neben dem Schloss Feigengarten. Es wurde schon mit Ananas experimentiert und natürlich eine große Zitrussammlung.
Pokatzky: Im Deutschlandradio Kultur Ronald Clark, der Direktor der Herrenhäuser Gärten in Hannover, in unserer Reihe "Frühlingserwachen - die Gartensaison beginnt". Herr Clark, die großen, die ganz berühmten Gartenanlagen des absolutistischen 18. Jahrhunderts, also Versailles, Sanssouci, das waren ja auch so Machtdemonstrationen, Ludwig XIV., Friedrich II. Ging Herrenhausen auch in diese Richtung?
Clark: Selbstverständlich. Also, es liegt ja zeitlich zwischen diesen beiden genannten Gärten, genau in der Mitte. Und Herrenhausen wurde schon verstärkt ausgebaut, als Ernst August, der Herzog Ernst August sich große Hoffnung auf die Kurfürstenwürde machte, die neunte Kurfürstenwürde, die er dann auch erlangte.
Pokatzky: 1692.
Clark: Genau, und da war Herrenhausen eben ganz wichtig, dass es eben auch zeigte, wir können was, wir können mit diesem Garten prunken. Und das Schloss selber war noch nicht so groß zum Prunken da, das sollte noch verändert werden, aber da ist dann Ernst August darüber gestorben. Aber es war natürlich wichtig, was zu zeigen. Es war ein … mit der großen Achse, die einen Kilometer lang ist, die quer durch das Schloss ging, zu zeigen, ich bin der Staat!
Pokatzky: Der Kurfürst von Hannover, also gerade aufgestiegen vom Herzog zum Kurfürst, wurde dann König von Großbritannien …
Clark: Nein, der nicht!
Pokatzky: Also, 1714.
Clark: Ja, aber das war der …
Pokatzky: Ja, der spätere, der spätere, klar! Aber der war ja auch schon dann Kurfürst.
Clark: Genau.
Pokatzky: Auf jeden Fall, der Kurfürst wurde dann 1714 König von Großbritannien und Irland, so. Die residierten dann aber, die Hannoverschen Könige, bis 1837, bis dann die berühmte Victoria kam, alle in London, und es gab sogar mal einen, der war nie in Hannover. Hat das jetzt auch für die Entwicklung des Gartens so ein bisschen geholfen, konnte es so dann, so Ende des 18. Jahrhunderts eher zu einem Garten auch der Bürger werden?
Clark: Das lag natürlich daran, dass nach dem Siebenjährigen Krieg, ab 1760 ungefähr dann der Garten auch für die Bürger, Allgemeinbürger schon geöffnet wurde, auch vorher schon während der Residenzzeit waren natürlich auch schon höher gestellte Persönlichkeiten da, also jetzt nicht nur der Hofadel, sondern auch reichere Bürger. Denn man musste ja auch bewundert werden.
Dazu gehört ja eben auch Publikum. Wenn man alleine da ist, dann hilft es ja nur die, ist ja nur das halbe Vergnügen. Und das war aber eben auch, diese Personalunion hat eben dazu geführt, dass Hannover eben nicht oder der Große Garten eben nicht verändert wurde.
Und als dann später man den Georgengarten baute, gab es schon einen Ausspruch, eigentlich wollte man den Großen Garten noch umwandeln, hieß es aber, wir schätzen das Erbe der Väter! Es ist zwar nicht mehr modern, aber wir lassen es so. Das ist also ein ganz frühes Beispiel der Gartendenkmalpflege, vielleicht das erste überhaupt.
Pokatzky: Es wird ja immer gern der Gegensatz aufgemacht im 18. Jahrhundert zwischen diesem streng geordneten französischen Garten des Absolutismus und dem, ja, in Anführungsstrichen eher wilden englischen, der sich auch so die Unregelmäßigkeiten der Natur zunutze macht und der mehr so der Freiheit, dem bürgerlichen Zeitalter zugeordnet wird. Wie ordnet sich da der Barockgarten in Herrenhausen ein?
Clark: Das ist natürlich ein Frühbarockgarten, der noch voll in der Zeit des Absolutismus war. Zu dem Zeitpunkt gab es Schönbrunn noch nicht, Sanssouci war überhaupt noch nicht geplant, Charlottenburg noch nicht. Also, das war schon eine … Durch die enge Beziehung auch der Kurfürstin Sophie mit ihrer Nichte, Liselotte von der Pfalz, der Schwägerin von Ludwig XIV., gab es viele Beziehungen dazu. Und man hat es eben natürlich wie in ganz Europa überall den neuen Gartenstil kopiert. Das war à la mode.
Pokatzky: Aber wenn Sie da jetzt so durchgehen, jetzt mal so Hand aufs Herz, und Sie kennen auch andere: So ein Barockpark, ist das nicht doch auch so ein bisschen langweilig, so alles so gerade, symmetrisch, rechtwinklig?
Clark: Ja, das ist es eben gerade nicht, denn im Großen Garten gibt es nicht einen einzigen rechten Winkel, das ist ja das Interessante, dass es eine Winkelverschiebung gibt, die unter drei Grad ist, so zwischen 2,4 und 2,8 Grad. Man merkt es, man sieht es nicht, aber ich denke, man spürt es. Und das ist immer noch nicht geklärt, warum es war.
Denn wahre Schönheit braucht ein Geheimnis, also, das ist eben, überall gibt es eine Spannung in dem Garten. Und Sie können herumgehen und es ist ein ganz besonderes Gefühl, mit den Fontänen, überhaupt zu gehen, es ist etwas, was eben aus der Zeit gefallen ist. Aber es ist eine einmalig schöne Angelegenheit, gerade am Abend, wenn dieser Garten zur Ruhe kommt, das ist wunderschön, wenn dann die Fontänen beleuchtet werden. Das ist … Das gibt es nicht überall.
Pokatzky: Wie rekonstruiert man historische Gärten, wie erhält und unterhält man sie? Natur will ja doch eigentlich immer wachsen!
Clark: Das ist aber auch bei Landschaftsgärten auch so, das ist ja keine Natur, sondern auch sehr, sehr genau konstruiert, das sieht bloß anders aus. Und der Große Garten, bei 20 Kilometer Hainbuchenhecken, bei 20 Kilometer Buchsbaumhecken, da ist, die Schere ist da angesagt jedes Jahr! Das fängt jetzt in Kürze an mit dem Buchsbaumschnitt, dann dem Hainbuchenschnitt im Sommer, und im Winter werden die Linden geschnitten, um dann diese Form zu behalten. Das ist eben einfach eine Notwendigkeit, denn sonst wächst es innerhalb von drei Jahren aus!
Pokatzky: Und die Erbtante kann dann nicht mehr richtig durchgucken!
Clark: Ja, vor allem, es interessiert sie nicht mehr so!
Pokatzky: Danke, Ronald Clark, Direktor der Herrenhäuser Gärten in Hannover!
Clark: Gern geschehen!
Pokatzky: Und in unserer Reihe "Frühlingserwachen - die Gartensaison beginnt", morgen um 14:00 Uhr Claudius Wecke, der Parkleiter des Pückler Parks in Cottbus-Branitz, und ganz wichtig, am kommenden Samstag gibt es dann zwei Stunden, von neun bis elf, Schrebergärten und Gartenakademien mit dem Schriftsteller und Gartenfreund Wladimir Kaminer und Gabriella Pape, der Gartengestalterin und Gründerin der Königlichen Gartenakademie in Berlin!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Andererseits sprach die Hannoversche Parkordnung von 1777 Klartext gegenüber den gemeinen Leuten, also dem normalen Bürger. Nach den Schwänen zu werfen oder solche auf ihren Brüteteichen zu beunruhigen, ward den gemeinen Leuten bei Leibesstrafe verboten. Und nicht zu vergessen: Keine Hünde mit in den Garten zu nehmen! Direktor der Gärten ist heute Ronald Clark, den ich nun am Telefon in Hannover begrüße. Guten Tag, Herr Clark!
Ronald Clark: Guten Tag!
Pokatzky: Herr Clark, die Schwäne dürfen heute sicherlich auch noch nicht beworfen werden, aber dürfen denn die Hunde in Ihren Park?
Clark: Nein, die dürfen auch heute noch nicht in den Park, und das freut vor allem die Jungschwäne und natürlich auch die älteren (…). Aber wir bestrafen nicht mehr mit Stockschlägen wie vor 250 Jahren.
Pokatzky: Wie bestrafen Sie?
Clark: Also, wenn es ganz hart kommt, maximal mit einem Gartenverweis, ansonsten sind wir sehr zivilisiert und vor allen Dingen unsere Besucher auch.
Pokatzky: Wie lange gilt der Gartenverweis?
Clark: Den dürfen wir nur pro Tag machen. Also, länger geht es nicht, weil wir eine öffentliche Grünanlage sind. Aber wie gesagt, das kommt einmal in fünf Jahren maximal vor, also, unsere Besucher sind sehr zivilisiert, und deswegen haben wir eigentlich auch keine Probleme damit.
Pokatzky: Also keine Stockschläge. Was ist noch das Besondere an den Herrenhäuser Gärten? Vor allem beim Großen Garten von Hannover, daneben gibt es ja noch den Berggarten und den Georgengarten und den Welfengarten. Was zieht die Menschen da an?
Clark: Nun, erst mal, dass wir ein Gartenensemble mit unterschiedlichsten Gartenstilen haben, und der Große Garten vor allen Dingen, dass er der einzige große Barockgarten in Deutschland ist, der in seiner gesamten Struktur unverändert geblieben ist. Den anderen Gärten ist das ja anders ergangen, die sind ja im späten 18. Jahrhundert, frühen 19. Jahrhundert fast alle wenigstens teilweise in Landschaftsgärten umgewandelt worden.
Pokatzky: Ja, was erlebe ich denn, was kann ich machen, wenn ich jetzt so in Ihren Großen Garten komme, gerade auch um diese Jahreszeit? Verstehe ich überhaupt, worum es da so geht?
Clark: Also, ich sage immer, wenn man durch diese verschiedenen Gärten einfach geht, beobachten Sie sich selber einmal, wie Sie gehen. Also, im Großen Garten werden Sie schreiten, da geht man in der Mitte des Weges, man hat ein ganz anderes Gefühl, es ist ein Garten der Repräsentation gewesen, auch heute noch. Schon die Kurfürstin sagte, nur mit dem Garten an der Leine können wir prunken. Und heute …
Pokatzky: War das die berühmte Kurfürstin Sophie?
Clark: Das war die Kurfürstin Sophie, die das kurz vor ihrem Tod – 1714 ist sie ja gestorben – sagte. Und auch heute noch ist das die allerbeste Stube Hannovers, wenn Sie die Erbtante zu Besuch haben, dann gehen Sie oft natürlich in den Großen Garten.
Im Berggarten zum Beispiel gehen die Leute alle eher mit der Nase am Boden, gucken sich die Schilder an, die einzelne Pflanze, da ist nicht das Gesamtensemble wichtig. Und im Georgengarten gehen sie, im Landschaftsgarten, ganz anders, befreiter oder legen sich einfach auf eine Wiese.
Pokatzky: Einst ist dort Gottfried Wilhelm Leibniz lustgewandelt, der ja gern als der letzte Universalgelehrte bezeichnet wird und der 1716 in Hannover gestorben ist, wo er vorher Hofrat und Hofbibliothekar war. Der hat sich auch kurz vor 1700, nämlich 1696, um das Fontänenprojekt gekümmert. Die Pläne von ihm wurden zwar zu seinen Lebzeiten nicht mehr realisiert, aber das waren ganz moderne Ideen, mit Wassermaschinen und Druckpumpen. Was hat der Garten für Leibniz, diesen ganz großen Gelehrten, bedeutet?
Clark: Also, Leibniz hat sich sehr viel in die Gestaltung des Gartens mit einbezogen, zusammen mit der Kurfürstin Sophie …
Pokatzky: Mit der er da auch lustgewandelt ist.
Clark: Mit der er da auch lustgewandelt ist, und ich meine, sie sagte oder er sagte selber ja über die Frau, wenn es die Frau Kurfürstin nicht gäbe, würde man noch viel weniger über Wissenschaft in Hannover reden. Also, es war eine sehr gebildete Frau, ihre Tochter Sophie Charlotte, die die meisten heute eher von Charlottenburg in Berlin kennen, die Königin von Preußen wurde, das waren zwei Frauen, mit denen er sich auch wissenschaftlich unterhalten konnte, die ihn verstanden – zwar natürlich nicht in allen Einzelheiten, dafür war er Genie –, aber immerhin nicht nur das Vergnügen im Kopfe hatten.
Und dort wandelte er, er hat seine Theorien erklärt, es ging eben auch so darum, gibt es überhaupt zwei gleiche Dinge, da wurden dann zwei Hofdamen losgeschickt, sollten zwei gleiche Blätter finden, was sie natürlich nicht geschafft haben. Und theoretisch hat er es geschafft, dass die Fontänen sprangen, praktisch erst vier Jahre nach seinem Tod mit einer anderen Wassermaschine, die aus England kam.
Pokatzky: Die beiden Damen, die Sie angesprochen haben, die Kurfürstin und ihre dann später nach Preußen gegangene Tochter, hatten ja Erfahrung mit dem niederländischen Exil. Welche Rolle spielte das für die Hannoverschen Gärten?
Clark: Ja, also, vor allem die Kurfürstin Sophie ist ja in den Niederlanden aufgewachsen, im Exil, während des 30-jährigen Krieges. Und dort lernte sie eben auch den barocken … das französische Barock kennen, was ein breiteres Parterre hat und eben weiß, eben das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden.
Denn die Hälfte des Großen Gartens war früher mit Obstbäumen bestanden, in den Triangeln gab es über 160 verschiedene Obstsorten, Kirschen, Pflaumen, Äpfel und so weiter. Und direkt neben dem Schloss Feigengarten. Es wurde schon mit Ananas experimentiert und natürlich eine große Zitrussammlung.
Pokatzky: Im Deutschlandradio Kultur Ronald Clark, der Direktor der Herrenhäuser Gärten in Hannover, in unserer Reihe "Frühlingserwachen - die Gartensaison beginnt". Herr Clark, die großen, die ganz berühmten Gartenanlagen des absolutistischen 18. Jahrhunderts, also Versailles, Sanssouci, das waren ja auch so Machtdemonstrationen, Ludwig XIV., Friedrich II. Ging Herrenhausen auch in diese Richtung?
Clark: Selbstverständlich. Also, es liegt ja zeitlich zwischen diesen beiden genannten Gärten, genau in der Mitte. Und Herrenhausen wurde schon verstärkt ausgebaut, als Ernst August, der Herzog Ernst August sich große Hoffnung auf die Kurfürstenwürde machte, die neunte Kurfürstenwürde, die er dann auch erlangte.
Pokatzky: 1692.
Clark: Genau, und da war Herrenhausen eben ganz wichtig, dass es eben auch zeigte, wir können was, wir können mit diesem Garten prunken. Und das Schloss selber war noch nicht so groß zum Prunken da, das sollte noch verändert werden, aber da ist dann Ernst August darüber gestorben. Aber es war natürlich wichtig, was zu zeigen. Es war ein … mit der großen Achse, die einen Kilometer lang ist, die quer durch das Schloss ging, zu zeigen, ich bin der Staat!
Pokatzky: Der Kurfürst von Hannover, also gerade aufgestiegen vom Herzog zum Kurfürst, wurde dann König von Großbritannien …
Clark: Nein, der nicht!
Pokatzky: Also, 1714.
Clark: Ja, aber das war der …
Pokatzky: Ja, der spätere, der spätere, klar! Aber der war ja auch schon dann Kurfürst.
Clark: Genau.
Pokatzky: Auf jeden Fall, der Kurfürst wurde dann 1714 König von Großbritannien und Irland, so. Die residierten dann aber, die Hannoverschen Könige, bis 1837, bis dann die berühmte Victoria kam, alle in London, und es gab sogar mal einen, der war nie in Hannover. Hat das jetzt auch für die Entwicklung des Gartens so ein bisschen geholfen, konnte es so dann, so Ende des 18. Jahrhunderts eher zu einem Garten auch der Bürger werden?
Clark: Das lag natürlich daran, dass nach dem Siebenjährigen Krieg, ab 1760 ungefähr dann der Garten auch für die Bürger, Allgemeinbürger schon geöffnet wurde, auch vorher schon während der Residenzzeit waren natürlich auch schon höher gestellte Persönlichkeiten da, also jetzt nicht nur der Hofadel, sondern auch reichere Bürger. Denn man musste ja auch bewundert werden.
Dazu gehört ja eben auch Publikum. Wenn man alleine da ist, dann hilft es ja nur die, ist ja nur das halbe Vergnügen. Und das war aber eben auch, diese Personalunion hat eben dazu geführt, dass Hannover eben nicht oder der Große Garten eben nicht verändert wurde.
Und als dann später man den Georgengarten baute, gab es schon einen Ausspruch, eigentlich wollte man den Großen Garten noch umwandeln, hieß es aber, wir schätzen das Erbe der Väter! Es ist zwar nicht mehr modern, aber wir lassen es so. Das ist also ein ganz frühes Beispiel der Gartendenkmalpflege, vielleicht das erste überhaupt.
Pokatzky: Es wird ja immer gern der Gegensatz aufgemacht im 18. Jahrhundert zwischen diesem streng geordneten französischen Garten des Absolutismus und dem, ja, in Anführungsstrichen eher wilden englischen, der sich auch so die Unregelmäßigkeiten der Natur zunutze macht und der mehr so der Freiheit, dem bürgerlichen Zeitalter zugeordnet wird. Wie ordnet sich da der Barockgarten in Herrenhausen ein?
Clark: Das ist natürlich ein Frühbarockgarten, der noch voll in der Zeit des Absolutismus war. Zu dem Zeitpunkt gab es Schönbrunn noch nicht, Sanssouci war überhaupt noch nicht geplant, Charlottenburg noch nicht. Also, das war schon eine … Durch die enge Beziehung auch der Kurfürstin Sophie mit ihrer Nichte, Liselotte von der Pfalz, der Schwägerin von Ludwig XIV., gab es viele Beziehungen dazu. Und man hat es eben natürlich wie in ganz Europa überall den neuen Gartenstil kopiert. Das war à la mode.
Pokatzky: Aber wenn Sie da jetzt so durchgehen, jetzt mal so Hand aufs Herz, und Sie kennen auch andere: So ein Barockpark, ist das nicht doch auch so ein bisschen langweilig, so alles so gerade, symmetrisch, rechtwinklig?
Clark: Ja, das ist es eben gerade nicht, denn im Großen Garten gibt es nicht einen einzigen rechten Winkel, das ist ja das Interessante, dass es eine Winkelverschiebung gibt, die unter drei Grad ist, so zwischen 2,4 und 2,8 Grad. Man merkt es, man sieht es nicht, aber ich denke, man spürt es. Und das ist immer noch nicht geklärt, warum es war.
Denn wahre Schönheit braucht ein Geheimnis, also, das ist eben, überall gibt es eine Spannung in dem Garten. Und Sie können herumgehen und es ist ein ganz besonderes Gefühl, mit den Fontänen, überhaupt zu gehen, es ist etwas, was eben aus der Zeit gefallen ist. Aber es ist eine einmalig schöne Angelegenheit, gerade am Abend, wenn dieser Garten zur Ruhe kommt, das ist wunderschön, wenn dann die Fontänen beleuchtet werden. Das ist … Das gibt es nicht überall.
Pokatzky: Wie rekonstruiert man historische Gärten, wie erhält und unterhält man sie? Natur will ja doch eigentlich immer wachsen!
Clark: Das ist aber auch bei Landschaftsgärten auch so, das ist ja keine Natur, sondern auch sehr, sehr genau konstruiert, das sieht bloß anders aus. Und der Große Garten, bei 20 Kilometer Hainbuchenhecken, bei 20 Kilometer Buchsbaumhecken, da ist, die Schere ist da angesagt jedes Jahr! Das fängt jetzt in Kürze an mit dem Buchsbaumschnitt, dann dem Hainbuchenschnitt im Sommer, und im Winter werden die Linden geschnitten, um dann diese Form zu behalten. Das ist eben einfach eine Notwendigkeit, denn sonst wächst es innerhalb von drei Jahren aus!
Pokatzky: Und die Erbtante kann dann nicht mehr richtig durchgucken!
Clark: Ja, vor allem, es interessiert sie nicht mehr so!
Pokatzky: Danke, Ronald Clark, Direktor der Herrenhäuser Gärten in Hannover!
Clark: Gern geschehen!
Pokatzky: Und in unserer Reihe "Frühlingserwachen - die Gartensaison beginnt", morgen um 14:00 Uhr Claudius Wecke, der Parkleiter des Pückler Parks in Cottbus-Branitz, und ganz wichtig, am kommenden Samstag gibt es dann zwei Stunden, von neun bis elf, Schrebergärten und Gartenakademien mit dem Schriftsteller und Gartenfreund Wladimir Kaminer und Gabriella Pape, der Gartengestalterin und Gründerin der Königlichen Gartenakademie in Berlin!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.