Der Mann, der ein Volksbad und die Nofretete verschenkte
08:37 Minuten
James Simon gehörte zu einen der reichsten Männer im Berlin der Kaiserzeit. Dank ihm wurden die Museen gefüllt. Mit der James-Simon-Galerie wird ihm nun ein Denkmal gesetzt. Vergessen wird dabei oft, dass er mehr Geld für andere Zwecke spendete.
Der James-Simon-Park in Berlin-Mitte. Seit 2007 trägt die kleine Grünanlage an der Spree den Namen des berühmtesten Mäzens der Stadt. Zwei kleine Jungen füttern die Spatzen mit Brot, Erwachsene dösen in Liegestühlen. Alle sind froh über den Schatten der hohen Bäume. Und genießen den freien Blick hinüber zur Museumsinsel – auf das Gebäudeensemble aus Alter Nationalgalerie, Altem und Neuem Museum, Pergamon- und Bode-Museum.
Millionär und preußischer Patriot
Die James-Simon-Galerie, das neue Eingangsgebäude, sehen sie von hier aus allerdings nicht. Es wird durch die anderen Museumsbauten verdeckt. Recht so, sagt Dietmar Strauch. Er mag den historisierten Neubau nicht. James Simon hingegen und dessen Lebenswerk schätzt er sehr.
"Da ich ja nun Berliner bin und die Berliner Museen, nun ja nicht meine zweite Heimat, aber doch häufig von mir aufgesucht werden, und man dann an jedem Schild sieht: ‚Spender Simon, Simon, Simon’, ist das einfach ein Thema, was mich gereizt hat."
2010 veröffentlichte der Sachbuchautor eine Biografie über den Berliner Baumwollhändler: "James Simon. Der Mann, der Nofretete zur Berlinerin machte". Einer der reichsten Männer Berlins, lange in der Top Ten der Millionäre, Jude, preußischer Patriot und größter Mäzen der Kaiserzeit. 1898 Mitbegründer der Deutschen Orient-Gesellschaft. Er finanzierte diverse Grabungskampagnen in Mesopotamien und Ägypten und überließ deren Funde später seiner Stadt. Unter anderem die weltberühmte Büste von Nofretete. Dieser Mann hatte es Dietmar Strauch angetan.
"Wissen Sie: Wenn sie so reich sind, wenn der Kaiser bei Ihnen zum Kaffeetrinken kommt, dann steht man, glaube ich, auch über diesen Sachen. Dann guckt man nicht ständig in seinen Kontoauszug, wie viel Geld man noch hat, dann ist man doch irgendwie in einer ganz anderen Sphäre. Er war ein Prototyp für die Mäzene, die die Berliner Museen groß gemacht haben."
Spenden nicht des Protzens wegen
Hans-Georg Wormit, erster Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, fand dafür 1965 sehr pathetische Worte:
"Alles in allem lässt sich sagen, dass James Simon als bis heute unerreichtes Vorbild eines hohen Mäzenatentums, eines aufopfernden Sich Hingebens für den Gedanken der Kunst und Wissenschaft in Berlin uns vorschwebt."
Doch was trieb ihn an? Warum gab James Simon Jahr für Jahr große Teile seines Vermögens – ein Drittel, schätzen Experten – aus für gemeinnützige Zwecke? Prominent werden wollte er jedenfalls nicht, sagt Dietmar Strauch, mit Geld zu protzen war ihm fremd.
"Was er nicht wollte, war öffentliche Anerkennung, Orden, Titel oder gar wie andere Mäzene Erhebung in den Adelsstand, daran war er nicht interessiert. Das muss man ihm auch abnehmen. Man kann wirklich sagen: Es war ein innerer Antrieb, den er hatte."
Engagement in Dutzenden Vereinen
Denn was bei all seinen Verdiensten um die Förderung von Kunst und Wissenschaft oft vergessen wird: James Simon engagierte sich auch sehr stark für soziale Belange.
"Da kann man vermuten, dass das mit seiner Tochter zusammenhängt. Er hatte eine geistig behinderte Tochter, die auch nur 14 Jahre alt geworden ist. Er war die ganze Zeit mit kranken Kindern, mit deren Problemen beschäftigt. Man kann annehmen, dass sein Sensorium dafür geschärft wurde und er deswegen oder unter anderem deswegen sich eben gerade für Kinder eingesetzt hat."
Mit Anfang 30 wird James Simon Gründungsmitglied des Vereins "Mädchenhort", der armen, vaterlosen Mädchen Verpflegung und Unterkunft bietet. Später engagiert er sich in mehreren Dutzend Sozialvereinen und Krankenhäusern, Kinder- und Waisenheimen. Viele davon gründet er selbst.
"Wie man in 60 Vereinen aktiv, oft im Vorstand Mitglied sein kann, ist mir dann auch ein bisschen rätselhaft, dummerweise sind alle, wirklich alle Unterlagen verloren gegangen. Sowohl sein privates Archiv als auch Archive dieser Vereine, der Deutschen Orient-Gesellschaft, das ist alles verloren gegangen, deswegen wissen wir nicht so genau, wie das abgelaufen ist, vielleicht hat er ein paar Sekretäre gehabt, die ihn unterstützt haben. Das ist wirklich unbekannt, und da wird man auch nicht mehr viel raus bekommen."
Bis zu 40 Prozent der Spenden für soziale Zwecke
An der Ostsee lässt James Simon ein Ferienheim errichten, in dem sich in den Sommermonaten bis zu 600 Berliner Kinder aus vorwiegend ärmeren Verhältnissen erholen können.
"Zwar liegen für diesen Bereich der mäzenatischen Aktivitäten im Vergleich zu seinem Kunst- und Wissenschaftsmäzenatentum am wenigsten Angaben vor", schreibt Olaf Matthes, der vor 20 Jahren über James Simon und seine Rolle als Wohltäter für Berlin promovierte.
"Doch wir können davon ausgehen, dass die Verteilung in den 1890er- und 1910er-Jahren bei circa 30 bis 40 Prozent für soziale Zwecke, 15 bis 20 Prozent für die Wissenschaft und nur etwa zehn Prozent für den Erwerb von Kunst lag. Charakteristisch für sein Sozialengagement ist, dass Simon seine Mittel nur privaten Anstalten und Institutionen zukommen ließ."
Olaf Matthes schätzt: Simon stiftete bis zu 200.000 Mark pro Jahr für soziale Zwecke. Und war sich nicht zu schade, auch an öffentliche Institutionen heranzutreten, wenn er es für notwendig hielt.
"Mit diesen persönlichen Bettelappellen eines der reichsten Männer Berlins wollte Simon erreichen, dass sich staatliche und städtische Instanzen gerade gegenüber den Kindern mehr in die soziale Pflicht genommen fühlten als bisher."
Bäder für die breite Masse
So finanziert James Simon auch die Errichtung der ersten Volksbadeanstalt in Berlin. Anschließend übernimmt die Stadt, wie von ihm gewünscht, den Bau weiterer sogenannter Brausebäder. Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad, lautet das Motto. Die meisten Wohnungen in den Mietskasernen haben damals keine Bäder.
"Das kenne ich noch aus meiner Kindheit, dass man dann sich in der Küche waschen musste, und man hat damals schon erkannt, dass Hygiene natürlich eine gewisse Voraussetzung dafür ist, dass auch Kinder vernünftig aufwachsen, Tuberkulose war weit verbreitet, es wohnten damals sechs, acht Personen in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Das waren schon schlimme Zustände, da war so etwas wie eine Badeanstalt, da ging es nicht nur ums Schwimmen, sondern um die Körperreinigung, ein ganz wichtiges Element."
Dank geringer Baukosten können die Eintrittspreise der Volksbäder niedrig gehalten werden. Somit sind sie auch für ärmere Schichten erschwinglich. Das Stadtbad in Berlin-Mitte trägt seit 2012 den Namen "James Simon".
Die Nazis vernichteten fast alle Dokumente
Im James-Simon-Park gegenüber der Museumsinsel erinnert eine kleine Tafel an Berlins größten Förderer. Der Erste Weltkrieg und die wirtschaftlichen Folgen setzten seinem Mäzenatentum weitgehend ein Ende. Nach seinem Tod 1932 vernichteten die Nazis fast alle Unterlagen über ihn und löschten damit das Andenken an den jüdischen Philanthropen aus.
Spätestens ab dem 12. Juli wird sich die Öffentlichkeit jedoch wieder an ihn erinnern. Wenn die James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel fürs Publikum feierlich eröffnet wird. Davon ist Kulturstaatsministerin Monika Grütters überzeugt.
"Es ist bitter und beschämend, dass es zunächst tatsächlich gelungen war, seinen Namen aus dem kollektiven Gedächtnis zu tilgen. Dank des jetzt aber nach ihm benannten Eingangsgebäudes führt nun künftig im wahrsten Sinne des Wortes kein Weg auf die Museumsinsel mehr an ihm vorbei."