"Wir müssen weitermachen"
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Die Galerie von Andrée Sfeir-Semler ist durch die Explosion in Beirut fast komplett zerstört worden. Die Galeristin gilt als wichtigste Expertin für zeitgenössische arabische Kunst. Wie soll es nun weitergehen?
Ihre Stimme bricht, wenn sie über die verheerenden Explosionen im Hafenviertel von Beirut redet, die nach derzeitigem Stand über 100 Menschenleben forderte und etliche Tausend Verletzte. Andrée Sfeir-Semler stammt aus dem Libanon und ist seit 35 Jahren Galeristin. Sie vertritt in der Niederlassung ihrer Hamburger Galerie in Beirut Konzeptkünstlerinnen und -künstler aus dem arabischen Raum wie Walid Raad, Wael Shawky, Lawrence Abu Hamdan oder Rabih Mroué.
Die Räume wurden durch die Explosionen zerstört, coronabedingt war die kommende Ausstellung noch nicht aufgebaut, die Kunstwerke zum Glück in einem Schrank. Ihre Mitarbeiterinnen wie auch dieser Schrank blieben unversehrt.
Wichtige Anlaufstelle für Künstlerinnen und Künstler
"Wir müssen weitermachen" – zahlreiche Solidaritätsbekundungen per Mail und SMS bestärkten sie darin, sagt die Kunstexpertin unter Tränen. Denn: "Die Rolle, die wir spielen, ist nicht nur die einer Kunsthandlung, sondern die von Kulturschaffenden." Und somit eine wichtige Anlaufstelle für Künstlerinnen und Künstler, von denen viele jetzt im wahrsten Sinne des Wortes vor den Scherben ihrer Existenz stehen.
Doch wie genau sie neu beginnen soll, weiß Sfeir-Semler, die als eine der renommierstesten Expertinnen für zeitgenössische arabische Kunst gilt, noch nicht. Denn sie trage eine große Verantwortung für die Kunstwerke, die sie zeigen wolle.
Zweifel an der offiziellen Erklärung
Glaubt sie der offiziellen Lesart, wonach die beiden Explosionen allein durch im Hafen gelagertes Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein sollen? Die Galeristin bezweifelt dies: Mehrere Freunde und Bekannte berichteten von Flugkörpern, Drohnen, die sie an dem Abend in der Luft gesehen hätten. Und: "Viele haben gesagt, dass dort ein sehr wichtiges Riesenlager mit Schwerstwaffen der Hisbollah liegt. Aber mehrere politiknahe Personen, die kritisch sind, sagen, dass sie es vertuschen wollen. Die wollen nicht zugeben, dass ein Waffenlager explodiert ist."
(mkn)