Schon als Achtjähriger war er blutrünstig
George R.R. Martin hat eine der größten Fantasy-Sagas aller Zeiten geschaffen: "Das Lied von Eis und Feuer". Beim Deutschland-Besuch in Hamburg ließ er sich von tausenden Fans bejubeln - und las aus dem geheimen neuen Manuskript.
"Hello Hamburg."
Er trägt so viel Bart, dass man sich fragt, ob es eine Frau in seinem Leben gibt, die gelegentlich den Mund unter diesen Haarbüscheln sucht. Sein Körper wirkt, als litte er unter einer kombinierten Sonnen- und Bewegungsallergie. Er hat einen martialischen Witz und strahlt eine Klugheit aus, die einem auch in Reihe 20 noch Respekt einflößt. Zum Beispiel als er erzählt, wie er unter seinen Schulfreunden der größte Comicfan war. Damals eine Lektüre für schlimme Kinder.
"Aber heute regieren wir die Welt."
Der 66-Jährige sitzt da wie ein Berg, auf dem Gipfel eine Prinz-Heinrich-Mütze, die Augen im Schatten des Schirms und erzählt von sich – deshalb sind 3000 Fans schließlich nach Hamburg gekommen.
"Kann ja sein, dass ich von außen altertümlich und hinfällig aussehe, aber innen drinnen bin ich noch ein zwölfjähriger Junge."
Eher ein Schreib-Mönch
Ein Träumer, Spieler, Sammler – optisch das Gegenteil eines Womanizers. Optisch eher ein Schreib-Mönch.
"In seiner Sammlung von Spielfiguren war ein kleiner gelber Mann, der eine Waffe trug. Sah nicht aus wie ein Gewehr. Ich kam nicht drauf, was das sein sollte. Deshalb entschied ich, das muss ein Bohrer sein. Und was sollte der nun mit dem Bohrer machen? Er würde Leute foltern, ihnen die Köpfe aufbohren. Schon mit acht war ich also blutrünstig."
George Raymond Richard Martin ist der Autor der Saga "Das Lied von Eis und Feuer". Die darauf basierende TV-Serie "Game of Thrones" ist mit acht Millionen Downloads seit 2011 die meist gesehene Fantasy-Serie der Welt. Die Buchauflage bewegt sich bei fünf Millionen Exemplaren.
Martin wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater war Tagelöhner und Spieler. Sie gingen nie aus, erzählt der Autor, fuhren nicht in Urlaub, konnten sich nichts leisten. Aus dieser unerträglich engen Welt brach Martin mithilfe von Büchern aus. Dann schrieb er Erzählungen, mehrere Folgen für die Serie "Twilight Zone". Und als 1996 der erste Band von "Das Lied von Eis und Feuer" erschien, wurde er sofort zum Bestseller. George R. R. Martin hat inzwischen über 50 Millionen Dollar mit dieser Saga eingenommen und ist so populär, dass ihm die Serie "South Park" drei Folgen und ein Videospiel widmete.
Metzel- und Vögel-Szenen
"Lasst mich in Bolten-Blut baden, ehe ich sterbe. Ich will spüren, wie es mir ins Gesicht spritzt, wenn sich meine Axt tief in den Schädel eines Boltons beißt. Ich will es mir von den Lippen lecken und dann mit dem Geschmack auf der Zunge sterben."
Obwohl der Saga-Stoff von Sex und Gewalt lebt, auf weiten Strecken nur aus Metzel- und Vögel-Szenen besteht, ein recht simpler Handlungsparcours, den aber immerhin mehr als 120 Figuren in seltsamen Kleidern während eines langen mittelalterlichen Winters durchlaufen müssen. Obwohl einen das schon mal öde stimmen kann, sind die meistenteils jungen, leicht nerdig gekleideten Fans in Hamburg fasziniert. Die Frage ist: Wovon?
"Die Leute, die da drin vorkommen, die sind sehr echt und da kann man sich gut rein versetzen."
"Und es sind eigentlich auch viele Themen, die wir heute vielleicht in der Form aufgrund von kulturellen Dingen nicht mehr tun würden. Und die werden offen angesprochen und teilweise drastisch dargestellt."
"Gut wir wissen, dass wir besser geworden sind. Ist das der Reiz?"
"Wir sind kultivierter geworden. Ob wir besser geworden sind, weiß ich nicht."