Nicht jeder, der einen Ego-Shooter spielt, ist ein potenzieller Terrorist.
Dokumentation über Hass im Netz
In der Arte-Doku "Liken.Hassen.Töten" ermöglichen die Filmemacher Luca Zug und Alexander Spöri Einblicke in eine gefährliche Szene, die sich im Netz radikalisiert hat. © ARTE / BR / Bilderfest / Jannis Bierschenk
Gefährliche Radikalisierung von Jugendlichen
08:08 Minuten
Für die Arte-Doku "Liken.Hassen.Töten" haben sich die Filmemacher Luca Zug und Alexander Spöri in ein gefährliches Milieu begeben, das Attentate feiert und plant. Die Behörden seien der Herausforderung nur begrenzt gewachsen, ist ihre Erfahrung.
In den vergangenen Jahren gingen Anschläge immer häufiger auf das Konto von Jugendlichen. So erschoss 2016 bei einem Attentat im Münchner Einkaufszentrum OEZ ein 18-jähriger Schüler mit einer Pistole neun Menschen und verwundete 20 schwer, bevor er sich selbst tötete.
Diese Tat war Ausgangspunkt für die Recherche der 21-jährigen Dokumentarfilmer Luca Zug und Alexander Spöri in der Gaming-Szene und ihre Spurensuche nach der Radikalisierung im Netz. Ihr Film "Liken.Hassen.Töten" läuft am 5.7. auf Arte und ist ab sofort in der Arte-Mediathek zu sehen.
Anschlagsfantasien im Netz
Die Recherche führte die Filmemacher in ein internationales Netzwerk von Jugendlichen, die sich online auf Spieleplattformen wie "Steam" radikalisieren. Anfangs hätten sie bei einer Online-Recherche einfach nur Informationen gesammelt, sagt Spöri. Dabei habe sich gezeigt, dass es Gruppen gebe, die sich nach Attentätern benennen.
Undercover seien sie immer mehr solchen Gruppen beigetreten, um mehr Einblick zu gewinnen, erzählt der Filmemacher. "Die haben eine besondere Sprache, eine Art Lexikon, in der sie sprechen." Da gebe es Codewörter wie die Zahl 2080, bei der es um das "Manifest" des norwegischen Massenmörders Anders Behring Breivik gehe. Der Rechtsextremist hatte 2011 bei Anschlägen in der Hauptstadt Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen getötet.
In diese Sprache mussten die Filmemacher sich zunächst reinarbeiten. Umso weiter sie in diese Gruppen vorgedrungen seien, umso mehr Jugendliche aus ganz Europa und den USA hätten sie dort vorgefunden, die ganz klare Anschlagsfantasien hätten oder sie sogar planten, so Spöri.
Die Gaming-Szene ist anfälliger geworden
"Die Gaming-Szene darf man jetzt nicht pauschal dafür verantwortlich machen", warnt der Dokumentarfilmer.
Aber die Szene sei anfälliger geworden, weil dort vor allem junge Menschen unterwegs seien und man sie direkt ansprechen könne.
Da spiele jemand ein normales Spiel und werde im Chat dann in eine Gruppe eingeladen. "Das machen Jugendliche dann ganz schnell und dann landen sie plötzlich da." Wenn sie isoliert seien und wenig Freunde hätten, seien sie unter Umständen ein leichter Fang. Bei "Steam" seien es überwiegend Männer, auf Instagram dagegen vor allem junge Frauen, die bestimmte Täter posten, sagt Spöri.
Der Staatsschutz kam vorbei
Die Recherche der Filmemacher brachte ihnen eines Tages eine Hausdurchsuchung durch den Staatsschutz ins Haus. "Das war natürlich im ersten Moment ein Schock", sagt Spöri. Andererseits hätten die beiden sich das schon gedacht, weil sie sich unter einem Falschnamen in dem radikalen Milieu bewegten. Die Behörden seien allerdings über die Recherche vorher informiert worden.
"Die Behörden sind ein stückweit überfordert", urteilt Spöri über die Möglichkeiten des Staates, gegen diese Szene vorzugehen. "Die haben zu wenig Personal." Ein Gespräch mit Verfassungsschützern in Thüringen habe gezeigt, dass dort noch strittig sei, ob ein Beamter überhaupt Computerspiele im Dienst spielen dürfe. Wenn man das nicht erlaube, müsse man sich auch nicht wundern, wenn etwas Schlimmes passiere, sei der Tenor gewesen. "Da ist man nach wie vor nicht so gut aufgestellt." Viele gesetzliche Möglichkeiten blieben im Kampf gegen diese Täter leider ungenutzt.
Der Bundesanwalt nehme sich erst seit diesem Jahr der Szene an. Er habe Gruppen wie die "Atomwaffendivision" im Blick, in der Neonazis unterwegs seien. Sie würden als rechtsterroristische Organisation zwar beobachtet, aber die Hürden für Ermittlungen seien so hoch, dass es bisher noch keine Verurteilungen gebe, sagt Spöri.
Der Dokumentarfilm "Liken.Hassen.Töten" läuft am 5.7.2022 auf Arte und ab sofort in der Arte-Mediathek.