Games und Terror

Die Branche braucht mehr Selbstkritik

36:45 Minuten
Das Bild zeigt Aufnahmen von NS-Soldaten, deren Gesichter mit Manga-Bildern ersetzt wurden
Die spielerische Verharmlosung des Nationalsozialismus ist auf der Spieleplattform "Steam" nur ein paar Klicks entfernt. © Christian Huberts / Screenshot Steam
Von Philipp Schnee |
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Nach dem Anschlag von Halle läuft eine Debatte über die Offenheit der Spielbranche nach Rechts. Wie groß ist die Verantwortung und das Engagement von Spielern, Entwicklern und Plattformen? Eine Diskussion.
Der Attentäter von Halle schrieb vor seiner Tat einen elf Seiten langen Text, der sich liest wie eine Spielanleitung, per Helmkamera übertrug er seine Morde live im Internet. Die Ähnlichkeit zu handelsüblichen Ego-Shootern war offensichtlich.
Seitdem Innenminister Horst Seehofer deswegen angekündigt hat, die Spielbranche genauer unter die Lupe zu nehmen, läuft eine sehr verkürzte Debatte über den Zusammenhang von Spielebranche und rechter Gewalt. Wissenschaftlich belegte, kausale Zusammenhänge für die Wechselwirkung von Spielen und Gewalt gibt es nicht. Dass es zu dem Anschlag in Halle kam, muss nicht unbedingt etwas mit Spielen zu tun haben. Wie es aber geschah, ganz bestimmt.
Eine Analogie: Niemand käme auf die Idee, zu sagen, dass jeder, der sonntags im Park kicken geht, zum Nazi wird. Aber viele Fußballclubs, Fans und Verbände engagieren sich inzwischen gegen rechtsextreme Fußballfans in den Stadionkurven. Wie können also Spieler und Entwickler mit rechtsextremen Gedanken und Spielern umgehen, welche Verantwortung tragen Plattformen und die Branche?

Eine Scheindebatte?

Felix Falk ist Geschäftsführer des Brancheverbandes GAME. Er sieht keine Anzeichen, dass die Spiele-Community stärker durch Rechtsradikale unterwandert wäre als der Rest der Gesellschaft und hält einen Großteil der aktuellen Diskussion für eine Scheindebatte: "Natürlich gibt es Probleme, so wie es in jeder Kneipe bei einer Diskussion, die hochkommt, wo man sich einmischen muss, wo man Verantwortung trägt, dagegen vorzugehen, gegen solche Tendenzen. So gibt es das auch in der Games-Branche. Aber man kann das eben nicht rausgreifen und so tun, als wäre das jetzt die Ursache des Problems des Rechtsradikalismus in Deutschland."

"Wir sind schnell darin, Leute zu verbannen"

Rae Grimm ist Redaktionsleiterin von GamePro.de, einer der wichtigsten deutschen Gamesportale. Sie bemerkt immer wieder problematische Kommentare, zum Beispiel bei aktuellen großen Titeln wie "Call of Duty". Das seien aber eher Einzelfälle, um die sich die Community selbst kümmere. Und sonst griffen Community-Manager ein: "Wir sind auch sehr schnell darin, wenn es darum geht, Leute von der Seite zu verbannen, Leute aus der Community zu schmeißen."

Rechte rekrutieren junge Gamer

Christian Huberts ist Journalist und Kulturwissenschafter und betont den ähnlichen Ton und Überschneidungen der Communitys auf Spieleplattformen wie "Steam" und Messageboards wie "4chan" oder "8chan", auf denen Rechte gezielt versuchten, Nachwuchs zu rekrutieren: "Seit 2014 konnte man die Annäherung beobachten an die rechte Szene, die Alt-Right in Amerika, aber auch international an rechte Gruppierungen, die halt sehr schnell gemerkt haben, dass sie dort radikalisierbare, junge, wütende Männer haben, denen sie gezielt Angebote machen könnne. Und das wurde nicht ernst genommen."
Huberts fordert eine bessere Moderation auf solchen Plattformen, aber auch einen zivilen Konsens, rechtsextreme Andeutungen oder Symbole zu melden – und nicht als "Spaß" durchgehen zu lassen.

Die Beißreflexe sind groß

Das Fazit der Diskussion: Eine ernsthafte und differenzierte Debatte steht erst am Anfang. Die öffentliche Auseinandersetzung mit der Spielekultur ist noch immer von Verallgemeinerungen und Klischees durchzogen. Die negativen Geschichten über Spiele dominieren. Auf der anderen Seite fehlt der Branche die Selbstkritik: Viele reagieren auf Vorwürfe mit vorschnellen Schutzbehauptungen. Die Beißreflexe auf beiden Seiten sind noch groß.
Moderation der Sendung: Gesa Ufer
(sed)
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