Gamescom

Spiele-Entwickler gegen "Schlumpfinen-Prinzip"

Eine Besucherin hat sich am 14.08.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) am ersten Publikumstag der Computerspielemesse Gamescom als eine Spielfigur verkleidet. Die Messe dauert noch bis zum 17.08.2014.
Eine Besucherin der GamesCom, die sich als Spielfigur verkleidet hat. © dpa / Henning Kaiser
Von Marcus Richter |
Die Games-Branche hat ein Problem mit der Gleichberechtigung. Und damit meinen die Kritiker nicht nur, dass es sehr wenige Frauen in diesem Geschäft gibt. Auch bei den Figuren dominieren die Männer. Das soll sich nun ändern.
"Assassin's Creed: Unity" ist ein Spiel, das in den letzten Wochen Hohn und Spott auf sich zog, weil die Macher behaupteten, weibliche Charaktere zu kreieren, sei zu aufwändig, deswegen gäbe es nur Männer. Ergebnis der Diskussion? Ein meterhohes Plakat mit vier Männern am Messegebäude - das Problem mit der Gleichberechtigung wird bei der Gamescom also schon am Eingang deutlich.
"A memorable story, told through an incredible cast of characters."
Und es wird nicht besser: Eine unvergessliche Geschichte mit unglaublichen Figuren wird auf einer Pressekonferenz versprochen. Im folgenden Trailer geht es, man ahnt es schon, um Männer. Gerade bei den großen Blockbustern sind weibliche Protagonisten Fehlanzeige. Ja, es gibt die berühmte Figur der Lara Croft, die aber eher die Ausnahme ist, die die Regel bestätigt.
Das Problem ist tief in der Branche verwurzelt, glaubt Spiele-Designerin Henrike Lode, die Vorbehalte gegenüber weiblichen Protagonisten selbst erlebt hat:
"Investoren aus England oder auch ein PR-Typ aus Dänemark hat gesagt, das wird sich nicht verkaufen oder du wirst auf jeden Fall Sales einbüßen. Und es ist auch möglich, zumindest in Amerika, in England, in Deutschland kann ich mir vorstellen, dass möglicherweise Jungs oder Männer damit ein Problem haben, dass sie einen weiblichen Charakter spielen."

Besucher spielen am 13.08.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) am Fachbesuchertag der Computerspielemesse "Gamescom" das Spiels "The Crew".
Die Gamescom ist eine Messe für interaktive Unterhaltungselektronik, insbesondere Video- und Computerspiele.© picture alliance / dpa - Henning Kaiser
Selbst Spiele, bei denen sich die Spieler aus mehreren Figuren ihren Charakter aussuchen können, haben meist deutlichen Männerüberschuss - auch wenn das anscheinend nicht immer kalkulierte Absicht ist:
"Als wir vorangearbeitet haben, wie das so ist, schmeißt man halt Content ins Spiel rein und denkt nicht drüber nach, und wir hatten dann irgendwann einen Stand, wo wir halt einfach, weiß ich, acht männliche und einen weiblichen Explorer hatten."
Sagt Johannes Kristmann über das Spiel "The Curious Expedition" an dem er und sein Mitstreiter Riad Djemili arbeiten. Dabei werden brettspielartig Entdeckerreisen nachgestellt. Als Spielfiguren können Entdecker und Wissenschaftler aus dem 19. Jahrhundert ausgewählt werden: Charles Darwin oder Nikola Tesla etwa. Das Spiel erfüllte mit dem Geschlechterverhältnis 8:1 ein klassisches Klischee, das sogenannte "Schlumpfinen-Prinzip". Dieses Prinzip kommt aus der Film- und Fernsehwelt und bedeutet, dass eine Gruppe komplett männlicher Figuren eine Alibi-Frau zur Seite gestellt bekommt.
Die Medienkritikerin und Feministin Anita Sarkeesian hat dieses Prinzip auf Computerspiele übertragen - das entsprechende Video, in dem das erläutert wird hatte Johannes Kristmann gesehen.
"Dann hab ich gesagt: Alles klar, sie hat uns erwischt, wir haben uns selber erwischt, also haben wir gesagt, okay, wir lassen jetzt alles stehen und liegen, ich mache jetzt keine anderen Sachen am Spiel weiter, bis ich nicht die Charaktere auf einem gleichförmigen Stand habe. Also so viel Frauen wie Männer."
Und so gesellten sich zu Darwin, Tesla und den anderen Männern noch Marie Curie, Amelia Earheart, Mary Kingsley und 5 weitere Entdeckerinnen. Für Riad Djemili eine wichtige Bereicherung des Spiels:
"Wir machen ja kulturelle Güter und es ist schön, was herzustellen, was einfach nur über den Unterhaltungswert hinausgeht, etwas zu machen, wo sich unser eigenen Wertvorstellungen ein Stück weit einfach wiederspiegeln."
Frauen sind begeistert vom ausgeglichenen Geschlechterverhältnis
Die Reaktionen waren positiv: Die männlichen Spieler waren nicht weniger interessiert, Frauen begeistert vom ausgeglichenen Geschlechterverhältnis. "The Curious Expedition" ist nicht das einzige Beispiel. Mit etwas Suchen, lassen sich auf der GamesCom noch mehr Beispiele für weibliche Protagonisten finden. Das Abenteuer "Dragon Fin Soup", das Rennspiel "The Next Penelope" oder eben die Rätselsammlung "Machineers" von Hendrike Lode, die sich allen wirtschaftlichen Bedenken zum Trotz für ein Robotermädchen als Protagonistin entschieden hat.
"Das ist ein Statement, ich möchte etwas anders machen, als die meisten Spiele, die ich gesehen habe. Und dann wollte ich einen weiblichen Charakter haben, um dafür zu sorgen, dass die sich auch ermutigt fühlen, dass Spiel anzufassen."
Was auffällt: Die meisten Positiv-Beispiele sind Titel, die aus dem Independent-Bereich kommen: Von kleinen, unabhängigen Entwicklern wie Henrike Lode oder Johannes Kristmann und Riad Djemili, die im Gegensatz zu den großen Mainstream-Blockbuster-Produzenten verstanden haben, dass es eben nicht nur Spieler, sondern auch Spielerinnen gibt. Und das Spaß am Spiel keine männliche Eigenschaft ist - sondern eine menschliche.
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