Gaming: "Football Manager 2018"

Schwule Kicker – ab jetzt normal

Die Beine von Fußballspielern auf dem Trainingsplatz.
Es wird bunter auf dem Platz - zumindest in der virtuellen Welt von "Football Manager 2018" © imago sportfotodienst
Tatjana Eggeling im Gespräch mit Ute Welty |
Am 10. November erscheint das Computerspiel "Football Manager 2018" – und sorgt schon jetzt für Wirbel. Denn das Game, das den Spieler in die Rolle eines Clubbosses eintauchen lässt, hat ein neues Feature: Per Algorithmus outen sich Spieler als homosexuell.
Vor vier Jahren bekannte sich Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger offen zu seiner Homosexualität - und setzte sich damit über ein Tabu hinweg. Schwulsein und Fußball, das geht scheinbar nicht, es dominieren konventionelle Männlichkeitsvorstellungen. Anders sieht die Welt in der neuen Version des populären Games "Football Manager" aus: Das Coming Out von Spielern ist darin völlig normal und sorgt sogar für steigende Einnahmen des virtuellen Clubs.
Eine klasse Idee, sagt die Kulturwissenschaftlerin und Expertin für Homosexualität im Sport, Tanja Eggeling Im Deutschlandfunk Kultur über das Spiel. Es bilde etwas ab, "was es längst gibt - worüber aber nicht so gerne gesprochen wird und was ja im realen Fußball-Leben tatsächlich auch eine ganze Menge Probleme macht für die schwulen Fußballer, die sich nicht outen können." Durch das Computerspiel könnten sich die Leute mit der Thematik auseinandersetzen und sich fragen, wie sie damit umgehen: "Das regt das Denken an und ändert vielleicht doch etwas in den Köpfen."

Große Berührungsängste mit homosexuellen Spielern

In der realen Welt gebe es immer noch große Berührungsängste mit homosexuellen Spielern, berichtet Eggeling. Zu dem Bild vom Männerfußball als einer Sache für harte Kerle komme die Idee von angeblich verweiblichten Schwulen, die auf dem Platz nicht bestehen könnten. Vor allem den Betroffenen bereite das große Probleme: "Die fühlen sich natürlich nicht wirklich wohl im Fußball solange sie einen ganz wichtigen Teil ihrer Persönlichkeit verstecken müssen." Möglicherweise schlage sich dieses Verheimlichen sogar auf die Konzentration der Spieler nieder: "Das frißt natürlich wahnsinnig Energie."
Beim Thema Rassismus habe sich im Fußball bereits viel getan. Genau so aktiv könnten die Funktionäre auch das Thema Vielfalt der sexuellen Orientierung angehen, "aber sie tun es nicht", sagt Eggeling. "Sie haben, glaube ich, auch noch nicht erkannt, welche großen Vorteile das hätte für ihr Team - auch ökonomisch."

Das Gespräch im Wortlaut:
Ute Welty: Offiziell erscheint "Football Manager 2018" erst am 10. November, aber schon jetzt sorgt das Computerspiel für Wirbel, denn erstmals tauchen in einem so bekannten und erfolgreichen Game homosexuelle Protagonisten auf, die dabei helfen, das Spiel zu gewinnen, und einen gesellschaftlichen Anspruch haben die Entwickler auch.
((Bericht))
Mit einem Computerspiel die Welt verbessern – ob das gelingen kann oder doch ein ziemlich abstruser Plan ist, bespreche ich mit Tatjana Eggeling. Die promovierte Kulturwissenschaftlerin ist eine der Expertinnen für Homosexualität im Sport und wurde zu dieser Thematik auch schon vom Sportausschuss des Bundestages gehört. Guten Morgen, Frau Eggeling!
Tatjana Eggeling: Guten Morgen!
Welty: Ob ein solches Coming-out-Feature in einem Computerspiel tatsächlich etwas bringt und ob es tatsächlich den Einfluss auf die Wirklichkeit hat, ist das für Sie ein Thema, eine Wahrscheinlichkeit?
Eggeling: Das kann ich überhaupt nicht einschätzen, ob das tatsächlich die Welt verbessert oder den Fußball ändert. Was es tut, ist, etwas abzubilden, was es längst gibt, worüber aber nicht so gerne gesprochen wird und was ja tatsächlich im realen Fußballleben auch eine ganze Menge Probleme macht für die schwulen Fußballer, die sich nicht outen können. Die Idee finde ich super, das in so ein Computerspiel einzubauen, das finde ich total klasse, weil ich denke: Ja, die Leute, die das spielen, werden dann vielleicht auf was gestoßen, was ihnen sonst als Fan nicht so unterkommt, und können dann sehen, wie sie damit umgehen. Das finde ich ganz hervorragend, das regt vielleicht zum Denken an oder ändert vielleicht dann doch was in den Köpfen. Ist doch eine wunderbare Idee.
Welty: Dieses Coming-out-Feature sorgt ja im Spiel für Punkte. Ist das mehr als eine nette Spielerei oder ist das wirklich der Trick?
Eggeling: Das ist ein ganz guter Trick, denn damit wird nicht... , es wird ja nicht gegen etwas gearbeitet, sondern sozusagen im Positiven was verstärkt, nämlich etwas, was man vielleicht auch nicht vermutet und was für viele Spielerinnen und Spieler dann auch überraschend ist, nämlich dass sie tatsächlich Geld machen können, wenn sie einen schwulen Spieler im Portfolio haben.
Wir erinnern uns alle, dass immer wieder mal Manager gesagt haben, na ja, ein offen geouteter schwuler Spieler, den kann ich schlecht verkaufen, in manche Länder schon gar nicht. Und das Spiel stellt das halt auf den Kopf und sagt: Na ja, wieso? Könnt ihr doch schauen, euer Verein steht gut da, ihr kriegt Punkte, weil ihr auch mehr Unterstützung, eine breitere Unterstützung bekommt. Ich finde die Idee gut.

Zu wenig Gelassenheit im Umgang mit Homosexualität

Welty: Wer bei "Football Manager 2018" sich mit berühmten Namen umgibt, der wird nie ein virtuelles Outing erleben. Ist das per se ein Einknicken vor den Limas und Ronaldos dieser Welt, deren Klagen man auch befürchtet?
Eggeling: Einknicken würde ich das nicht nennen, sondern eine ganz klarsichtige und realistische Entscheidung. Natürlich werden die Leute klagen und vielleicht auf Rufmord oder so, eine Klage aufgrund von Rufmord vielleicht anstrengen. Das kann man ja vermeiden. Warum sollte man das tun, irgendwelche sozusagen Leute als schwul auch virtuell dann auftreten lassen, wenn sie es nicht sind, oder egal, ob sie es sind. Also ich finde, das spielt überhaupt keine große Rolle, ob das ein Neymar, also ein bekannter Spieler ist oder ein erfundener. Die Spielidee ist ja entscheidend dabei.
Welty: Was muss denn passieren, dass der Fußball und auch gerade der Profifußball sich entspannter dem Thema Homosexualität zuwendet oder es überhaupt bearbeitet?
Eggeling: Na ja, vielleicht genau so etwas, was in dem Spiel auch nahegelegt wird: so eine Gelassenheit im Umgang mit dem Thema Homosexualität im Fußball, schwul sein im Fußball. Denn an sich ist es ja schon bemerkenswert, dass wir uns jetzt darüber unterhalten müssen, weil wir ja durchaus davon ausgehen, wenn wir solche Strategiespiele spielen – gibt es ja auch noch andere, wo man sich dann selber Figuren suchen kann oder die gestalten kann –, die gehen ja, wenn es nicht gerade Fantasyspiele sind, ganz oft spielen die ja auch mit dem, was uns im Alltag umgibt. Und ja, wir nehmen das dann hin und es ist für uns auch was Bekanntes, das erleichtert uns auch, da mitzuspielen.
Ausgeklammert wird allerdings die sexuelle Orientierung beziehungsweise es sind vorgeblich alles Heteros unterwegs in diesen handelnden und Strategiespielen. Das ist jetzt hier nicht so und die Idee dahinter ist eben, tatsächlich klarzumachen: Es gibt aber diese Spieler auch und das gehört genauso zum Fußballalltag wie andere Merkmale, die es vielleicht gibt.

Schwule Spieler gelten als verweiblicht

Welty: Wie erleben Sie das in Ihrer Beratungsarbeit? Was sind das für Probleme, die die realen Vereine und die realen Spieler schildern?
Eggeling: Na ja, das sind immer noch so diese Berührungsängste vor einer sexuellen Orientierung, mit der man vielleicht sonst nicht so konfrontiert ist oder nicht so viel zu tun hat, zusammen mit den Bildern, die wir uns alle über Männerfußball machen. Das ist eine Sache harter Kerle, die auch wirklich nicht zimperlich sind und so weiter, und unser Bild vom schwulen Mann ist doch eher eins, was ein bisschen verweiblicht ist. Und dann scheint es irgendwie den Widerspruch zu geben zwischen dem harten Fußballalltag auf dem Platz und dem Zusammenknallen mit Gegnern und Mitspielern und dem angeblich Weiblichen von Schwulen.
Und da gibt es eben immer noch die Vorstellung, dass das nicht zusammenpasst und ein schwuler Spieler das gar nicht machen könnte. Ist natürlich Unsinn. Wir sehen sie nur nicht, weil sie sich ja eben nicht outen können, und das ist dann auch ein Riesenproblem für die Spieler selber. Denn, ja, die fühlen sich natürlich nicht wirklich wohl im Fußball, solange sie einen ganz wichtigen Teil ihrer Persönlichkeit immer bewusst verstecken müssen, und zwar sehr bewusst verstecken müssen, weil sie eben nicht wissen, wie die Folgen sind, wenn rauskommt, dass sie schwul sind.
Welty: Bedeutet das im Umkehrschluss auch, dass sie womöglich schlechter Fußball spielen?
Eggeling: Möglicherweise ja, weil sie sich nicht voll auf Fußball konzentrieren können. Immer wieder gibt es dann Momente, in denen sie merken, oh, jetzt muss ich aufpassen, hoppla, jetzt sagst du mal lieber nichts und erzählst mal nichts über deine Freizeitgestaltung, verhalte dich auch ja so, dass niemand aufgrund deines Verhaltens vermuten kann, du seist schwul und würdest vielleicht einen anderen Mitspieler begehren und so weiter und so fort. Das frisst natürlich wahnsinnig Energie, na klar.

Sexuelle Vielfalt im Sport aktiver promoten

Welty: Thomas Hitzelsperger war der Erste, der die Spirale des Schweigens durchbrochen hat, aber auch erst nach dem Ende seiner Karriere. Und so richtig viel ist seitdem, seit 2014 auch nicht passiert. Warum geht es kaum vorwärts?
Eggeling: Weil ich glaube, dass es immer noch viel zu viele Widerstände gibt zum einen, in den Funktionärsetagen, zu sagen, ja, wir packen das Thema wirklich an, etwa wie sie es beim Thema Rassismus gemacht haben, was ja auch eine ganze Menge Erfolge hatte. Es gibt deutlich weniger rassistische Äußerungen, jedenfalls in den oberen Ligen, als früher. Und genauso offensiv können sie natürlich auch das Thema sexuelle Vielfalt oder Vielfalt der sexuellen Orientierung angehen. Aber sie tun es nicht. Und sie haben glaube ich auch noch nicht erkannt, welche großen Vorteile das hätte für ihr Team, auch ökonomisch letztendlich.
Welty: Profisport und Homosexualität, darüber habe ich mit der Kulturwissenschaftlerin Tatjana Eggeling gesprochen, die auch Sportler entsprechend berät. Im neuen Computerspiel "Football Manager 2018" sieht die Welt schon besser aus.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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