Der Weg des Ohrs ist der gangbarste und nächste zu unseren Herzen.
Musik in der Literatur
Musik hat eine besondere Anziehungskraft auf Schriftsteller und Autorinnen, gerade auf jene, die selbst ein Instrument spielen oder komponieren, wie bei E.T.A. Hoffmann oder Ingeborg Bachmann. © Unsplash / Jesse Orrico
Ganz aus Sprache gemacht
55:01 Minuten
Musik spielt immer wieder eine Rolle in der Literatur. Musiker treten als Romanfiguren auf, Kompositionen spiegeln die Innenwelt der Helden und Töne verleihen Szenen besondere Atmosphäre. Ein Streifzug durch eine besondere Wechselbeziehung.
Musik erregt und beruhigt, sie verwandelt den Menschen. Anders als die Literatur spricht Musik, so scheint es, ohne Umwege direkt zu uns, entzieht sich scheinbar dem rationalen Zugriff. Gerade darin entdecken die Literaten spätestens seit der Romantik ein unvergleichliches ästhetisches Potenzial und machen es sich zunutze.
Musik in der Antike
Schon in der Antike beschäftigen sich Philosophen mit der Wirkung von Musik. Man sah in der Musik die Dienerin des Wortes, griechisch „Logos“, was für Christen gleichbedeutend mit Gott ist.
Platon zum Beispiel warnt vor der Musik. Sie sei in verschiedenster Weise gefährlich, weil sie die Triebe reize und so die Männlichkeit verweibliche. Für ihn ist Orpheus, der Lyra-Spieler und Sänger, ein Schwächling.
Auch die Homer-Sage um die Sirenen mit ihrem verführerischen Gesang belege die unheilvolle Seite der Musik. Jahrhunderte später stellt Augustinus der Musik kein gutes Zeugnis aus, ebenso wie Friedrich Nietzsche, der schreibt: "Hüte dich vor der Musik!"
Die Musik überhaupt ist etwas Schreckliches! Man sagt, die Musik wirke erhebend auf die Seele. Unsinn! Das ist nicht wahr!
Erlaubt scheint die musikalische Sinnenfreude, als Poesie und Musik zum ersten Mal ein programmatisches Bündnis eingehen. Das geschieht in der Frühromantik, nie wird leidenschaftlicher über die Allianz diskutiert als damals.
Mit dem Niedergang der Religion wächst diesem Bündnis in der Epoche um 1800 plötzlich eine neue Rolle zu. Autoren wie Wilhelm Heinrich Wackenroder, Ludwig Tieck oder E.T.A. Hoffmann begründen eine musikalische Romantradition, die Günter Grass, Ingeborg Bachmann, Elfriede Jelinek und viele weitere Schriftsteller fortschreiben.
Die Musik ist Modell für die Literatur. Wirkliche Musikalität ist für den Schriftsteller unerlässlich.
Die Frage jedoch, ob Musik und Sprache zusammen oder unabhängig voneinander entstanden sind, wird seit mehr als 200 Jahren debattiert.
Wissenschaftliche Forschungen
Rousseau, tätig als Komponist wie Schriftsteller, glaubte, Musik und Sprache hätten sich gemeinsam entwickelt und sich später geteilt. Darwin hingegen vermutet, zuerst sei eine Art Urmusik da gewesen.
Bis heute beschäftigt sich die Wissenschaft mit diesem Thema. Sicher ist aber, dass sich die Hirnregionen des Menschen, die Sprache und Musik verarbeiten, direkt hinter der Stirn überlappen.
Das Manuskript der Sendung aus dem Jahr 2009 können Sie hier herunterladen.
Es sprechen: Gudrun Gabriel, Simone Kabst, Friedhelm Ptok und Bernhard Schütz
Ton: Barbara Zwirner
Regie: Friederike Wigger
Redaktion: Barbara Wahlster
Die Sendung wurde am 26. April 2009 erstmals ausgestrahlt.