Garagenkultur in der DDR

Viel mehr als ein Stellplatz für den Trabi

07:47 Minuten
Trabantbesitzer in seiner Garage 1992 in Greppin einer Ortschaft zwischen Wolfen und Bitterfeld.
„Wohnzimmer“ mit „Rennpappe“: Ein Trabantbesitzer in seiner Garage 1992 bei Bitterfeld. © imago / Rolf Zöllner
Jens Casper im Gespräch mit Massimo Maio |
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Eine Garage ist eigentlich nichts Besonderes. In der DDR aber stand sie nicht nur für die baldige Ankunft eines ersehnten Autos, sondern sie war auch ein verlängertes Wohnzimmer. Der Band „Das Garagenmanifest“ beleuchtet dieses Stück Kultur.
Auf diese Idee muss man erst mal kommen: Ein Buch veröffentlichen, das aus Essays und Bildern über und von Garagen besteht. Die meisten davon nur mittelhübsch bis hässlich.
Doch dem Autorenduo Jens Casper und Luise Rellensmann – Architekt und Architekturhistorikerin – ging es in "Das Garagenmanifest" um die Geschichte(n) hinter den Garagen.
In der DDR mussten Bürgerinnen und Bürger lange auf ein Auto warten, mitunter zehn Jahre und länger. In der Zwischenzeit bauten sie die Garagen – gefördert von der Gemeinde, die das Baumaterial stellte. Bauen mussten die künftigen Autobesitzer selbst.

Westdeutscher Blick auf ostdeutsche Garagen

Casper und Rellensmann haben die DDR-Garage gemeinsam mit ihren Studierenden der BTU Cottbus in und um Cottbus herum am Beispiel der diversen Garagen-Komplexe dort erforscht. Für das Buch sind diese Fallbeispiele um Fotos von Martin Maleschka ergänzt worden.
Die Autorin und der Autor sind in Westdeutschland aufgewachsen, schauen also mit "West-Augen" auf das Phänomen, während der Fotograf mit den Fotos seiner eigenen ostdeutschen Herkunft nachspürt. Es habe eine hohe Identifikation mit der Garage gegeben, sagt Casper.
Blick auf einen Garagenkomplex mit einem Wartburg 311 im Vordergrund um 1978 in Neukalen (Kreis Malchin).
Garagen seien auch ein „Ort der Geschichte“, sagt Jens Casper. Hier ein Wartburg 311 um 1978 bei Neubrandenburg.© imago / BildFunkMV
Mehr als nur ein Abstellplatz für Wartburg oder Trabant sei sie gewesen, fast wie eine Art zweites Wohnzimmer, wo man sich traf, Ersatzteile austauchte, sich gegenseitig bei Reparaturen half.
"Die Leute haben die Wochenenden bei und in den Garagen verbracht, sie errichtet und die Autos gepflegt."

Fast jeder kann Geschichten darüber erzählen

Da viele der Plattenbauten normalerweise nicht über Speicherräume oder Ähnliches verfügt hätten, seien viele Aktivitäten, die sonst vielleicht dort stattgefunden hätten, in die Garagen verlegt worden.
"Jeder, den man anspricht, der ostsozialisiert ist, kann Geschichte darüber erzählen", sagt der Architekt. "Und bis heute wird da gefeiert, Bier getrunken und sich ausgetauscht."
Vielfach würden Garagen als Schandfleck betrachtet, der wegmüsse, um anderen Bauten und anderer Nutzung Platz zu machen. Dem wollen Luise Rellensmann und Jens Casper etwas entgegensetzen und mit ihrem Projekt deutlich machen, so Caspier, dass Garagen auch "Ort der Geschichte" seien.
(mkn)

Jens Casper und Luise Rellensmann (Hrsg.): "Das Garagenmanifest"
erscheint im September 2021
mit Fotografien von Martin Maleschka
mit farbigen und schwarzweißen Abbildungen, Zeichnungen und Lagepläne
Park Books, Zürich, 2021, 160 Seiten, 25 Euro

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