Garri Kasparow: "Warum wir Putin stoppen müssen. Die Zerstörung der Demokratie in Russland und die Folgen für den Westen"
aus dem Englischen von Stephan Gebauer
Deutsche Verlagsanstalt DVA, München 2015
416 Seiten, 22,99 Euro, auch als ebook
Ein Schachweltmeister gegen Russlands Präsidenten
Garri Kasporow möchte Wladimir Putin aus dem Kreml vertreiben. Dem russischen Präsidenten wirft der ehemalige Schachweltmeister die "Zerstörung der Demokratie" vor, indem er ein mafiöses System mit faschistischen Zügen geschaffen habe.
Er wurde vom Schachweltmeister zum Oppositionsaktivisten. Garri Kasparow ist jahrelang durch Russland getourt, hat versucht, die Leute davon zu überzeugen, dass Wladimir Putin weg müsse. Erfolglos. Er ging ins Exil, lebt zurzeit in den USA.
An seiner Auffassung hat das freilich nichts geändert. Pünktlich zum amerikanischen Vorwahlkampf will er mit seinem Buch erreichen, wie er kürzlich dem "Spiegel" erläuterte, dass Russland stärker in den Focus Washingtoner Politik rücke.
Detailliert beschreibt er, wie Putin ein mafiöses System errichtet habe, in dem er und seine Kader sich schamlos bereicherten. Er zählt auf, wie ein Gegner nach dem anderen vernichtet wurde: von Michail Chodorkowski über Anna Politikowskaja bis zum jüngsten Mord an Boris Nemzow.
Fehlendes Rückgrat des Westens gegenüber Putin
Manchmal drückt er sich geradezu pathetisch - ein Pathos, das jedoch passt, wenn er von westlichen Staaten mehr Rückgrat im Umgang mit dem russischen Präsidenten einfordert, gerade wo es um demokratische Prinzipien gehe.
So beklagt er, dass Moskau trotz aller Menschenrechtsverletzungen mit der Mitgliedschaft im Club der führenden Industrienationen belohnt wurde. Selbst der Angriff auf Georgien 2008 tat dem keinen Abbruch, ebenso wenig gefälschte Wahlen oder das Ende der freien Presse in Russland. Für grundfalsch hält er die weit verbreitete Ansicht, Wladimir Putin sorge für Stabilität.
"Diese Vorstellung, die Russen seien heute besser dran und sollten sich glücklich schätzen, hat unserer Demokratie schweren Schaden zugefügt. (…) Dieser abwegige Relativismus segnet die Repression ab."
Kasparow ist überzeugter Anhänger der Republikaner in den USA. Besonders lobt er die Außenpolitik Reagans, ignoriert dabei völlig, dass Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen, die dessen Administration gemacht werden, ganze Bände füllen.
Kompromisslos und polarisierend
Er schreibt kompromisslos und polarisiert dadurch, schreckt nicht vor Parallelen mit dem Aufstieg des Hitlerregimes zurück, zeigt dadurch sehr treffend auf, wie Propaganda und Hetze gegen alles Fremde faschistische Züge angenommen haben – eine sehr beängstigende Entwicklung der letzten Jahre.
Putin gehe es weder um Moral, noch um das Wohl der Russen. Er tue ohne Rücksicht auf andere nur das, was er für richtig halte. Mehr noch: Garri Kasparow ist überzeugt, dass das "Böse" in der Weltpolitik nicht mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 ausgerottet wurde, weshalb er seine schonungslose Analyse Russlands und der Fehler des Westens mit einem Appell schließt:
"Wenn wir uns aus unserer Genügsamkeit reißen und wieder lernen, den Diktatoren und Terroristen, die die von uns errichtete moderne Welt bedrohen, die Stirn zu bieten, können wir den Gang der Geschichte beeinflussen."