Garry Disher: "Hope Hill Drive"
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Unionsverlag, Zürich 2020
334 Seiten, 22 Euro
Von Unzulänglichkeiten, Angst und Dummheit
02:59 Minuten
Kupferdiebstahl, Gewalt und Trunkenheit am Steuer: Garry Disher erkundet in seinem Roman "Hope Hill Drive" das menschenleere Nichts von Südaustralien. Die moralische Reflexion bleibt den Lesern überlassen - ein hervorragender Krimi.
Immer wieder mal werde ich gefragt, woran man einen guten Kriminalroman erkennen kann. Darauf gibt es natürlich keine erschöpfende Antwort, aber ein Indiz ist der Umgang mit dem Wort "böse". Die Faustregel lautet: je weniger, desto besser.
In "Hope Hill Drive", dem aktuellen Kriminalroman des Australiers Garry Disher, kommt das Wort auf 330 Seiten insgesamt nur zehn Mal vor. Meist ironisch, etwa wenn vom "Kampf gegen das Böse" in der Silvesternacht die Rede ist.
Dorfpolizist Paul Hirschhausen muss da die Besoffenen von der Straße klauben. Von "bösen Menschen" wird nur einmal gesprochen, aber von einer erschütterten Person, die keinen besseren Begriff für das findet, was ihr geschehen ist. Mit anderen Worten: Garry Dishers "Hope Hill Drive" ist ein sehr, sehr guter Kriminalroman, weil jedwede moralische Reflexion in der Handlung versteckt und damit dem Urteil der Leser überlassen ist.
Eine Geschichte aus dem ländlichen Nichts
"Hope Hill Drive" spielt, wie schon der mit dem deutschen Krimipreis ausgezeichnete Roman "Bitter Wash Road", im ländlichen Nichts von Südaustralien, drei Autostunden nördlich von Adelaide, wo Garry Disher geboren wurde. Menschenarm, aber nicht geschichtslos ist das Land, in dem der "freundliche Dorfpolizist" seine einsamen Streifen fährt.
Kupferkabel und Elektrogeräte werden geklaut, Frauen verprügelt, andere Frauen rasieren im Suff schon mal die Terrasse der Dorfbar weg. Um all das kümmert sich Constable Hirsch, wie er auch verkürzt genannt wird, oft nur mit erzieherischen Ermahnungen. Bis in einem einsam gelegenen Farmhaus eine Frau erschossen wird, die sich hier versteckt hatte.
Zwei ihrer Kinder konnten fliehen, die eingeflogene Hauptstadtpolizei übernimmt, aber versteht nichts. Hirsch dagegen stützt sich auf die haltbaren Beziehungen und das Vertrauen, das er sich im Outback erarbeiten konnte - und auf das durch schlechte Erfahrung gefestigte Misstrauen gegen die Korruption in der Polizei. Und löst alle anstehenden Fälle, sogar den des größten gekränkten Narzissten im Ort.
Ruhig, detailgenau und präzise beobachtet
"Peace" heißt Dishers Roman im Original, und handelt, ganz ruhig, detailgenau und präzise beobachtet, von menschlichen Unzulänglichkeiten, Angst und Dummheit, die dem friedlichen Zusammenleben entgegenstehen. Nicht nur in Australien, wo Garry Disher für sein Lebenswerk zu Recht mit dem "Ned Kelly Award" ausgezeichnet wurde, dem höchsten Krimipreis des Landes.