Garten

Die knallige Blütenpracht des Frühlings

Eine Wiese mit Krokus-Blüten
Eine Wiese mit Krokus-Blüten © dpa / picture alliance / Oliver Mehlis
Gabriella Pape im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Die Gartenarchitektin Gabriella Pape wundert sich, dass die Deutschen immer von Gartenarbeit sprechen. Sie sieht die Zeit im Garten eher als Entkommen ins Paradies.
Deutschland sei das einzige Land, dass im Garten arbeite und nicht lieber von "Gärtnern" spreche, sagte die Leiterin der Königlichen Gartenakademie in Berlin, Gabriella Pape, im Deutschlandradio Kultur. Es sei auch hier möglich, dass es im Garten von Januar bis Dezember durchblühe. Wichtig sei es allerdings, die Pflanzen gut zu kennen.
Quietschfarben im Frühling
"Die Zeit im Garten ist ja auch so ein bisschen ein Kommen ins Paradies", sagte Pape. Sie genieße es im Moment in den heimischen Garten zu blicken, wo alles schon blühe. Dank des kühlen Wetters ziehe sich das Blühen so lange hin. "Ich habe jetzt seit vier Wochen Sachen in Töpfen auch auf dem Tisch draußen – es ist hinreißend." Sie freue sich an der knalligen Blütenpracht des Frühlings. "Jetzt sind ja Sachen erlaubt, die würde ich im Sommer oder im Mai, Juni nicht mehr im Garten haben, aber diese Quietschfarben, über die man sich jetzt so freut , die das Herz so zum Aufblühen bringen, wie die Narzissen und die knallroten Tulpen", sagte Pape. Die sanften Farben kämen erst später.

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Es ist zwar noch recht kühl, aber nicht mehr kahl, wie Sie auf Ihren Osterspaziergängen bestimmt schon gesehen haben. Spätestens ab Wochenmitte soll es ja auch wärmer werden. Und wir wollen in dieser Woche deshalb ein Lob des Gartens anstimmen, und tun das mit Gartenliebhabern, Gartenbefürwortern, Gartenschwärmern. Und die erste ist Gabriella Pape, renommierte Gartenarchitektin und, man könnte sagen, Star der deutschen Gartenszene. Sie hat lange in England gearbeitet und als erste Deutsche mit ihrem Schaugartenentwurf für die Chelsea Flower Show die Silver-Gilt-Medaille gewonnen, das ist sozusagen der Garten-Oscar. Inzwischen hat sie die Königliche Gartenakademie in Berlin wiederbelebt, und von dort reist sie in Gärten in der ganzen Welt. Grüß Sie, Frau Pape, einen schönen guten Morgen!
Gabriella Pape: Einen schönen guten Morgen, ja!
von Billerbeck: Bevor wir schwärmen vom Garten, mache ich mal einen Test, und der ist nicht abgestimmt. Ich hab hier ein Tütchen – was ist da drin?
Pape: Das können, glaube ich, sogar beste Gartenschwärmer nicht hören. Ähm – Rasensamen.
von Billerbeck: Ach, ich meine, Samen hätte mir schon gereicht. Ich wollte jetzt nicht, dass Sie durchs Radio sagen, welcher Samen. Nein, es waren Wicken. Ich habe extra große genommen, damit es schön klappert. Die braucht man ja immer zum Anfang. Sprechen wir über den Garten, also der Anfang in Samen, und der Garten ist ja für viele Menschen der letzte Luxus unserer Tage, denn er braucht das, was bei uns am kostbarsten und seltensten ist, nämlich Zeit, Zuwendung und Raum, wie es einmal der Landschaftsarchitekt Dieter Kinast gesagt hat. Stimmt das?
Pape: Das ist richtig. Aber ob das das Letzte sein sollte, was wir uns nehmen – also, wie der liebe Gott die Zeit gemacht hat, hat er ganz viel davon gemacht, und wo wir sie verbringen, ist ja unsere eigene Wahl, nicht? Also ich glaube, dass man schon – die Zeit im Garten ist ja auch so ein bisschen Entkommen ins Paradies. Aber es ist richtig, man braucht Zeit. Aber ich genieße im Moment zum Beispiel auch den Ausblick in meinen Garten, wo alles schon blüht. Und es ist traumhaft. Dieses Jahr wird es auch so hingezogen eben, durch das kühle Wetter.
von Billerbeck: Da kommt nicht alles auf einmal, und, zack, ist es alles wieder schnell verblüht.
Pape: Genau, es bleibt sehr, sehr lange. Also, ich hab irgendwie jetzt seit vier Wochen Sachen in Töpfen auch auf dem Tisch und so draußen, es ist hinreißend.
Überraschungen sind auch immer was Schönes.
von Billerbeck: Nun weiß ja jeder, der einen Garten angelegt hat, dass man da nicht beschließen kann, ich will jetzt einen Garten haben, und dann, zack, ist der Garten da, sondern man muss bescheiden, demütig und langmütig sein. Oder wie es eine Freundin von mir einmal ausdrückte, Geduld ist mein zweiter Vorname. Die braucht es ja wirklich. Wie halten Sie das aus, dass es so lange dauert, bis man diese Schönheit dann auch wirklich hat?
Pape: Ach, ich finde immer, man ist so unglaublich abgelenkt von allen möglichen am Anfang natürlich auch Mini-Katastrophen, dass einem gar nicht auffällt, dass es um einen rum schon richtig groß alles wächst. Ich würde sagen, das Schlimmste ist dazustehen, dass es was tut. In Deutschland wird gerne gesagt der Satz: Es kommt, aber es wächst nicht, oder es wächst, aber es kommt nicht. Das ist was ganz Neues gewesen für mich. Wie ich aus England kam, hab ich immer gesagt, was meinen die? Es kommt, aber es wächst nicht. Also, es ist ganz spannend, weil es kommt und es wächst, und manches dauert ein bisschen länger und manches ein bisschen weniger. Und diese Demut, von der Sie eben gesprochen haben, die hilft schon sehr, dass man – einige Sachen kommen auch gar nicht, und dann wachsen die auch gar nicht. Also, gerade beobachte ich, dass doch eine Reihe Zwiebeln, die ich gesetzt habe, nicht kommen. Aber dafür kommt irgendwas anderes, von dem ich gar nicht wusste, dass ich es gesetzt habe. Also, diese Überraschungen sind auch immer was Schönes.
von Billerbeck: Was ist denn das Liebste, was Sie in Ihrem Garten haben?
Pape: Jetzt um diese Jahreszeit – das ist beim Garten anders als bei Wohnzimmern – man hat nicht ein liebstes, sondern es ist zu jeder Jahreszeit, gibt es. Im Moment finde ich einfach diese knallige Blütenpracht das Hinreißendste. Also jetzt sind ja Sachen erlaubt, die würde ich im Sommer oder im Mai, Juni nicht mehr im Garten haben. Aber diese Quietschfarben, über die man sich jetzt so freut, die das Herz zum Aufblühen bringen, wie die Narzissen und die knallroten Tulpen. Die sanften Farben kommen ja erst ein Tickchen später.
von Billerbeck: Nun reden wir über die Schönheit des Gartens, über die Farben, über all das. Aber das Ganze muss ja Vorleistung haben. Interessanterweise sprechen wir Deutschen ja auch immer von Arbeiten im Garten, auch da muss natürlich geschuftet werden. Wie wichtig ist denn dieses Wühlen, dieses In-der-Erde-Rumgraben, auch für Sie?
Pape: Für mich ist das sozusagen mein Entkommen aus dem Alltag. Ich gärtnere ja selbst leider auch nicht mehr so viel wie früher. Aber in meinem eigenen Garten ist mir das ganz wichtig, dass das, was gesetzt wurde – Zwiebeln sind ja immer so das Schwierigste für die Menschen, weil die kauft man und da sind die recht hässlich. Also, die Leute kaufen ja gerne was, was schon blüht und hübsch ist. Zwiebeln versenken zum Beispiel ist für mich immer so die Vorboten des Frühjahrs setzen. Ich glaube eben, das, was Sie gesagt haben mit dem, da bin ich ja ein großer Advokat von, das Wort Gartenarbeit abzuschaffen und es in Gärntern zu verwandeln, denn wir gehen ja auch nicht in die Küche arbeiten. Das ist für mich –
Freude über die Lücke im Beet
von Billerbeck: Sondern wir kochen einfach.
Pape: Genau, das sind alles Tätigkeitsworte, nur im Garten, da arbeiten wir, das ist ganz phänomenal. Da sind wir übrigens auch das einzige Land in Europa, das nicht immer gärtnert, sondern im Garten arbeitet, „sort of laboring", das ist was ganz schweres und unbefriedigendes irgendwie. Ich weiß auch nicht, warum wir das uns ausgedacht haben. Aber ich empfinde das auch nicht so, weil eben immer so viel zurückkommt aus dem Garten, wenn man ihn eben richtig auch bepflanzt. Und das ist ja auch eine Kunst.
von Billerbeck: Wenn Sie die Deutschen in Beziehung zu anderen Ländern oder anderen Gärtnern bringen – gibt es denn einen Garten, den Sie auf Ihren Reisen gesehen haben, der so der ist, der Ihnen am besten gefällt oder der Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben ist?
Pape: In Deutschland?
von Billerbeck: Nein, in der Welt.
Pape: In der Welt – ach, da gibt es so – es gibt so viele schöne unterschiedliche ...
von Billerbeck: Es kann auch ein deutscher sein, mein Gott ...
Pape: Ja, es gibt auch in Deutschland traumhafte Gärten. Es gibt einen traumhaften, berühmten Staudengarten, der heißt Hermannshof, das ist unbedingt besuchenswert. Der Karl Förster, der berühmte Gärtner ...
von Billerbeck: ... in Potsdam-Bornim, genau ...
Pape: ... hat mich immer stark beeinflusst, weil eben diese Tatsache, es wird durchgeblüht, ja auch ein Motto geworden ist, das mein Leben nachher bewegt und nach vorne gebracht hat, diese Idee, dass es wirklich von Januar bis Dezember blühen kann, sogar in unserem – was ich immer gern fiese klimatische Zustände nenne – das ist auch hier möglich. Und ich staune immer, dass es doch auch eben mit der Kenntnis der Pflanzen zu tun hat, Garten schön zu machen. Und auch auszuprobieren. Ich glaube, wir sind viel zu – wir wollen immer, dass alles in unserem Vorsprung-durch-Technik-Land auch funktioniert. Und Garten, da gibt es eben viele Sachen, die nicht funktionieren. Und sich damit einfach abzufinden und dann nicht zehnmal das Gleiche wieder zu setzen, das ist auch wichtig, sondern einfach mal was Neues. Der Engländer freut sich immer, wenn eine Lücke im Beet ist. Dann sagt er, da ist Platz für was Neues.
von Billerbeck: Das ist doch ein tolles Motto. Gabriella Pape war das, die Leiterin der Königlichen Gartenakademie in Berlin. Ich danke Ihnen und wünsche noch einen schönen Frühlingstag!
Pape: Sehr gerne, wünsche ich auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema