Gartenhistoriker Klaus von Krosigk

"In wertvollen Parkanlagen sollte man nicht grillen"

Kirschblütenfest in den Gärten der Welt in Berlin Marzahn-Hellersdorf, aufgenommen am 17.04.2016
Kirschblütenfest in den Gärten der Welt in Berlin Marzahn-Hellersdorf © picture alliance / dpa / Manfred Krause
Moderation: Ute Welty |
In Parks könnten die Flanierer Raumkunst erleben, sagt Klaus von Krosigk. Von Krosigk ist Gartenhistoriker, war Gartenbaudirektor in Berlin und baute hier das erste Fachreferat für Gartendenkmalpflege auf. Der Parkexperte begrüßt das Grillverbot in historischen Parkanlagen.
Ute Welty: Offenbar ist das Bedürfnis groß: Wenn das Wetter schön ist, wie an diesem Wochenende, dann sind die Parks voll. Da wird gegrillt, was die Fleischtheke hergibt, es wird gejoggt, gespielt, getrunken. Das Wandeln unter schattigen Bäumen, das hat sich offenbar stark gewandelt. Das Flanieren ist der Fitness gewichen. Mit der Geschichte der Parks beschäftigt sich seit langer Zeit Klaus von Krosigk. Er ist Gartenhistoriker und hat als Gartenbaudirektor in Berlin das erste Fachreferat für Gartendenkmalpflege aufgebaut. Guten Morgen!
Klaus von Krosigk: Guten Morgen!
Welty: Wie erleben Sie denn die Parks von heute? Hat da tatsächlich so etwas wie ein Paradigmenwechsel stattgefunden von lauschig zu lärmig?
Krosigk: Doch, ich glaube, das kann man sagen. Wer mit offenen Augen durch die Stadt Berlin geht, wird feststellen, dass es einen Schatz historischer Gärten gibt – gar keine Frage –, dass es aber auch spätestens seit der Wende eine ganze Reihe neuer Anlagen dazu gekommen sind wie das Gleisdreieck oder das Tempelhofer Feld, wo tatsächlich nicht im klassischen Sinne das Gärtnern angesagt ist, sondern der Aufenthalt, Spiel, Sport, Spannung, die Familie, Jogging und was man heute gerne auch in einer Großstadt, in einer Anlage macht, kann man in Berlin an vielen Orten inzwischen machen.
Welty: Wie passt das denn in das historische Bild von Gärten und Parks, das wir so haben?

Das Schöne mit dem Nützlichen verbinden

Krosigk: Ich denke, das passt gut in das Bild, denn auch wenn wir an den Berliner Tiergarten denken, der erste Volksgarten in Deutschland, im Grunde seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, am Wochenende das Ziel tausender Berliner, die dort auch am Zeltplatz Kaffee kochen konnten, die dort spazieren gehen konnten, die dort rauchen konnten, was in der Stadt Berlin verboten war. Also das hat eine lange Tradition, öffentliche grüne Anlagen in Berlin, wie gesagt, seit dem 18. Jahrhundert, und natürlich hat sich das im 19. Jahrhundert auch weiterentwickelt. Allerdings – das muss man korrekterweise sagen –, Peter Joseph Lenné hat immer darauf geachtet, das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden, also nie zu vergessen, Gärten haben eben auch schön zu sein. Das ist das Erbe des 19. Jahrhunderts.
Welty: Aber wenn ich Sie recht verstehe, dann gab es offenbar immer ein bisschen schon Remmidemmi, und es gab auch immer diese Lust nach Vergnügen, was wir vielleicht heute auch ein bisschen romantisieren?
Krosigk: Ja, schon, aber ich glaube, das hat es tatsächlich sehr viel mehr gegeben als uns das heute klar ist. Nicht zuletzt im Berliner Grunewald beispielsweise hat es zig Anlagen gegeben, wo man am Wochenende raus pilgerte sozusagen, auch an die Havel, dort auch Erfrischungen zu sich nehmen konnte. Man konnte dort auch ein Bierchen trinken, was auch immer. Also sozusagen der Gang raus in die Natur hat eine große Tradition, und ich denke, das ist gut, dass man das auch heute verstärkt wieder anbietet, solche Flächen, wo man hingehen kann, man aber eben auch nicht vergisst, dass Berlin auch eine Stadt ist, die seit 300 Jahren ein wunderbares gartenkulturelles Erbe hat.
Welty: Das worin besteht, Ihrer Meinung nach?
Krosigk: Ja, das besteht darin, dass eigentlich alle großen Architekten und Gartenarchitekten seit Knobelsdorff, Peter Joseph Lennné oder Erwin Barth, der berühmte Charlottenburger Stadtgartendirektor, später von Großberlin, tolle Anlagen geschaffen haben, die immer auch im Hinterkopf ein wunderbares Motto hatten von Graf Lennart Bernadotte auf der Mainau, der nämlich mal sprach von Gärten um der Menschen Willen. Das hat Lenné beschäftigt, das hat Knobelsdorff beschäftigt, Erwin Barth beschäftigt, aber doch immer verbunden mit dem Thema Gartenkunst.

Gartenkunst - gebildet durch Bäume

Welty: Sie haben ja eben auch Lenné zitiert, der Garten hat schön zu sein, oder der Park hat schön zu sein. Daran knüpfen sich für mich zwei Fragen an, nämlich zum einen, was macht die Schönheit eines Parks aus, und die andere Frage ist, wie kriegt man in der Schönheit eines Parks das Müllproblem in den Griff?
Krosigk: Ja, das war ja ein Problem, das wir in der Tat im Großen Tiergarten lange Zeit hatten, wie Sie sich erinnern werden. Das ist nun Gott sei Dank beendigt, und deswegen kommt auch die Schönheit des Berliner Tiergartens … Raumkunst kann man dort erleben, gebildet durch Bäume, wunderbare Bäume, wunderbare Sonderanlagen. Denken Sie an den Rosengarten, an die Luiseninsel oder an den Englischen Garten: alles Sonderanlagen im Tiergarten, die insbesondere durch die Schönheit ihrer Blumen, ihrer Pflanzungen, durch ihre Gepflegtheit, ohne Zweifel, aber auch zum Beispiel durch Kunst – in der Regel sind es natürlich ältere Skulpturen –, eine Flora im Rosengarten, uns erfreuen. Also man geht gerne in diesen Garten. Man ist draußen in der Natur, erlebt aber auch Gartenkunst vom Feinsten und sogar bildende Kunst.
Welty: Und das Müllproblem, wie kriegt man das in den Griff?
Krosigk: Ja, das ist natürlich ein Problem, das man im Tiergarten dadurch gelöst hat, dass das Grillen dort heute in der Tat untersagt ist, und das finde ich auch richtig. Man kann nicht … in wertvollen älteren Parkanlagen sollte man nicht grillen und damit auch keinen Müllhaufen sozusagen anlegen, aber ich meine, das ist richtig, was Sie sagen oder hier ansprechen: da muss sicherlich noch sehr viel mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. Ich denke an das Thema Schulgärten, das Gott sei Dank jetzt wieder doch stärker in den Fokus kommt, wo junge Schüler schon lernen, wie gehe ich mit der Natur um, wie gehe ich mit Gärten um, und ich habe in Gärten und in der Natur keinen Müll zu hinterlassen. Das muss ich allerdings lernen zugegebenermaßen.
Zahlreiche Besucher bevölkern zum Pfingstwochenende am 13.05.2016 den Clara-Zetkin-Park in Leipzig (Sachsen). Der von den Leipzigern nur Clarapark genannte Park erfreut sich großer Beliebtheit. 
Menschen genießen das schöne Wetter im Clara Zetkin Park in Leipzig© dpa / picture alliance / Jan Woitas
Welty: Also das Thema Bildung auch hier –
Krosigk: Ja.
Welty: – ganz wichtig. Haben Sie einen Lieblingspark?
Krosigk: Der Lieblingspark von mir ist ohne Zweifel der Pleasureground Lennés, des Prinzen Karl an der Glienecker Brücke, mein erster großer Garten, den ich restaurieren durfte vor 30 Jahren, der Hausgarten des Prinzen Karl, etwas Zauberhaftes, wo ich wirklich mein Arkadien gefunden habe, das ja jeder in seinem Leben auch sucht. Ich habe es im Glienicker Pleasureground gefunden, und ich kann nur jedem Berliner oder aus der Region, der jetzt zuhört, raten, dringend dort hinzugehen, und wenn er den schönen Pleasureground in Glienicke besucht hat, dann geht er über die Havel nach Babelsberg und schaut sich dort eine tolle Pückler-Ausstellung an, die da im Moment läuft, und guckt sich den Pleasureground von Babelsberg an.
Welty: Soweit der Tipp von Klaus Krosigk, der Gartenhistoriker über den Park heute und gestern und zu Besuch in "Studio 9". Haben Sie herzlichen Dank!
Krosigk: Sehr gerne und viel Freude in unseren Gärten!
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