Afrikas Energie
Solar-Anlage in Nairobi: In vielen Teilen Afrikas ist Solarenergie eine vorteilhafte Energiequelle. © picture alliance / photothek / Thomas Imo
Gas für Europa, Sonne für zu Hause
26:22 Minuten
Nigeria, Algerien, Mosambik – so könnten künftig die wichtigsten Gaslieferanten für Europa heißen. LNG-Terminals gibt es, Pipelines sind in Planung, hohe Profite winken. Für den heimischen Markt ist Solarenergie oft die bessere Alternative.
Die EU will unabhängig von fossiler Energie aus Russland werden, und so rücken afrikanische Länder mit großen Gasreserven in den Fokus. Schon jetzt ist Nigeria der viertgrößte Exporteur von Erdgas nach Europa. Erst im April gaben sich die Botschafter der EU, Frankreichs, Italiens, Portugals und Spaniens, bei der staatlichen nigerianischen Öl- und Gasfirma NNPC die Klinke in die Hand.
Eine seit Langem von Nigeria, Niger und Algerien geplante 400 Kilometer lange Gaspipeline durch die Sahara soll jetzt realisiert werden. Auch die benachbarten Länder wie Kamerun, Kongo und Tschad verfügen über Gasvorkommen und LNG-Terminals. Mosambik wird eine Zukunft als großer Gasproduzent prognostiziert, und in Namibia wurden ebenfalls riesengroße Mengen an natürlichen Gasvorkommen entdeckt.
Aber für das lukrative Exportgeschäft müssen große Investitionen getätigt werden. Die scheitern teils am politischen Willen, der grassierenden Korruption und einer oft ineffektiven Verwaltung. Das lässt sich auch beim Aufbau der erneuerbaren Energien in Afrika beobachten. Trotz großem Potenzial für Photovoltaik sind die installierten Anlagen noch überschaubar. In Kamerun könnten sie die Lösung sein, um ländliche Gegenden ans Netz zu bringen.
Photovoltaik in Kamerun
"Hier sehen Sie die technischen Systeme unserer Solaranlage", erklärt Etuge Sumbede Elvis im zweiten Obergeschoss der bilingualen Grundschule des kleinen Ortes Tiko. Die 15 blauglitzernden Solarpanele mit je 75 Watt auf dem Dach stellen die Stromversorgung des neuen Gebäudes sicher.
Insgesamt fünf Kilowatt Leistung wurden von ihm und seinen Mitarbeitern vor wenigen Wochen installiert. "Wir wollen hier ein Computerlab einrichten, unseren eigenen Computerraum für die Schüler. Aber es sollen auch Menschen aus unserem Ort die Möglichkeit bekommen, hier die Arbeit mit Computern zu erlernen."
Computer und Internet gehören für die gut 100 Schülerinnen und Schüler zwischen sechs und zwölf Jahren in Kameruns Südwesten zum Alltag. 79 Prozent der 24 Millionen Einwohner Kameruns nutzen Smartphones. Dafür braucht man Strom. Der von staatlichen Anbietern fällt häufig einfach aus. Ein Problem vor allem für Krankenhäuser.
Photovoltaikanlagen sind deshalb für viele Kommunen und Privatpersonen die Lösung. Die Erträge liegen in Zentralafrika zwischen 3,4 und 5,7 Kilowattstunde pro Kilowatt-Peak. Im Vergleich zu Deutschland: Dort liegt die Ausbeute deutlich niedriger bei 2,7 bis 3,3.
Laut Weltbank haben rund 60 Prozent der kameruner Bevölkerung Zugang zu Strom, vor allem in den Städten. Auf dem Land sind es nur 25 Prozent, und die Stromleitungen, die stehen, sind marode. Die salzige Luft am Meer, die trockene in der Sahelzone und die hohe Luftfeuchtigkeit in den tropischen Regenwäldern fordern ihren Tribut. Investiert wurde schon lange nicht mehr.
Solarmodule für Regenwalddörfer
Lokale Hilfsorganisationen wie das „Zentrum für kommunalen Aufschwung und Entwicklung“ (CCREAD) im nahen Buea sorgen für Strom in der ländlichen Region rund um Kameruns höchsten Berg Mount Kamerun.
Freiwillige tragen Solarmodule zu Fuß in die entlegenen Regenwalddörfer, wo keine Straßen mehr hinführen, sagt Hilary Ewang Ngide, Direktor des CCREAD. "Uns gibt es jetzt seit 2013. Wir gehören zu den ersten kameruner Organisationen, die sich um Bildung für junge Menschen und Frauen kümmern. Wir bieten hier auch Kinderbetreuung an, damit die Frauen sich weiterbilden können. 2016 haben wir von der UNESCO einen Preis für unsere Arbeit bekommen. Davon konnten wir dieses Gebäude bauen."
Eposi Njoh Monyengi gehört zu den „Solar-Mamas“, die vor allem in den Dörfern Solarleuchten installieren. In einem Land, wo es von 18 Uhr bis sechs Uhr dunkel ist, fängt der Nutzen von Solarenergie bereits bei diesen kleinen Anlagen an, sagt auch Nafissatou Djidhatou, eine Solar-Mama aus dem Hohen Norden. "Mit unserer Arbeit können wir gegen die Armut angehen, weil mit der Solarenergie die Versorgung und Ernährung sichergestellt werden kann, und es wird immer mehr."
Es sind diese vielen kleinen Solarprojekte, die Kamerun und die Länder in Zentralafrika prägen. Die Kommunen wie auch die vielen kleinen europäischen Firmen und ausländische Entwicklungsorganisationen aus Deutschland, Kanada, Schweiz oder Norwegen setzen auf dezentrale Ansätze.
Fehlende Techniker und Verteileranlagen
Was jedoch fehlt, ist die gezielte Ausbildung von Solartechnikern. Ein Berufsschulsystem wie in Deutschland existiert nicht, und oft auch nicht das Wissen, wie die Anlagen gewartet und gesäubert werden müssen, weiß Richard Renz. Sein Verein Dikome aus dem schwäbischen Schopfheim unterstützt seit Jahrzehnten die gleichnamige Kommune Dikome mitten im Regenwald im Krisengebiet Südwestkameruns.
"Wir haben eine Solaranlage bei uns auf dem Dach. Wir haben ein Kraftwerk unten gebaut", erzählt er. "Da haben sie die Leitungen angeschnitten und Strom abgezapft. Da sind die 14 Kilowatt irgendwann mal zu Ende. Dann bricht der Generator zusammen. Das hatten wir mehrfach gehabt. Man muss ihnen das Wissen vermitteln, die Energie ist endlich."
Charles Mbede arbeitet bei der Kameruner Dependance der Blue Power Group, der Firma von Afrikas Solarpionierin Salma Okonkwo aus Ghana. Photovoltaikanlagen seien heute unabdingbar geworden für die Entwicklung Zentralafrikas, ist der Ingenieur überzeugt. Aber nicht die großen Anlagen. "Energie zu transportieren von einem Ort zum anderen, das ist sehr teuer. Das können sich die Afrikaner nicht leisten."
Solarenergie habe die Möglichkeit, direkt an den Konsumenten zu kommen. "Das ist sehr wichtig. Deswegen bin ich auch gegen die großen Solarfelder, weil man die Energie transportieren muss, und das wird wieder teuer."
Kamerun versorgt sich vor allem mit Wasserkraft
Stromexport kann Mbede sich unter den aktuellen Umständen nicht vorstellen. Es gibt in Kamerun noch zu wenig Energie. Bislang versorgt sich das Land vor allem mit Strom aus Wasserkraft: Im Osten das Kraftwerk Lom Pangar mit einer Leistung von 30 Megawatt, im Süden, am Fluss Ntem das von China errichtete Kraftwerk Memve’ele mit 211 Megawatt und in Edea, im Südwesten das seit 1953 arbeitende Wasserkraftwerk am Sanaga mit 264 MW. Weiter flussaufwärts das Song-Loulou-Werk mit fast 400 Megawatt, das größte des Landes und der Firma ENEO, zu 51 Prozent im Besitz des britischen Investors Actis.
Derzeit wird das nächste Projekt am Sanaga gebaut: das nach dem deutschen Kolonialoffizier Gustav Nachtigal benannte Werk. Eine Referenz an die deutsche Zeit Kameruns von 1884 bis 1916, erklärt Ingenieur Mbede. "Ich würde gern deutsche Firmen hier sehen. Es gibt ja viel zu tun hier, sogar Geld können sie hier verdienen. Man arbeitet nicht umsonst hier. Hilfe will ich nicht, ich will eine Zusammenarbeit, damit jeder seinen Verdienst hat."
Europäische Firmen halten sich aber noch sehr zurück in Kamerun. Einige seit Jahren vor Ort tätige Mittelständler, wie die bei Hamburg ansässige Firma Lorentz, spezialisiert auf Solar-Wasserpumpen, kümmern sich ebenfalls um dezentrale Projekte.
Solarkraftwerke für Stromexport verzögern sich
Die für Europa und den Export interessanten großen Megawatt-Solarfelder von italienischen, israelischen und kameruner Investoren, wie sie im Norden, an der Grenze zum Niger und Tschad, längst stehen sollten, wie zum Beispiel das 30-Megawatt-Solarkraftwerk bei Garoua, geplant von Enerray aus Bologna, auf einer Fläche von 70 Hektar, verzögern sich seit Jahren. Auch aufgrund der politisch instabilen Situation in der von Terrorgruppen wie Boko Haram beeinflussten Sahelzone. Deshalb gebe es Finanzierungsprobleme, sagt der Präsident des Verbandes für Erneuerbare Energien Kamerun (ACER), Gérard Ntchouabia, etwas ungehalten.
Der Grund für die Zurückhaltung des Auslands: die hohe Korruption. Allein für die Bewilligung der Projekte durch die Behörden müssen Investoren extra Geld einrechnen. Fördermittel reduzieren sich so oft beträchtlich, ehe überhaupt ein Bau beginnen kann. Die Verwaltungsstrukturen der Behörden sind oft ineffizient.
Deutsche Firmen sind deshalb extrem zurückhaltend, weiß Nina Netzer, Büroleiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung Zentralafrika mit Sitz in Yaoundé. "Und dann natürlich auch die Größenordnung der Projekte: Bei der EU gibt es verschiedene Margen. Aber das fängt entweder bei 15 Millionen Euro an oder bei 200 Millionen Euro, und ich glaube, die Anzahl der Akteure in Kamerun, die wirklich ein Projekt dieser Größenordnung stemmen können, lassen sich an einer Hand abzählen."
Investitionen ausländischer Firmen kommen vor allem aus China. Bei der alljährlichen Wirtschaftsmesse Promote stehen die Stände der Solarfirmen dicht an dicht, hoffen auf Kundschaft, die bislang vor allem aus Kommunen, Krankenhäusern, Polizeistationen und Banken besteht.
Das inländische Geschäft von chinesischen Firmen wie Huawei boomt. Der Flughafen von Kameruns Wirtschaftszentrum Douala deckt seinen gesamten Strombedarf über eigene Photovoltaikanlagen. Es bewegt sich etwas, aber langsam: Das 2021 von der britischen Firma Savannah Energy vereinbarte Mega-Solarprojekt im benachbarten Tschad über insgesamt 400 Megawatt rund um und für die Hauptstadt N'Djamena – das größte Solarprojekt in Subsahara-Afrika, Kostenpunkt 626 Millionen US-Dollar – wird nach Schätzungen 2025 fertig.