Gassparen in Wohnungsgenossenschaft
Vormittags, nachmittags oder nach 21 Uhr gibt es in den Blocks der Wohnungsgenossenschaft Dippoldiswalde kein Warmwasser mehr. © Deutschlandradio / Alexander Moritz
Nach 21 Uhr bleibt die Dusche kalt
05:45 Minuten
Die Bundesregierung will, dass Preissteigerungen beim Gas leichter an Verbraucher weitergegeben werden können – und dass alle Gas sparen. Eine Wohngenossenschaft im sächsischen Dippoldiswalde hat nun das Warmwasser rationiert. Aber darf sie das überhaupt?
Die Bundesregierung ringt angesichts des Kriegs in der Ukraine und den Auswirkungen auf Gaslieferungen aus Russland darum, die Gasversorgung in Deutschland sicherzustellen. Nun hat sie Änderungsvorschläge für das Energiesicherungsgesetz vorgelegt.
Unter anderem sollen dadurch Preissteigerungen leichter an Verbraucher weitergeben können. Bereits vor einigen Wochen hat Wirtschaftsminister Robert Habeck die Alarmstufe im Gassicherungsplan ausgerufen. Das heißt: Es soll gespart werden, wo es nur geht.
Die Wohngenossenschaft Dippoldiswalde in Sachsen, im Erzgebirge, nimmt das ernst: Seit 1. Juli hat sie das Warmwasser rationiert. Das gilt in knapp der Hälfte der 600 Wohnungen der örtlichen Wohnungsgenossenschaft: Vormittags, nachmittags und nach 21 Uhr schaltet sich der Warmwassererhitzer ab.
Ein Mann sagt, er habe das bereits bemerkt: „Heute Nachmittag um drei Uhr gab es kein warmes Wasser mehr. Ich wollte gerade abwaschen. Da muss man sich halt eintakten, so umplanen, dass man die Zeit nutzt, wo es warmes Wasser gibt.“ Eine Frau fügt hinzu: Wenn man vom Baden aus der Talsperre komme, „muss man gucken, dass man vor 21 Uhr da ist, damit man den Dreck noch runterspülen kann“.
"Eine bodenlose Schweinerei"
Manche erinnert das an Rationierung wie früher in der DDR – und nicht alle sind so verständnisvoll. So sagt etwa eine ältere Dame: „Es ist eine bodenlose Schweinerei, auf Deutsch gesagt. Unmöglich! Wenn jemand von der Schicht kommt, was soll denn der um 23 Uhr machen, wenn das Wasser abgedreht ist?“
Ein Mann, der als Monteur arbeitet, bestätigt: „Ich will duschen gehen, wenn ich das für nötig halte. Wenn es hier 30 Grad sind und ich geh‘ zwei Mal am Tag, dann ist das eben so.“ Dafür bezahle er schließlich seine Wasser- und Abwasserrechnung.
Doch die Wohnungsgenossenschaft musste die monatlichen Vorauszahlungen für das Gas, mit dem das Wasser erwärmt wird, bereits verdoppeln. Geschäftsführer Falk Kühn-Meisegeier meint:
„Das wird trotzdem nicht reichen.“ Er fürchtet, viele der rund 1000 Bewohner könnten mögliche weitere Nachzahlungen gar nicht mehr bezahlen. Die meisten hier haben mittlere Einkommen oder leben nur von einer kleinen Rente. 5,50 Euro kostet der Quadratmeter im Schnitt.
"Luxus für wenige ist nicht zu leisten"
Die meisten der alten DDR-Gebäude sind inzwischen neu gedämmt, die Balkone verglast – eine Energiesparmaßnahme. Auch in anderen Bereichen spart die Genossenschaft bereits: Der Rasen wird seltener gemäht, Treppenaufgänge nur noch alle zwei Wochen geputzt.
Doch beim Gas weiß sich der Geschäftsführer angesichts der Preisentwicklung nicht anders zu helfen, als die Warmwasserzeiten zu begrenzen. Die meisten Menschen nutzten Warmwasser früh, mittags und abends – den Boiler zu anderen Zeiten abzuschalten, sei also verschmerzbar, sagt er. Anders gehe es auch nicht:
„Den Luxus für einige wenige zu betreiben, können wir uns nicht leisten. Letztlich bezahlt auch der, der auf Arbeit ist, diese Warmwasseraufbereitungszeiten.“
"Rechtlich nicht zulässig"
Falk Kühn-Meisegeier bekommt viele Nachfragen. Die meisten Mieter hätten allerdings Verständnis für die Einschränkung, sagt er. Doch nicht alle in der Wohnsiedlung sehen das so.
Manche werfen dem Geschäftsführer einen Hang zum Autoritären vor. Einige wollen nicht, dass ihre Sicht veröffentlicht wird. Andere fragen sich, ob die Sparmaßnahme überhaupt etwas bringt.
„Das ist die große Preisfrage, ob sich das rechnet“, sagt beispielsweise ein Mann. „Wenn ich den Tank leerfahre und irgendwann wieder von 15 Grad den ganzen Kessel hochheizen muss. Oder ob ich besser komme, wenn ich doch eine gewisse Grundtemperatur habe und immer wieder kühleres Wasser nachläuft, was sich dann erwärmen kann.“
Angekündigt wurde die Warmwasserrationierung Mitte Juni, in den Treppenhäusern hängen Zettel. Doch so einfach sei das nicht, macht der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, deutlich:
„Dem Mieter zu bestimmten Zeiten das Warmwasser abzustellen, das darf der Vermieter nicht. Das kann man nur dann machen, wenn beide Seiten damit einverstanden sind. Ansonsten ist das rechtlich nicht zulässig.“
"Ich kann keine Umfrage machen"
Geschäftsführer Falk Kühn-Meisegeier in Dippoldiswalde kann mit dieser Kritik nichts anfangen: „Geschäftsführer heißt, dass man die Geschäfte führt. Und ich kann nicht wegen so einer Maßnahme eine Umfrage machen, da brauche ich drei Wochen.“
Sparen wo es geht, lautet seine Devise. Genau dieses Signal wollte Wirtschaftsminister Robert Habeck mit der Alarmstufe des Notfallplans Gas senden.
"Es kann sich keiner leisten, das ist absoluter Luxus“, resümiert Kühn-Meisegeier in Bezug auf unbegrenzten Warmwasserverbrauch. Und fügt hinzu: "Wir werden im Winter gar nicht mehr über Warmwasser reden – weil wir froh sind, dass wir zwei Zimmer warmkriegen.“
Dippoldiswalde ist bislang ein Einzelfall
Ohne echte Verbote werde es nicht gehen, glaubt der Genossenschafts-Geschäftsführer in Dippoldiswalde. „Da bedarf es einer Verordnung vom Bund, die sagt: Du hast nicht die Heizung zwischen Mai und September anzuschalten. Ende der Durchsage.“ So sei es früher auch gewesen.
Auch in der erzgebirgischen Kleinstadt Marienberg haben die Stadtwerke für Juli und August die Heizung komplett abgestellt. Dass auch Wasser aus dem Hahn rationiert wird – damit ist Dippoldiswalde ein Einzelfall. Bisher jedenfalls. "Früher oder später wird es, denke ich mal, alle treffen“, prophezeit einer der Mieter der Wohnungsgenossenschaft Dippoldiswalde.