„Vortex“ von Gaspar Noé im Kino
In „Vortex“ erzählt Gaspar Noé von einem alternden Ehepaar, das aneinander vorbei lebt. © Rapid Eye Movies
Das Leben hat kein Happy End
08:39 Minuten

Der Regisseur Gaspar Noé ist bekannt für Filme, die schockieren. Sein neues Werk "Vortex" erzählt leise und zärtlich von einem alternden Ehepaar, von Demenz und Tod. Ein genialer gestalterischer Einfall macht den Film besonders eindrücklich.
Der in Frankreich lebende Argentinier Gaspar Noé ist einer der letzten großen Provokateure des Kinos. Sein Vergewaltigungsdrama „Irreversibel“ (2002) mit dem Ehepaar Monica Bellucci und Vincent Cassel hat vor 20 Jahren in Cannes für einen Skandal gesorgt: Der Film enthält eine unerträgliche zehnminütige Plansequenz, in der eine Frau von einem Unbekannten in einer Unterführung vergewaltigt wird.
Neben den inhaltlichen Provokationen sind die Filme von Noé auch formal fordernd. Seine filmischen Experimente brechen mit den Sehgewohnheiten des Publikums. Beispielsweise wird „Irreversibel“ rückwärts erzählt.
Neben den inhaltlichen Provokationen sind die Filme von Noé auch formal fordernd. Seine filmischen Experimente brechen mit den Sehgewohnheiten des Publikums. Beispielsweise wird „Irreversibel“ rückwärts erzählt.
Neuer Film ist ein Befreiungsschlag
Der Filmkritiker Jörg Buttgereit findet allerdings, Noé habe sich mit seinem anhaltenden Willen zur Provokation zuletzt ein wenig in eine Sackgasse manövriert. Der neue Film des Regisseurs, „Vortex“, kommt Buttgereits Meinung nach aber einem Befreiungsschlag gleich.
Der Film zeigt die letzten Tage eines alten Ehepaares in einer mit Filmdevotionalien vollgestopften Dachgeschosswohnung in Paris. Die Frau war Therapeutin und leidet an Demenz. Der Mann ist leidenschaftlicher Cineast und versucht ein letztes Buch über das Kino und die Träume zu schreiben.
Der Film zeigt die letzten Tage eines alten Ehepaares in einer mit Filmdevotionalien vollgestopften Dachgeschosswohnung in Paris. Die Frau war Therapeutin und leidet an Demenz. Der Mann ist leidenschaftlicher Cineast und versucht ein letztes Buch über das Kino und die Träume zu schreiben.
Verkörpert wird das Paar von der späten Nouvelle-Vague-Ikone Françoise Lebrun und dem italienischen Horror-Regisseur Dario Argento.
Für den 81-jährigen Argento ist „Vortex“ die erste Rolle als Schauspieler. Er spiele sich im Prinzip selbst und müsse nun in der Rolle zusehen, wie seine Frau „den Kopf verliert“, so Buttgereit.
Geteilte Leinwand zeigt die Entzweiung
Die Besetzung sei ein „genialer Schachzug“ Noés, da er damit sein Zielpublikum erweitere, findet Filmkritiker Buttgereit. Noé versuche, das Bildungsbürgertum und die Genre-Fans abzuholen.
Besonders eindrücklich findet Buttgereit einen formalen Einfall des Regisseurs: Bei „Vortex“ ist die Leinwand in zwei Bilder aufgeteilt. Auf der rechten Seite beobachtet die Kamera den Mann, auf der linken die Frau.
Durch dieses Split-Screen-Verfahren sehe man, wie das einstige Liebespaar nebeneinander her lebe und sich ihre Wege nur ab und zu kreuzten, erklärt Buttgereit.
Das Leben hat kein Happy End
„Der Split Screen ist eine filmische Umsetzung dafür, wie die Demenz der Frau diese beiden Liebenden entzweit. Das ist extrem wirkungsvoll, wenn der Mann stirbt und die rechte Bildhälfte dann einfach schwarz bleibt.“ Diese Leerstelle, die da thematisiert werde, bedeute, „dass das Leben kein Happy End hat“, sagt Jörg Buttgereit.
(tmk)