Gastbeitrag des russischen Präsidenten

Die "Zeit" druckt Putins Propaganda

03:16 Minuten
Der russische Präsident Wladimir Putin hält in Moskau auf einem Veteranenfriedhof seine Rede anlässlich des achtzigjährigen Jubiläums des Einmarsches des Dritten Reiches in die Sowjetunion.
Mit seinen politischen Gegnern geht der russische Präsident nicht zimperlich um. Die "Zeit" gibt ihm Raum, seine Sicht der Dinge zu verbreiten. © dpa / picture alliance / Associated Press / Alexei Nikolsky
Ein Kommentar von Thomas Franke |
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Die "Zeit" hat einen Gastbeitrag des russischen Präsidenten Putin veröffentlicht. Das hätte sie nicht tun dürfen. Denn so kann Putin ungehindert Lügen verbreiten. Wer ihm ungefiltert Raum gibt, macht sich mitschuldig.
"Das Wesen des Liberalismus ist es, abweichende Ideen nicht zu diffamieren und Kritik an Bestehendem nicht als Ketzerei zu verfolgen, sondern die Minderheiten zu schützen und Offenheit zum Gegensätzlichen zu praktizieren." Dieser mahnende Satz der ehemaligen "Zeit"-Chefredakteurin und Mitherausgeberin Marion Gräfin Dönhoff steht als Motto über den Redaktionsrichtlinien des Wochenblattes.
Der Beitrag von Wladimir Putin in der "Zeit" ist aber kein Meinungsbeitrag, der eine abweichende Idee präsentiert. Gegen so einen Meinungsbeitrag könnte man eine andere Meinung setzen, man könnte sich auf Fakten einigen und über Schlussfolgerungen diskutieren.
Der Beitrag von Putin ruft aber lediglich nach einem Faktencheck. Es ist ein Propaganda-Artikel, und er steckt so voller Lügen, dass es zu lange dauern würde, sie einzeln zu widerlegen. Darauf setzen russische Propagandisten: Sie wissen, dass irgendetwas schon hängen bleiben wird, und sei es nur Zweifel an den Fakten.

Mehr Gastbeiträge von Autokraten?

Auf Nachfrage teilt die "Zeit" mit, der Beitrag sei eingeordnet worden. Echt? In der bereits vorab publizierten Onlineversion steht lediglich, dass die Bundesregierung und die EU anderer Ansicht zur Annexion der Krim seien und "die Ereignisse 2014 in der Ukraine" nicht als "von Europa unterstützten "Staatsstreich" betrachten.
Putin spricht von einem Austritt der Halbinsel und unterschlägt, dass russische Soldaten die Krim besetzten. Mit Verlaub, das Leugnen von Völkerrechtsbruch ist keine Meinung.
Klar, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon toll, Putin im Blatt zu haben. Aber was passiert, wenn die chinesische Botschaft einen Beitrag von Staatschef Xi Jinping zu Tibet anbietet? Oder darf der neue Staatschef des Iran sich in Zukunft ungefiltert äußern?
Die Vergleiche hinken? Nein, tun sie nicht, denn in Russland werden systematisch Menschenrechte verletzt und Nachbarstaaten militärisch bedroht. Putin steht für diese Verbrechen. Wer ihm ungefiltert Raum gibt, macht sich mitschuldig.

Ein respektloser Mensch

Putin diesen Raum zu geben, konterkariert die jahrelange, teils sehr harte Arbeit aller Berufsgruppen in Wissenschaft und Medien, in Politik und Diplomatie, für einen fairen und faktenbasierten Diskurs.
"Die Zeit" ist nicht irgendein Blatt, und dessen sind sich die Macher sehr bewusst. In den Leitlinien heißt es: "Wir verstehen uns als Plattform für den demokratischen Diskurs in unserer Gesellschaft. Wir bieten ein Forum für Debatten, die von gegenseitigem Respekt geprägt sind."
Mit Putin hat die "Zeit" einem respektlosen Menschen, der systematisch gegen den Diskurs angeht und den Liberalismus für überholt hält, eine Plattform gegeben. Die Redaktion hat sich zum Handlanger des russischen Präsidenten gemacht.
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