Indonesiens dunkles Kapitel
Im Jahr 1965 wurden Linke und Frauenrechtlerinnen von rechtsgerichteten Militärs in Indonesien gefoltert, ermordet oder in Straflager verbannt. Ein Buch und ein Film wollen über die Ereignisse aufklären. Oft war es schwer, die Zeitzeugen zum Reden zu bringen. Indonesien ist Gastland auf der Frankfurter Buchmesse.
In dem Dokumentarfilm "Plantungan" erzählen Suci Dornati und andere Frauen um die 80, was ihnen vor einem halben Jahrhundert in Indonesien widerfuhr: Sie wurden in ein Straflager an einen unwirtlichen Ort im Dschungel namens "Plantungan" verbannt. Viele Frauen – und auch Männer - wurden zuvor Opfer der Folter - ausgeübt durch rechtsgerichtete Militärs:
"Ich wurde auf verschiedene Weise gefoltert. Am häufigsten durch Vergewaltigungen und mit Stromschlägen. Ein Kabel wurde auf der einen Seite mit einem Generator verbunden, auf der anderen Seite mit Metallringen versehen. Diese wurden bei den Häftlingen an den empfindlichsten Körperteilen befestigt. An der Klitoris oder am Penis. An den Brustwarzen oder die noch am wenigsten grausame Methode, an Finger oder Zehen."
Viele der Frauen, denen das vor 50 Jahren in Indonesien angetan wurde, waren damals Mitglieder von "Gerwani" – einer linksgerichteten indonesische Frauenbewegung, die bis 1965 existierte. Jahrzehntelang hatte Gerwani Frauen in den Dörfern Lesen und Schreiben beigebracht, Kindergärten gegründet und gegen häusliche Gewalt und Polygamie gekämpft. Doch 1965 wurden die Gerwani-Aktivistinnen wie die in der kommunistischen Partei organisierten Männer Opfer der Massaker oder struktureller sexueller Gewalt. Die indonesische Frauenrechtlerin Ita Fatia Nadia hat seit vielen Jahren die Berichte weiblicher Überlebender protokolliert:
"Ich habe das erste Mal 1978 und 1979 mit diesem Frauen gearbeitet, als sie aus der Haft entlassen wurden. Meine Aufgabe bestand darin, sie wieder mit ihren Familien zusammenzuführen. Das war sehr schwierig, weil die Familien es oft ablehnten, mit den ehemaligen Häftlingen zusammenzuleben. In den 80er-Jahren habe ich dann in einer Frauenorganisation gearbeitet und wir haben einen Raum geöffnet, wo die ehemaligen Häftlinge sich treffen konnten."
Auch das Buch "Indonesien 1965ff" dokumentiert die Ereignisse
Dass tausende Frauen von Gerwani der indonesischen Soldateska vor einem halben Jahrhundert schutzlos ausgeliefert waren und teilweise bis heute Angst haben, über ihre Erfahrungen zu sprechen, beschrieb gestern Abend auch Annett Keller. Die Herausgeberin des Buches "Indonesien 1965ff – Die Gegenwart eines Massenmordes". Sie sieht den Gewaltexzess von 1965 im Kontext des Kalten Krieges. Insbesondere die USA unterstützen damals die rechten Militärs in Indonesien, die den Massenmord an den Mitgliedern und Unterstützern der Kommunisten maßgeblich zu verantworten haben. Annett Keller:
"Es gibt inzwischen sehr viele freigegebene Dokumente, die die Rolle des Westens und vor allem der USA an diesem ganzen Komplex 1965 zunehmend belegen."
Für die Überlebenden des Massakers war auch nach der Haftentlassung an Freiheit nicht zu denken. Viele ehemalige Häftlinge bekamen einen Stempelvermerk in die Ausweispapiere und mussten sich regelmäßig bei der örtlichen Militärbehörde melden, wo Frauen erneut unter sexuellen Übergriffen zu leiden hatten. Die Betroffenen durften nicht im öffentlichen Dienst arbeiten und hatten auch sonst vielfach Probleme, Arbeit zu bekommen. Als sogenannte "Involvierte" wurden sie in Dörfern und Wohnvierteln jahrelang wie Aussätzige behandelt, schildert Annett Keller.
Gesprächspartnerinnen mit Angst
Der indonesische Schriftsteller und Filmproduzent Putu Oka Sukanto ist selbst ehemaliger politischer Häftling. Er berichtete gestern Abend im Frankfurter Mouson-Turm, wie schwer es war, auch 50 Jahre nach den Ereignissen Zeitzeuginnen zur Mitwirkung an seinem Filmprojekt über das Geschehen zu bewegen. Auch deswegen, weil auch heute noch maßgebliche Täter von damals ganz eng mit der Regierung verbunden seien:
"Es gab einige Schwierigkeiten, die ich überwinden musste. Die Gesprächspartnerinnen hatten Angst. Sie wollten eine Garantie dafür haben, dass ihnen nichts passieren würde. Ich musste sie ermutigen, in dem ich ihnen sagte, es sei eine Aufgabe der Geschichte, die Erzählungen über die Ereignisse von 1965 für künftige Generationen festzuhalten."