Der Regimekritiker als Hochschullehrer
Der chinesische Künstler Ai Weiwei gibt Ende dieser Woche seine Antrittsvorlesung als Gastprofessor an der Berliner Universität der Künste. Vorab erklärte er sein Programm für das Semester und meinte, er sehe sich gar nicht als Lehrer.
Der Ansturm war groß: Über 100 Studierende aus allen Fakultäten der Universität der Künste hatten sich auf die Klasse von Ai Weiwei beworben. 16 von ihnen hat er ausgewählt. Nach welchen Kriterien, daraus macht er kein Geheimnis.
Kunst, sagte er, sei für ihn kein Ziel, sondern ein Mittel. Ein Drittel der Bewerber habe er ausgeschlossen, weil sie angegeben hatten, Kunst sei für sie das Ziel. Ein weiteres Drittel fiel durch, weil sie sinngemäß gesagt hätten, sie wollten herausfinden, was das Geheimnis seines Erfolgs sei und daran partizipieren.
Aus dem letzten Drittel schließlich habe er die ausgewählt, von denen er den Eindruck hatte, sie würden sich konzentriert auf der Suche befinden:
"Ich hab dann unter den 16 welche ausgewählt, die was von Medien verstehen, die was von Design verstehen, die was von Mode verstehen, aber auch jemanden, der weiß, wie man nachts Auto fährt und sich als Fluchthelfer betätigt. Oder auch Menschen, die Essen kochen können. Insgesamt muss man sich das vielleicht ein bisschen so vorstellen wie in diesen berühmten Gangsterfilmen, wo sich Menschen zusammenfinden, um so eine Art kleine Bande zu bilden, um eine Bank auszurauben. Last but not least kann ich nicht verhehlen, dass ich sehr egoistisch gedacht habe, wir wollen ja alle zusammen einfach eine gute Zeit verbringen."
Am kommenden Sonntag wird Ai seine Einstein-Gastprofessur antreten – zunächst mit einer Auftaktveranstaltung unter dem Titel "KUNST (lehren)". Mit anderen UdK-Professoren wird er dann über Kunst und künstlerische Lehrmethoden sprechen. Er selber sehe sich eigentlich gar nicht als Lehrer, sagte Ai Weiwei heute, sondern eher als Teil einer künstlerischen Gruppe, die sich gegenseitig befruchte.
UdK-Präsident Martin Rennert und Günter Stock, Vorstandsvorsitzender der Einstein-Stiftung, jedenfalls zeigten sich äußerst glücklich, einen so herausragenden Künstler wie Ai an die Universität und an die Stadt binden zu können. Seine künstlerische Arbeit als Bildhauer, Performance-Künstler, Filmemacher und Architekt würde eine Vielzahl von Denk- und Handlungsräumen eröffnen, erklärte Stock.
Langer Hausarrest und Ausreisesperre
Vor zwei Monaten durfte Ai Weiwei nach langem Hausarrest und einer vierjährigen Ausreisesperre von Peking nach Berlin ausfliegen, wo sein sechsjähriger Sohn und dessen Mutter leben. Beide saßen heute auch im Publikum.
2011 war er verhaftet und an einem unbekannten Ort festgehalten worden – für den chinesischen Künstler und unerschütterlichen Regimekritiker eine traumatische Erfahrung, die er später auch in seiner Kunst verarbeitete. Er saß in Haft, als ihm die Gastprofessur aus Berlin angetragen wurde.
"Für mich ist diese Zeit um 2011 herum sehr besonders, ich war da an einem Ort, von dem ich erst nach und nach erfahren habe, wo er eigentlich ist und damals wusste ich es nicht. Ich war 81 Tage quasi abgeschlossen und in dieser Zeit war natürlich die Nachricht, dass ich eingeladen würde, als Gastprofessor an die UdK zu kommen, eine ganz wichtige Botschaft für mich."
Ob Menschenrechte oder Kunstfreiheit zentrale Themen auch seiner Berliner Lehrtätigkeit sein werden, ließ Ai Weiwei offen. In den letzten Wochen hatte er sich bemüht, direkte Konfrontationen mit dem chinesischen Regime zu vermeiden. Der Preis sei sehr hoch gewesen, es habe ihm die Bewegungsfreiheit und Gehör in China genommen, sagte er nach seiner Ankunft in Berlin.
Erstmals Ausstellung in China
In diesem Jahr durfte Ai Weiwei erstmals auch in China ausstellen. Die Berliner werden sich darauf einstellen können, Ai Weiwei künftig öfter einmal über den Weg zu laufen. Auf drei Jahre ist seine Professur angesetzt. Solange werde er wohl hier bleiben, erklärte Ai.
Schon jetzt kann man das in Deutschland wohl bekannteste Gesicht Chinas ab und zu in asiatischen Restaurants in Ostberlin sehen. Im Pfefferberg im Prenzlauer Berg hat er in riesigen unterirdischen Bierkellern mit seinem Team ein Studio bezogen. Doch als Exilant will er sich nicht sehen.
"China ist meine Nation und meine Heimat. Und ich werde immer dorthin zurückgehen, solange man mich rein- und auch wieder rauslässt. Doch das liegt nicht in meiner Hand."