Gastronomie und Geschlecht

Warum es so wenige Spitzenköchinnen gibt

07:14 Minuten
Illustration eines Kochs beim Gemüseschneiden.
Michelin-Sterne gehen jedes Jahr vor allem an Köche © imago images / Ikon Images
Madeleine Jakits im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
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Unter Sterneköchen gibt es wenige Köchinnen. Das liegt unter anderem am rauen, zum Teil anzüglichen Ton in Restaurantküchen, sagt Madeleine Jakits vom Magazin "Feinschmecker". Wer trotz Talent nicht weiterkomme, wechsele oft den Beruf oder höre auf.
Heute hat der Guide Michelin in Hamburg die Sterne der Gastronomie vergeben. Anders als sonst gibt es keine öffentliche Gala zur Verleihung. Das Management entschied, wegen des Coronavirus, dass die begehrten Auszeichnungen 2020 für die Restaurants nur im Internet bekannt gegeben werden.
Auch dieses Mal lässt sich jetzt schon sicher sagen, dass unter den Spitzenköchen kaum Frauen vertreten sind. Unter den zehn Drei-Sterne-Köchen in Deutschland ist bisher keine Frau. "Ich glaube, dass es viel, viel weniger Frauen gibt, die überhaupt an die Spitze kommen und sich als Küchenchefinnen in die Küche stellen", sagt die Herausgeberin des Gourmet-Magazins "Feinschmecker", Madeleine Jakits. Der Michelin sei nicht sexistisch, sondern er habe zur Auswahl nicht so ein großes Feld wie bei den Männern, die kochen.

Zivilisierterer Umgang

"Der Ton ist zum Teil rau in der Küche, auch anzüglich", beschreibt die Chefredakteurin den Arbeitsalltag. Im Vergleich zu früher habe sich der Ton zwar gemildert und sei zivilisierter geworden, aber Frauen müssten damit rechnen, dass sie auch mal angemacht würden. Das hänge sehr vom Küchenchef ab, so die Chefredakteurin: "Welche Kultur, welche Manieren, welchen Anstand hat der?" Es sei eine Errungenschaft der vergangenen Jahre, dass nicht mehr so viel herumgeschrien werde und nicht mehr mit Gegenständen nach Köchen geworfen werde. "Insgesamt mildert sich das Bild."
Aber Jakits sieht noch weitere Hindernisse für Frauen: "Männer haben es auch nicht so gerne, wenn Frauen an ihnen vorbeiziehen." Sie habe auch mit der Luxemburger Spitzenköchin Léa Linster darüber gesprochen, die diesen Eindruck aufgrund eigener Erfahrungen bestätigt habe. "Die hat auch allerhand erlebt", sagt Jakits. Die heutige Starköchin sei lange kleingehalten worden. Außerdem habe man ihr unterstellt, sie habe mit dem französischen Spitzenkoch Paul Bocuse geschlafen, um den Wettbewerb zu gewinnen. "All solchen Unsinn", so Jakits. Es sei eben nicht einfach für Frauen, die vorderen Positionen zu gewinnen.

Mehr Chancen in Familienbetrieben

Am besten funktioniere das in Familienbetrieben, wo beispielsweise Töchter das Restaurant ihrer Eltern übernähmen. Da gebe es dann auch Hilfe bei der Kindererziehung. "Wie wollen Sie als Spitzenköchin auch noch kleine Kinder großziehen?"
Wer Talent als Köchin habe und nicht weiterkomme, wechsele oft den Beruf oder höre auf, sagt die Journalistin. "Viele Frauen arbeiten in der Patisserie." Die meisten Frauen blieben im Hintergrund.
Das Kochen in der oberen Liga habe etwas vom Mannschaftssport. Es gebe viel Druck, viel Konkurrenz im Team, aber auch Adrenalin und Aggression, so Jakits. "Das kennt man vielleicht eher aus dem Sport, und das ist für Frauen vielleicht nicht immer das ideale Umfeld, wenn der Küchenchef nicht einen Ton vorgibt, der sie auch schützt vor irgendwelchen Entgleisungen und dummen Bemerkungen."
(gem)
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