Gaza-Streifen

Bittere Anklage gegen Israel

Ein bewaffneter Hamas-Aktivist läuft in Gaza-Stadt unter einer Palästinenser-Flagge.
Ein bewaffneter Hamas-Aktivist läuft in Gaza-Stadt unter einer Palästinenser-Flagge. © dpa / picture alliance / Mohammed Saber
Von Sebastian Engelbrecht |
Der palästinensische Politologe Bahij Spiewak wollte die Geschichte des Gaza-Streifens aufschreiben. In Wahrheit ist sein Buch jedoch eine feindselige Streitschrift gegen Israel - in der er den islamistischen Widerstand der Hamas heroisiert.
Ein Mensch, der mit offenen Wunden am Schreibtisch sitzt und über die Verwundungen seines Volkes berichtet, wird einen flammenden, schmerzenden Appell zu Papier bringen, einen Hilferuf, aber keine Dokumentation.
Bahij Spiewak, ein in Nablus geborener palästinensischer Politologe, hat einen solchen brennenden Text geschrieben. Spiewaks Buch ist nur scheinbar ein zeithistorischer Abriss über die jüngste Geschichte des Gaza-Streifens von 1993 bis 2014. Tatsächlich fließt aus der Feder des Verwundeten eine Streitschrift. Mit jedem Satz nimmt Spiewak Partei.
Er heroisiert den islamistischen Widerstand der Hamas gegen Israel. Er feiert Raketen auf Israel und Entführungen israelischer Soldaten als strategische Erfolge der Hamas. Er unterstellt der israelischen Armee, sie habe während des Krieges gegen die Hamas in Gaza im Sommer 2014 möglichst viele Zivilisten töten wollen.
Heroisierung des islamistischen Widerstands
"Eine genaue Untersuchung der getroffenen Ziele führt zwangsweise zum Schluss, die Luftwaffe zielte absichtlich auf Häuser bekannter Familien. Oft sind das drei- und vierstöckige Häuser mit 100 Bewohnern. Durch Maximierung der Verluste an Menschenleben sollte die Bevölkerung Gazas demoralisiert werden."
Bahij Spiewak ignoriert das bekannte Argument der israelischen Armee, die Hamas-Kämpfer hätten sich mit ihren Waffenlagern und Raketenabschussbasen bewusst in Zentren der Zivilbevölkerung verschanzt. Er ignoriert überhaupt jedes Argument, das Israel im Kampf gegen die palästinensischen Islamisten jemals vorgebracht hat.
Cover: "Die Hölle von Gaza" von Bahij Spiewak
Cover: "Die Hölle von Gaza" von Bahij Spiewak© Laika Verlag
Aus der Sicht des Autors waren die Osloer Friedensverträge zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation, PLO, eine "Betrugsaktion". Spiewak schildert die Palästinenser als wehrlos ausgelieferte, schuldlose Wesen, als Spielmasse von Amerikanern und Israelis.
Er "erkundet" die "Hölle von Gaza" – also vor allem die Kriege der Hamas gegen Israel von 2009, 2012 und 2014. Er beschreibt das Scheitern der PLO-Chefs Arafat und Abbas und die Verflechtungen des Hamas-Regimes mit den arabischen Nachbarn.
Verschwörungstheoretisch klingende Andeutungen
Anstatt ausführlicher Darstellungen belässt er es immer wieder bei verschwörungstheoretisch klingenden Andeutungen. PLO-Chef Mahmud Abbas und Arafats Sicherheitschef in Gaza, Mohammed Dahlan, stellt er als Marionetten Israels und der USA hin, nicht aber als Politiker mit alternativem Konzept.
Zitate aus dem Alten Testament dienen Bahij Spiewak als Erklärungen für die vernichtenden Feldzüge Israels gegen die Palästinenser. Damit begibt er sich auf das niedrige Diskursniveau pauschalisierender Islamhasser, die sich Passagen aus dem Koran herauspicken, um Niedertracht und Schuld der Muslime insgesamt nachzuweisen. Das heutige Israel steht für den palästinensischen Politologen nach dem dritten Gaza-Krieg als massakrierende Unterdrückermacht, als skrupellose Mordmaschine da.
"Die israelische Kriegshysterie kann erst dann gebremst werden, wenn Israel von der internationalen Gemeinschaft gezwungen wird, die Kosten des Wiederaufbaus zu bezahlen. Erst wenn Tötung und Zerstörung unrentabel werden, hört der Krieg auf."
Ein aufgeladener, feindseliger Ton
Der Ton des Buches ist – vor allem in der ersten Hälfte – so feindselig, so geladen, dass der Autor in den besseren Passagen seine Glaubwürdigkeit verliert. Etwa da, wo er zu recht kritisiert, dass Wahlsiege muslimischer Parteien von demokratischen Mächten nicht akzeptiert wurden – zum Beispiel in Algerien, Palästina und in Ägypten.
"Man wird sich immer wieder fragen, welchen Wert haben die Wahlen, wenn man danach nicht bereit ist, ihre Ergebnisse zu respektieren? Sind die islamischen Parteien in der Demokratie nur dann willkommen, wenn sie in der Minderheit sind?"
Man wäre geneigter, solche und andere zutreffende Beobachtungen aufzunehmen, wenn Bahij Spiewak selbst einen konstruktiven Ton anschlagen würde. Aber sein Buch klingt starr, rechthaberisch und bitter. Es ist ein ideologisches Lagerfeuer für alte Kämpfer, bringt aber keinen Erkenntnisfortschritt.

Bahij Spiewak: Die Hölle von Gaza. Erkundungen eines Infernos.
Laika Verlag Hamburg 2015
127 Seiten, 11,90 Euro

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