Gazastreifen

Der traurigste Zoo der Welt wird geräumt

Leere Gehege im Zoo von Khan Younis (Gaza)
Leere Gehege im Zoo von Khan Younis (Gaza) © Deutschlandradio / Peter Kapern
Von Peter Kapern |
Der Tierpark von Khan Younis ist weltberühmt als der schrecklichste Zoo auf Erden. Eine traurige Tiershow, die im tristen Gazastreifen trotzdem zu den wenigen Attraktionen zählte. Ganze 15 Tiere sind von einstmals 200 noch übrig. Sie sollen eine neue Heimat finden.
Halb drei am Nachmittag ist es, als auf den schmalen Wegen zwischen den Käfigen das Chaos die Oberhand zu gewinnen droht. So voll ist es hier, weshalb ein Mitarbeiter der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten", "Four Paws", mit hörbar österreichischem Akzent und Absperrband zur Tat schreitet:
"Please all media-people on this side and Four-Paws-People on this ... ."
Journalisten beobachten die Räumung des Zoos in Khan Younis (Gaza)
Journalisten beobachten die Räumung des Zoos.© Deutschlandradio / Peter Kapern
Die Medienmeute soll also auf die eine Seite, die Tierschützer sollen auf die andere. Und so entsteht die Gasse, durch die Frank Göritz schreitet, ein langes, grünes Rohr in der Hand:
"Das ist ein Blasrohr. Damit verschießt man Narkosepfeile. Weil, bei den meisten Wildtieren hat man nicht die Chance, aus der Hand zu spritzen. Man muss dann über Distanz Medikamente oder in dem Fall Narkotika applizieren. Das macht man mit einem Blasrohr oder man hat ein Narkosegewehr, das arbeitet mit Luftdruck. Und hier macht man es mit Lungenkraft."
Der Tierarzt zielt, bläst ... und wartet. Ein paar Minuten später taumelt der kleine Hirsch und kippt um. Sein erster Schritt in ein besseres Leben.
Der kleine Hirsch im Zoo von Khan Younis (Gaza) wurde betäubt, damit er in seine neue Heimat gebracht werden kann. 
Der kleine Hirsch im Zoo von Khan Younis (Gaza) wurde betäubt, damit er in seine neue Heimat gebracht werden kann. © Deutschlandradio / Peter Kapern
Der Zoo von Khan Younis ist weltberühmt als der schrecklichste Zoo auf Erden. Vor zehn Jahren hat ihn Ziyad Oweida eröffnet. In einen Palmenhain, nicht einmal so groß wie ein Fußballfeld, hat er Käfige gebaut. Winzige Stahlverhaue für zum Teil große Tiere. Zwei Riesenschildkröten mussten sich drei Quadratmeter teilen. Der Tiger Laziz war mit seinem Weibchen auf weniger als 40 Quadratmetern eingesperrt.
Eine traurige Tiershow, die im tristen Gazastreifen trotzdem zu den wenigen Attraktionen zählte. Zu Besuch kamen aber nicht nur Schulklassen, sondern immer wieder auch der Tod. Von Tierhaltung verstand der Betreiber nicht allzu viel, weshalb die Zahl seiner Tiere permanent schrumpfte. Und dann kam der Krieg mit Israel im Sommer 2014.

Während des Krieges verhungerten viele Tiere

Durch das Leben im Gazastreifen habe er sich ja an manches gewöhnen müssen, auch an Kriege, erzählt Ziyad Oweida. Und während des letzten Krieges konnte er 17Tage lang nicht in seinen Zoo kommen. In dieser Zeit seien viele Tiere gestorben, sagt der Zoobesitzer.
Was tun, nachdem so viele Tiere verhungert und verdurstet sind? Ziyad Oweida beschloss, aus der Not eine Tugend zu machen. Eine gruselige Tugend. Der Tierarzt Amir Khalil war dabei, als die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" den Zoo im vergangenen Jahr entdeckte:

Gruselige Mumien

"Der Tiger Laziz zum Beispiel war in seinem Käfig, einem kleineren Käfig, und seine Frau war nebenan, aber mumifiziert. Und genau so war es mit den Löwen und anderen Tieren. Es waren nur mumifizierte Tiere und lebendige Tiere. Und das war die Showattraktion für die Kinder."
Die gruseligen Bilder von den ausgestellten Tiermumien gingen damals um die Welt, weshalb heute ein riesiges Journalistenaufgebot die Räumung des Zoos beobachtet. Ganze 15 Tiere sind von einstmals 200 noch übrig. Ein Emu, ein Pelikan, zwei Adler, der Hirsch, zwei Schildkröten und ein paar Affen. Sie werden künftig in Israel und Jordanien ein artgerechtes Zuhause finden. Für Laziz, den Tiger, geht die Reise aber noch weiter, wie Indra Kley von der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" erzählt:
"Laziz wird morgen Abend, wenn alles klappt, seine Reise nach Johannesburg antreten im Flugzeug. Das heißt, in Südafrika wird Laziz hoffentlich noch viele, viele Jahre in unserem Großkatzenpark Lionsrock leben können."

Palästinenser verfolgen Räumung mit Sarkasmus und Neid

Für die Menschen im Gazastreifen ist die Räumung des Zoos übrigens ein Riesenthema. Sie verfolgen die Rettung der Tiere mit einer Mischung aus Sarkasmus und Neid. Immer wieder hört man den Satz: Können die mich nicht auch betäuben und in einer Kiste rausschaffen?
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