Grundsätzlich gibt es beim Gebärdendolmetschen neben Grammatikregeln noch ein paar weitere Regeln: Treten Namen einmalig auf, werden sie entweder per Fingeralphabet buchstabiert oder, wenn es bildhafte Namen sind (Beispiel: "Hausmann" = Haus + Mann), mit den entsprechenden Gebärden dargestellt. Für häufige Namen (Fischer, Müller, Meier, Schmidt) gibt es zudem festgelegte Gebärden.
Tritt ein Name häufiger auf, weil die Person in der Öffentlichkeit eine Rolle spielt, wird dafür ein neues Zeichen festgelegt. Dafür gibt es Gruppen von Gebärdensprachlern, die sich darauf einigen. Das gilt übrigens genauso für neue (Fach-)Ausdrücke. Zum Beispiel kümmern gehörlose Mediziner sich um Gebärden für medizinische Fachausdrücke. Ein "Lexikon" in dem Sinn gibt es nicht, aber über das Portal "Taubenschlag" veröffentlicht.
Politikernamen in der Gebärdensprache
Tafel zum Lernen der Gebärdensprache © imago images / allOver-MEV
Bei "Baerbock" hüpfen die Finger
06:56 Minuten

Das neue Kabinett stellt Gebärdendolmetscher vor kreative Aufgaben. Wie vermittelt man Gehörlosen etwa den Namen der neuen Außenministerin? Kanzler Scholz bekommt vielleicht eine neue Gebärde, Karl Lauterbach dagegen bleibt wohl ewig die Fliege.
Eine neue Bundesregierung ist im Amt und wir müssen neue Namen lernen. Neben eher wenig bekannten Namen wie Bettina Stark-Watzinger muss man sich auch an bislang ungewohnte Kombinationen wie „Außenministerin Baerbock“ gewöhnen.
Aber wie geht es damit eigentlich den Gehörlosen? Was heißt "Baerbock" in Gebärdensprache? Und wie wird festgelegt, wie welcher Name gebärdet wird?
Kein "Bär" und kein "Bock"
Fest steht: Mit einem Bären und einem Bock wird Frau Baerbock nicht gebärdet, sondern: „Im Fall von Frau Baerbock ist die Geste: mit dem Zeige- und dem Mittelfinger am rechten Ohr ein bisschen auf und ab hüpfen“, erläutert die Gebärdendolmetscherin Kira Knühmann-Stengel.
Das habe zwei Gründe: „Zum einen, weil sie immer sehr prägnante Ohrringe trägt, die direkt ins Auge fallen. Zum anderen kommt sie aus dem Trampolinsport. Und diese beiden Dinge hat man miteinander verknüpft.“
Merkels Haarschnitt als Gebärde
In der entsprechenden Kommission der Gebärdendolmetscher-Community habe man darüber diskutiert und sei sich recht einig geworden, sagt Knühmann-Stengel, die unter anderem für die Tagesschau gebärdete und heute vor allem bei politischen Veranstaltungen wie etwa Parlamentsdebatten präsent ist.
Bei Angela Merkel habe man sich damals, als diese neue Bundeskanzlerin wurde, auf die Andeutung ihrer Frisur und nicht etwa auf den ausgeprägten Mundwinkel verständigt. Über die Gebärden für Bundeskanzler Olaf Scholz müsse man sich hingegen noch einigen.
Es gebe bereits seit seiner Zeit eine Gebärde für ihn – als Hamburgs Erster Bürgermeister. Nun werde in der Community geprüft, ob nicht mittlerweile eine andere Gebärde passender für den Hanseaten wäre.
Für Karl Lauterbach werde nach wie vor die Fliege gebärdet, die über viele Jahre sein Markenzeichen war, fügt Knühmann-Stengel hinzu, die 2003 gemeinsam mit ihrem Mann eine Agentur für Gebärdendolmetschen gegründet hat. Auch wenn er bereits vor einiger Zeit seinen Kleidungsstil geändert habe, verbänden ihn die allermeisten Leute doch immer noch mit der Fliege.
Ein Veto gegen den Gebärdennamen ist möglich
Im Übrigen haben Personen, die einen gebärdensprachlichen Namen verpasst bekommen haben, Einspruchsmöglichkeiten, wenn ihnen die Gebärde nicht gefällt. „Grundsätzlich kann jeder, der so einen Namen in der Gemeinschaft bekommen hat, sagen: ‚Nö, das ist nicht so meins, das würde ich anders sehen‘“, betont die Gebärdendolmetscherin.
Als Politiker könne man sich in diesem Fall an den Deutschen Gehörlosen-Bund wenden.
(mkn)