Gebärmutterhalskrebs

Ist eine Impfung auch für Erwachsene sinnvoll?

06:39 Minuten
Eine nicht zu erkennende Person hält einen Impfstoff mit der Aufschrift HPV in der Hand und zeigt sie Richtung Kamera
Auch wenn der letzte Beweis noch fehlt: Der Berufsverband der Frauenärzte rät auch älteren Frauen zur HPV-Impfung - unter bestimmten Voraussetzungen. © Getty Images / iStockphoto / KTStock
Von Mirjam Stöckel |
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Die Impfung gegen das Humane Papillomvirus soll das Risiko von Gebärmutterhalskrebs deutlich verringern. Ein großes Versprechen, das sich bislang vor allem an Mädchen richtete. Laut neuerer Studien können auch erwachsene Frauen womöglich davon profitieren.
"Ich bin jetzt 42, zu meiner Zeit gab’s das nicht. Und dann hieß es immer, dass das für Menschen, die schon mal Sex hatten, völligst unnötig sei, das bräuchte man nicht. Oder es sei dann wirkungslos, weil man sich eh schon angesteckt hat."
Wie Elisabeth M. – so möchte sie im Radio heißen – denken etliche Menschen. Inzwischen aber wird immer klarer: Die Impfung gegen das Humane Papillomvirus kann doch auch für erwachsene Frauen noch sinnvoll sein. Und zwar für die, bei denen sich Zellen am Gebärmutterhals schwer verändert oder sogar schon zu Krebs entwickelt haben – und die deshalb operiert werden müssen. Konisation heißt diese OP – davon gibt es in Deutschland rund 56.000 jedes Jahr.
Auch bei Elisabeth M. wurde ein kegelförmiger Teil des Gebärmutterhalses entfernt – und mit ihm die Dysplasie, also die Zellveränderung. Noch mal wolle sie das nicht durchstehen müssen, sagt sie. Deshalb hat sie sich vor Kurzem die erste von drei Impfdosen spritzen lassen. „Weil ich mir denke: Alles, was dieses Risiko senken kann, nehme ich einfach mal mit."

Geringeres Rückfallrisiko bei operierten Frauen?

Eine gute Entscheidung, findet Matthias Jentschke, Oberarzt an der Frauenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover. „Wir haben ja selber auch hier eine Dysplasie-Sprechstunde, wo wir Frauen betreuen vor und nach Konisation – und wir empfehlen das auch."
Jentsche tut das nicht aus dem hohlen Bauch heraus. Im Gegenteil. Er hat insgesamt 14 Studien anderer Wissenschaftler ausgewertet. Zentrale Frage dabei: Schützt die HPV-Impfung nach einer Konisation betroffene Frauen vor einem Rückfall? "Und tatsächlich weisen alle Studien in die Richtung, dass es was hilft."
Mikroskopische Ansicht von rosafarbenen Viren auf blauem Hintergrund
Eine Infektion mit dem Humanen Papillomvirus (HPV) stellt die Hauptursache für Gebärmutterhalskrebs dar.© imago / Science Photo Library
Ohne Impfung entwickeln rund 8 von 100 operierten Frauen ein Rezidiv - also erneute Zellveränderungen, die sich zu Krebs weiterentwickeln können. Damit ist ihr Risiko etwa achtfach erhöht im Vergleich zur Durchschnittsfrau. Doch wie sehr senkt nun eine Impfung diese Rückfall-Wahrscheinlichkeit?

Wissenschaftliche Standards noch nicht erreicht

Matthias Jentschke hat in seiner Meta-Analyse errechnet, „dass das Rezidivrisiko bei den geimpften Frauen nur 40 Prozent beträgt im Vergleich zu den anderen Frauen. Oder umgekehrt: dass es einen um 60 Prozent verbesserten Schutz vor einem Rezidiv bedeutet, wenn man vor oder nach der Konisation eine HPV-Impfung durchführt."
Sprich: Nach einer Impfung haben von 100 Frauen nur noch etwa drei einen Rückfall – statt 8. Allerdings: Weitere Forschung ist nötig, um Jentschkes Daten zu untermauern. Denn die Studien, auf denen sie beruhen, genügen wegen ihrer Machart nicht höchsten wissenschaftlichen Qualitätsstandards. "Sodass ich – wenn ich diese Daten vorstelle – immer nur sage, dass es Hinweise gibt, dass es was helfen könnte. Aber es ist sicherlich noch nicht erwiesen." Dazu braucht es sogenannte randomisiert-kontrollierte Studien. Erste Ergebnisse dieser Art werden etwa aus den Niederlanden Anfang 2024 erwartet.

STIKO-Empfehlung fehlt - wegen Überlastung

Auch wenn der letzte Beweis noch fehlt: Der Berufsverband der Frauenärzte rät schon heute jeder Frau zur HPV-Impfung, bei der eine Konisation ansteht. Weil die Hinweise auf eine Schutzwirkung eben bereits so deutlich sind. Eine offizielle Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission aber – die gibt es nicht.
Frage an Marianne Röbl-Mathieu, Frauenärztin und seit fünf Jahren STIKO-Mitglied: Liegt das daran, dass die randomisiert-kontrollierten Studiendaten noch fehlen?
"Ich glaube, es geht weniger darum, dass etwas fehlt. Sondern es geht eher darum, dass eben bisher nicht die Ressourcen da waren, um das entsprechend der STIKO-Arbeitsweise aufzuarbeiten. Es gibt durchaus schon eine gewisse Evidenz, die zu diesem Thema vorliegt. Die müsste eben nach unserer Standardvorgehensweise genau untersucht werden."
Genau das aber geht bislang nicht. Der STIKO-Geschäftsstelle mangelt es nämlich an Personal, um die existierenden Studien zu sichten und für die STIKO-Mitglieder vorzubereiten. Die Experten prüfen die Daten und bewerten sie abschließend. Sprich: Die fehlende Impfempfehlung scheiterte bisher nicht an vielleicht fehlenden Daten – sondern an fehlenden Mitarbeitern.

Ohne STIKO-Empfehlung keine Kostenübernahme

Gerade stockt der Bundesgesundheitsminister die STIKO-Geschäftsstelle personell auf. Und mittel- bis langfristig rechnen praktisch alle Fachleute auch mit einer offiziellen STIKO-Empfehlung für die HPV-Impfung nach Konisation. Nur wann genau, weiß niemand.
Genau das ist für betroffene Frauen aber ein Problem. Denn ohne STIKO-Empfehlung – kein Anspruch auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Dabei kostet die Impfung mehr als 500 Euro. Sie könne das zur Not selbst bezahlen, sagt Elisabeth M. – andere Frauen aber nicht. Ungerecht sei das. "Nur weil ich es mir leisten kann – ist ja schön für mich. Aber ich finde, Gesundheit sollte keine Geldsache sein – gerade bei so was nicht."
Zumal die Gesamt-Impfkosten selbst bei 56.000 Konisationen überschaubar wären: gut 30 Millionen Euro – pro Jahr. Zum Vergleich: Unser Gesundheitssystem kostet heute mehr als eine Milliarde – pro Tag.
Erste Krankenkassen – die Barmer und die Techniker etwa – erstatten Frauen bis 45 Jahre die Impfkosten nach einer Einzelfallprüfung oft zurück. Allerdings freiwillig. Solange das nicht mehr Kassen tun und solange die Politik die STIKO nicht gut genug finanziert, damit die ihrer Arbeit hinterherkommen kann – so lange müssen Frauen mit zu wenig Geld nach einer Konisation auf den Schutz durch die HPV-Impfung verzichten. Ihnen bleibt, nach der OP regelmäßig zur Krebsvorsorge zu gehen. Das empfehlen Fachleute übrigens sogar Frauen mit einer Impfung – und den Ungeimpften erst recht.
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