Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld
Die Zentralmoschee-Gemeinde in Köln-Ehrenfeld hat beantragt, den Ruf des Muezzins zum Freitagsgebet per Lautsprecher nach außen zu übertragen. Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus. © imago / Future Image / C.Hardt
Vor dem Ruf des Muezzins kommt das Gutachten
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![Blick auf die Zentralmoschee in Köln. In der Mitte des Bildes ist die Eingangstür zu sehen, rechts danebem blickt die Kamera in das Innere der Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld. Die oben gläserne Kuppel ist zu sehen. Blick auf die Zentralmoschee in Köln. In der Mitte des Bildes ist die Eingangstür zu sehen, rechts danebem blickt die Kamera in das Innere der Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld. Die oben gläserne Kuppel ist zu sehen.](https://bilder.deutschlandfunk.de/94/1d/18/16/941d1816-5bbd-4c10-8ceb-f11910c91ee6/zentralmoschee-koeln-ehrenfeld-100-1920x1080.jpg)
In Köln ist der Gebetsruf von Moscheen gelassen: einmal wöchentlich, freitags, für maximal fünf Minuten. Bürgermeisterin Reker nennt das ein „Zeichen des Respekts“ für die 120.000 Muslime der Stadt. Doch es gibt auch Kritik.
Rund hundert Männer knien unter einer prächtig verzierten Kuppel auf dem Gebetsteppich. Sie tragen Maske, auch der Muezzin, ein junger Mann mit Bart, der am Rand des Raums ins Mikrofon singt. Mittagsgebet in der Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld.
Draußen auf dem Moscheevorplatz ist vom Gesang nichts zu hören, nur ab und zu, wenn sich die Flügeltüren zum Gebetsraum öffnen. Das soll sich aber ändern, zumindest einmal die Woche zum Freitagsgebet. Dann soll für maximal fünf Minuten der Aufruf zum Gebet über den Platz schallen.
Moschee ist in Viertel angekommen
Die DITIB-Zentralmoschee hat den Antrag dafür bei der Stadt eingereicht, wie Murat Şahinarslan, Leiter des Moscheeforums, erklärt: „Das ist eigentlich für uns Muslime ein Selbstverständnis, weil es laut Grundgesetz auch frei nach außen hin rezitierbar ist. Unter dem Paragrafen Religionsfreiheit haben wir eigentlich den Anspruch, das durchzuführen."
In den ersten Jahren habe die Gemeinde das nicht gemacht, da das Streitthema Moscheebau ganz akut gewesen sei. "Aber die Moschee ist mittlerweile hier angekommen", sagt Şahinarslan. "Wenn die Stadt jetzt sagt, dass wir einen rechtlichen Rahmen dafür setzen, dann kommen wir als Moscheegemeinde auch dieser Einladung nach.“
Die Einladung der Stadt geht aber nicht so weit, dass der Ruf des Muezzins von den Minaretten der Zentralmoschee ertönen darf. Er soll über zwei kleine Lautsprecher übertragen werden, die bereits draußen über dem Eingang zur Moschee hängen. Seit der Coronapandemie werden diese Lautsprecher für Totengebete genutzt.
Maximale Lautstärke wie an einer Hauptstraße
Passanten und Anwohner würden von dem geplanten Gebetsruf wenig mitbekommen, meint Şahinarslan: „Diese Moschee ist an einer stark befahrenen Straße. Wenn sie hier an der Ecke und um die Mittagszeit an der Straße stehen, werden sie den Gebetsruf kaum hören, weil wir in erster Linie den Ruf im Innenhof anbieten werden." Der sei abgekapselt und nur durch eine große Treppe zugänglich. "Vielleicht hört man es dann an der Treppe unten.“
Maximal 85 Dezibel darf der Muezzinruf laut sein. Das entspricht etwa der Lautstärke einer Hauptstraße. Man werde weit darunter bleiben, versichert die DITIB.
Sie muss dafür ein Lärmschutzgutachten erstellen. Denn für jede Moschee wird die Lautstärke individuell festgelegt, erklärt Bettina Baum, Leiterin des Amtes für Integration und Vielfalt: „Wir müssen schauen, in welcher Bebauungssituation sich die jeweilige Moschee befindet. Wir können nicht Pi mal Daumen sagen, wir machen das 60, 65 oder 70 Dezibel."
Anträge von zwei der 35 Kölner Moscheen
Aus rechtlichen Gründen und auch für die Rechtssicherheit der Gemeinden müsse das Lärmgutachten erstellt werden, erläutert Baum. "Der zugrundeliegende Richtwert ist nicht, was aus dem Lautsprecher rausgeht, sondern was an den gegenüberliegenden Nachbargebäuden ankommt."
So ein Gutachten ist aufwendig. Bislang haben nur zwei von 35 Moscheegemeinden in Köln den Antrag auf den öffentlichen Gebetsruf eingereicht. Neben der DITIB-Zentralmoschee eine deutlich kleinere Moschee auf der anderen Rheinseite in Köln-Mülheim.
Bettina Baum erklärt sich die verhaltene Reaktion damit, dass viele kleinere Moscheen zunächst abwarten wollten, wie der Muezzinruf in der Öffentlichkeit diskutiert wird und ob er auf Akzeptanz stößt. Vielleicht würden sie anschließend auch einen Antrag stellen.
Gespaltene Reaktion in Ehrenfeld
Was aber halten die Ehrenfelder vom Gebetsruf? Der Stadtteil im Westen Kölns gilt als Szene- und Multikultiviertel.
„Das Gebet – habe ich nichts dagegen. Aber nicht zu laut! Das ist alles.“
„Wenn man regelmäßig die katholischen Kirchenglocken im ganzen Land hört, und man die Menschen muslimischen Glaubens akzeptieren und tolerieren will, dann gehört das auch dazu.“
Fragt man allerdings alteingesessene Ehrenfelder aus den Mehrfamilienhäusern direkt gegenüber der Moschee, klingt das ganz anders: „Na, weil wir das nicht brauchen, weil das nicht hierhin gehört. In der Türkei machen die auch keine katholischen Kirchen auf, das ist doch da verboten! Wir wollen das hier nicht. Wir haben keine Lust, uns den Gebetsscheiß anzuhören.“
„Ich möchte es auch nicht, auf keinen Fall. So will ich nicht geweckt werden.“
Offenheit und Schubladendenken bei den Kölnern
Ressentiments, die der türkeistämmige Besitzer des „Café Ehrenfeld“ nur zu gut kennt. Er ist im Viertel aufgewachsen, sein Café liegt nur 50 Meter von der Zentralmoschee entfernt.
„Das ist so eine Art Fassade, nach außen sind viele weltoffen, trotzdem ist das Schubladendenken fest verankert", sagt der Gastronom. "Wo es um bestimmte Themen geht, da lässt man nicht von seiner Ideologie ab und dann ist das Fremde, das Anderssein immer eine Bedrohung.“
Der Stammkunde neben ihm nickt. Levent Taşkiran ist Präsident des türkischen Studenten- und Akademikervereins in Köln.
Beunruhigender Brandanschlag
Kurz nachdem die Stadt ihre Entscheidung zum öffentlichen Muezzinruf verkündet hatte, hätten Mitte Oktober etwa 20 Personen vor der Moschee demonstriert, erzählt Taşkiran. „In dieser Gegendemo waren, soviel ich mitbekommen habe, sowohl rechte als auch linke Kreise. Das konnte man nicht so einordnen."
Das hat ihn beunruhigt: "Wir hatten auch früher, als die Moschee gebaut wurde, viele Gegendemos, daran hat mich das erinnert. Nach dieser Gegendemo gabs dann einen vereitelten Anschlag."
Der Sicherheitsdienst habe das gut bewältigt, sagt er. "Das war auf jeden Fall sehr beunruhigend für uns, für die Community.“
Der versuchte Brandanschlag auf die Moschee im November ist bis heute nicht aufgeklärt, der Staatsschutz ermittelt.
Erdoğan zu Gast in der Zentralmoschee
Der DITIB-Zentralmoschee haftet schon länger der Ruf an, „verlängerter Arm Erdoğans“ zu sein. Bei der offiziellen Eröffnungsfeier vor vier Jahren war der türkische Präsident zu Gast. Zahlreiche Kommunalpolitiker, auch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, hatten deshalb ihre Teilnahme abgesagt. Mittlerweile sucht die Gemeinde mit dem vor zwei Jahren gegründeten Moscheeforum verstärkt den Dialog.
![Eine Frau in hellblauer Schutzkleidung impft eine Person in schwarzem-T-Shirt in einem Raum, in dem noch weitere Personen sitzen und stehen. Im Hintergrund stehen blaue Stellwände. Eine Frau in hellblauer Schutzkleidung impft eine Person in schwarzem-T-Shirt in einem Raum, in dem noch weitere Personen sitzen und stehen. Im Hintergrund stehen blaue Stellwände.](https://bilder.deutschlandfunk.de/ac/97/3e/25/ac973e25-3516-4087-a7fe-089402eaad5f/corona-impfaktion-zentralmoschee-koeln-100-1280xauto.jpg)
Am 8. Mai 2021 wurde in der Ditib-Zentralmoschee mit Astra-Zeneca-Impfstoff gegen Corona geimpft. © imago images / Udo Gottschalk
Auch die Pandemie habe die Akzeptanz in der Bevölkerung verbessert, findet Murat Şahinarslan. Er erinnert an die öffentliche Impfaktion in der Moschee vor einem Dreivierteljahr. Die richtete sich an alle Kölner.
„Das kam sehr gut an", sagt der Leiter des Moscheeforums. "Nach den 3402 Impfungen an diesem Wochenende haben wir über 100 E-Mails als Dankeschön erhalten. Wir haben auch Spenden von den Impflingen erhalten, die uns besucht haben. Die Moschee ist einfach Teil des Veedels.“
Gesellschaftlicher Aushandlungsprozess
Bevor der Gebetsruf genehmigt wird, gibt es einige Vorarbeiten. So muss ein Flyer in der Nachbarschaft verteilt werden, auf dem Ansprechpersonen für Fragen oder Beschwerden genannt werden. Grundsätzlich aber können Nachbarn solch einen öffentlichen Gebetsruf nicht verhindern, das hat das Oberverwaltungsgericht Münster in einem Grundsatzurteil vor eineinhalb Jahren festgestellt.
Bettina Baum, die Leiterin des Amtes für Integration und Vielfalt, ist zuversichtlich: „Es ist ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess, der stattfinden muss, um immer wieder klarzumachen: Die hier lebenden Muslime haben das gleiche Recht der freien Religionsausübung."
Dazu gehöre auch der deutliche Aufruf zum Gebet. "Das ist uns auch wichtig, diese Akzeptanz erzielen", so Baum.