Gebrochener Frauenheld

Von Martin Burkert · 03.05.2011
Mit Hollywoodstar John Malkovich in "The Giacomo Variations" von Michael Sturminger eröffnen die Ruhrfestspiele ihr Theaterprogramm. Kein Meisterwerk, aber originelles Unterhaltungstheater.
Casanova will eine Frau - was sonst? Ganz im Sinn der Legende beginnen "The Giacomo Variations". Ein gealterter Herr im Schlafrock rennt einem jungen Rock hinterher. Hollywoodstar John Malkovich spielt und singt den berühmten Frauenheld. Ein guter Sänger ist er nicht, aber er präsentiert seine Songteile schlitzohrig. Mit leisem Augenzwinkern nimmt er Kontakt zum Publikum auf und blinzelt ihm zu: Ich habe keine Angst vor dem Singen und außerdem: der Partner neben mir kann es richtig gut. Der heißt Andrei Bondarenko und ist ein verführerischer Bariton mit großer Variationsbreite.

Der Sänger ist das Alter Ego von John Malkovich als Casanova und er spielt noch einige andere Rollen. Als Vier-Personen-Stück wird die Geschichte aufgerollt. Die zahlreichen weiblichen Figuren verkörpern eine Schauspielerin und eine Sopranistin.

Grundsituation ist der letzte Wohnort von Casanova, das Gut von Graf Waldstein in Böhmen. Dort findet er in seinen letzten Lebensjahren als 70-jähriger eine Bleibe. Es geht ihm nicht gut. Die Bediensteten ärgern ihn, das Essen schmeckt nicht, erotisch passiert nichts mehr. Gegen die Angst vor dem Tod schreibt er seine Memoiren.

Ein fiktiver Besuch der Schriftstellerin Elisa von Recke löst eine Art Rahmenhandlung aus. Sie will ein Buch über Casanova schreiben. Szenisch motiviert das ein Vor- und Zurückspringen in Casanovas Geschichte. Liebschaften werden aufgerollt und auch sein Leben als Hochstapler, Schwindler und Freimaurer. Casanova, das ist die Botschaft, war keineswegs nur der oberflächliche Liebhaber, sondern auch ein Freidenker, der für bürgerliche Rechte eintrat und der als freier Autor leben wollte.

Drei überdimensionale Reifröcke bilden das Bühnenbild. Sie werden geöffnet, um Bett oder Schreibtisch zu präsentieren und bieten Schlupflöcher für vieldeutige Auf- und Abgänge. Auch bei den Kostümen wird mit Reifröcken und Korsage nicht gespart. Die Rollenwechsel klappen organisch wie auch die Einbettung der Mozart-Musik. Eine Szene, in der der 38-jährige Casanova heiraten will, ist besonders gelungen. Als sich herausstellt, dass die Braut seine ihm unbekannte Tochter ist, wird dazu das berühmte Sextett aus "Figaros Hochzeit" eingesetzt, in dem auch eine uneheliche Liaison aufklärt wird.

Gesprochen wird in Englisch, gesungen in Da Pontes Italienisch, alles mit deutschen Übertiteln. Bariton und Sopranistin singen eine klare, ansprechende Partie. Sie sind keineswegs nur Stichwortgeber für den Star. Das hat Regisseur Michael Sturminger schon durch die kleine Besetzung verhindert. John Malkovich ist trotzdem der Ankerpunkt des Abends. Er strahlt große Ruhe und Gelassenheit aus, immer gemixt mit einem Schuss Humor. Sein Casanova ist kein glänzender Frauenheld aus Hollywood, sondern ein eher gebrochener Typ zwischen Resignation, Aufbegehren und Lebenslust. Die "Giacomo Variations" sind kein künstlerisches Meisterwerk, aber sie bieten den Ruhrfestspielen zum Start originelles Unterhaltungstheater.

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