Gera hadert mit seinem Otto-Dix-Erbe
In Thüringen schlummert ein Otto-Dix-Schatz. Rund 400 Werke des Künstlers und Grafikers gehören seiner Geburtsstadt Gera. Ein eigenes Museum wird es für diese Sammlung aber wohl nicht geben – ein Grund zu trauern?
Die alten Dielen im Otto-Dix-Geburtshaus in Gera ächzen unter den Schritten der Besucher. Ein zauberhaftes Haus aus dem 18. Jahrhundert, das sich an die kleine gotische Marienkirche schmiegt, im Stadtviertel Untermhaus an der Weißen Elster. Da, wo Gera, die als Stadt nicht den besten Ruf hat, wirklich schön ist.
Das Otto-Dix-Haus wurde nach dem Hochwasser von 2013 von Grund auf saniert und im Dezember letzten Jahres zum 125. Geburtstag von Otto Dix wiedereröffnet.
Das Otto-Dix-Haus wurde nach dem Hochwasser von 2013 von Grund auf saniert und im Dezember letzten Jahres zum 125. Geburtstag von Otto Dix wiedereröffnet.
Das kleine Museum zeigt die Lebensgeschichte von Otto Dix
Das kleine, brave Museum zeigt einerseits, wie es in einem Arbeiterhaushalt zum Ende des 19. Jahrhunderts ausgesehen haben könnte, parallel dazu auf Schautafeln den Lebensweg Otto Dix‘: die Kindheit in Gera, in einfachen, aber den Künsten zugewandten Verhältnissen, das Studium in Dresden, die Zeit als MG-Schütze im Ersten Weltkrieg. Und so weiter durch Dix‘ Leben bis hin zum schwierigen Verhältnis der DDR zum Künstler, der regelmäßig seine Verwandten in Gera besuchte, aber so gar nicht in die piefig-biederen oder propagandistischen Schubladen der SED-Kulturfunktionäre passte.
Zum Ehrenbürger machte Gera seinen Sohn dennoch, 1966. Seitdem versucht die Stadt mehr oder weniger, sich mit dem Maler zu schmücken. Wer sich Gera mit dem Auto nähert, sieht schon von der Autobahn den Schriftzug "Otto-Dix-Stadt" fett auf riesigen Gasbehältern des Kraftwerkes prangen.
Die Kunsthistorikerin Ulrike Lorenz stammt aus Gera und hat früher die dortigen Kunstsammlungen geleitet. Sie ist heute Direktorin der Kunsthalle Mannheim. Die auffällige Werbung mit Otto Dix hält sie nicht für etwas Selbstverständliches:
"Was fast ein bisschen überkandidelt wirken könnte für jemand Fremden. Dass sich eine Stadt in dieser Form mit einem Künstler, mit einem kritischen Realisten des frühen 20. Jahrhunderts verbindet, das ist deutschlandweit, glaube ich, noch nicht so vorgekommen. Einen Künstler, der in den 20er-/30er-Jahren hochgradig polarisiert hat, diesen quasi an die Spitze zu stellen - auch des Marketings einer Stadt, das ist schon sehr ungewöhnlich! Und, also mehr kann man sich ja fast nicht vorstellen!"
Otto Dix ist zu seinem 125. Geburtstag im vergangenen Dezember in Gera gewürdigt worden, mit einer vorzüglichen kleinen Ausstellung mit Silberstift-Zeichnungen, die einen fast unbekannten, zärtlichen und sensiblen Otto Dix zeigen. Mit einer kleinen Schau im Stadtmuseum, die aber auch nur einen Bruchteil der 400 Werke präsentiert, die die Stadt Gera besitzt.
"Was fast ein bisschen überkandidelt wirken könnte für jemand Fremden. Dass sich eine Stadt in dieser Form mit einem Künstler, mit einem kritischen Realisten des frühen 20. Jahrhunderts verbindet, das ist deutschlandweit, glaube ich, noch nicht so vorgekommen. Einen Künstler, der in den 20er-/30er-Jahren hochgradig polarisiert hat, diesen quasi an die Spitze zu stellen - auch des Marketings einer Stadt, das ist schon sehr ungewöhnlich! Und, also mehr kann man sich ja fast nicht vorstellen!"
Otto Dix ist zu seinem 125. Geburtstag im vergangenen Dezember in Gera gewürdigt worden, mit einer vorzüglichen kleinen Ausstellung mit Silberstift-Zeichnungen, die einen fast unbekannten, zärtlichen und sensiblen Otto Dix zeigen. Mit einer kleinen Schau im Stadtmuseum, die aber auch nur einen Bruchteil der 400 Werke präsentiert, die die Stadt Gera besitzt.
Aber die großen Buchstaben an der Autobahn versprechen eigentlich mehr. Sie stammen noch aus einer Zeit, als man mit in Gera mit Otto Dix ganz groß rauskommen wollte. Oberbürgermeister war damals noch Norbert Vornehm, SPD.
Ein Chipperfield-Gebäude sollte Dix-Museum werden
Er wollte den Schatz Otto Dix in großer Breite in einem modernen Gebäude ganz in der Nähe des Dix-Geburtshauses präsentieren, die dann gemeinsam Besucher aus ganz Deutschland anziehen und Gera ein neues Image verpassen sollten.
"Wir wollten ein Gebäude von David Chipperfield, was wir dafür gekauft hatten, umbauen. Chipperfield oder sein Büro hatten sich ja bereiterklärt, das, was an Umbau notwendig gewesen wäre, zu übernehmen. Ja, leider hat ja der Stadtrat unter neuer Führung, unter Führung meiner Nachfolgerin, Frau Dr. Hahn, dieses Projekt dann ganz schnell gekippt, und es ist wieder in der Versenkung verschwunden. Und ich bin der Meinung, dass man aus alldem ganz viel machen könnte – aber leider Gottes ist diese Chance zumindest im Moment wieder weggegeben worden. Ob sie wiederkommt? Ich weiß es nicht."
Die Otto-Dix-Stiftung drohte damals sogar, wichtige Leihgaben aus Gera abzuziehen. Vornehm hält die neue Oberbürgermeisterin für verantwortlich, dass der große Wurf "Kunsthaus Gera" scheiterte. Sie habe sich schon im Wahlkampf dagegen gewandt, Gera zu "verdixen". Im Rathaus weist man diese Vorwürfe weit von sich.
Uwe Müller, dort als Fachdienstleiter Presse, Kultur, Marketing und Sport für fast alles verantwortlich, gilt als die rechte und die linke Hand der Bürgermeisterin.
"Das war eine sehr verkürzte Darstellung gewesen! Wir wollen, dass man Kultur und Kunst nicht auf ein Thema beschränkt. Also eine Monokultur, das wollen wir nicht! Weil das auch der breiten Kultur- und Kunstszene in dieser Stadt widerspricht. Auch Otto Dix hatte ja Zeitgenossen gehabt, die ja sehr bekannt sind, denen wir auch Ausstellungen widmen. Das kulturelle Erbe zu pflegen, das ist die eine Seite, aber in Richtung Zukunft zu arbeiten und zu denken, das ist die andere Seite der Medaille."
"Das war eine sehr verkürzte Darstellung gewesen! Wir wollen, dass man Kultur und Kunst nicht auf ein Thema beschränkt. Also eine Monokultur, das wollen wir nicht! Weil das auch der breiten Kultur- und Kunstszene in dieser Stadt widerspricht. Auch Otto Dix hatte ja Zeitgenossen gehabt, die ja sehr bekannt sind, denen wir auch Ausstellungen widmen. Das kulturelle Erbe zu pflegen, das ist die eine Seite, aber in Richtung Zukunft zu arbeiten und zu denken, das ist die andere Seite der Medaille."
Ein "Kunsthaus Gera" wäre wohl auch zu teuer geworden
Außerdem wäre das Kunsthaus schlichtweg zu teuer gewesen für eine Stadt, die faktisch pleite ist und die Kultur arg zusammengestrichen hat: Die Museen öffnen erst mittags und nur an fünf Tagen in der Woche, Stellen werden gestrichen. Kunst wird nur noch verwaltet. Dennoch arbeitet man daran, bald wieder mehr Dix zeigen zu können. Die barocke Orangerie wird nach dem Hochwasser 2013 saniert und soll zumindest zur Hälfte für Otto Dix genutzt werden.
Ullrich Schütt, Vorsitzender des Otto-Dix-Fördervereins, nennt die Orangerie "... einen guten Behelf! Das heißt, dass diese hochfliegenden Pläne, dort Dix in einem Chipperfield-Bau zu präsentieren, da in eine höhere Liga aufzusteigen, die sind ja gescheitert. Und ich wünsche mir trotzdem ein bisschen mehr Engagement. Ich habe nicht den Eindruck, dass Kultur Hauptaufgabe ist und dass dort mit großem Verve vorwärts getrieben wird, um den Namen Otto Dix, zu dem man sich ja bekannt hat, das weiter so zu betreiben, dass es wirklich durchschlägt und auch Leute in die Stadt zieht."
Auch Olaf Peters, Kunsthistoriker an der Uni Halle und Dix-Spezialist, hält die Orangerie für eine halbwegs passable Möglichkeit, gibt aber zu bedenken, dass sich Gera mit dem verschmähten Chipperfield-Bau eine Chance verbaut hat.
"Zumal man ja auch von der Otto-Dix-Stiftung auch zum Teil wichtige Leihgaben hatte, die hätte man auch noch mal anders zeigen können. Und man kann auch an Städten wie Chemnitz vielleicht sehen, mit der Sammlung Gunzenhauser, die einen wichtigen Schwerpunkt auch bei Otto Dix liegen hat, dass man es dort auch geschafft hat, Leute nach Chemnitz zu holen, auch aufgrund dieses Bestandes! So dass man das Gefühl hatte, da ist jetzt neben Stuttgart, was so der etablierte Ort mit einem großen Dix-Bestand ist, da konnte sich Chemnitz wirklich auf die Landkarte setzen. Und ich glaube, dass das auch für Gera hätte gelten können, dass man auch sich hätte positionieren können."
Auch Olaf Peters, Kunsthistoriker an der Uni Halle und Dix-Spezialist, hält die Orangerie für eine halbwegs passable Möglichkeit, gibt aber zu bedenken, dass sich Gera mit dem verschmähten Chipperfield-Bau eine Chance verbaut hat.
"Zumal man ja auch von der Otto-Dix-Stiftung auch zum Teil wichtige Leihgaben hatte, die hätte man auch noch mal anders zeigen können. Und man kann auch an Städten wie Chemnitz vielleicht sehen, mit der Sammlung Gunzenhauser, die einen wichtigen Schwerpunkt auch bei Otto Dix liegen hat, dass man es dort auch geschafft hat, Leute nach Chemnitz zu holen, auch aufgrund dieses Bestandes! So dass man das Gefühl hatte, da ist jetzt neben Stuttgart, was so der etablierte Ort mit einem großen Dix-Bestand ist, da konnte sich Chemnitz wirklich auf die Landkarte setzen. Und ich glaube, dass das auch für Gera hätte gelten können, dass man auch sich hätte positionieren können."