Geburtstag

Der Erfinder des "Stern"

Der Publizist, Herausgeber, Chefredakteur, Gründer des Hamburger Magazins "Stern" und Kunstmäzen Henri Nannen sitzt mit einer Ausgabe seiner Zeitschrift an seinem Schreibtisch in Hamburg.
Der Journalist Henri Nannen auf einem Bild von 1986 © dpa / Fotoreport Stern Hamburg Bokelmann
Von Regina Kusch |
Ein Blatt für Lieschen Müller wollte er produzieren, intelligent und informativ: So erfand der Journalist Henri Nannen 1948 die Illustrierte "Stern". Am 25. Dezember 1913 wurde er geboren.
"Ich hab immer das gemacht, was mir gefällt und dann geglaubt, es muss eigentlich auch den anderen gefallen."
1948 rief Henri Nannen den "Stern" ins Leben, der mit bis zu 1,9 Millionen verkauften Exemplaren wöchentlich Europas auflagenstärkstes Magazin wurde. Im Editorial erklärte der Chefredakteur Nannen den Lesern donnerstags gerne seine Sicht der Dinge:
"Leben ist keine Sache der Analyse, es ist erlebte Geschichte, besser noch: erlebte Geschichten. Geschichten, die Ihnen und mir die Tränen des Lachens in die Augen trieben oder uns in Zorn und Verzweiflung stürzten, die wehtaten oder wohl taten, bitter schmeckten oder süß auf der Zunge zergingen."
Der am 25. Dezember 1913 im ostfriesischen Emden geborene Henri Nannen hatte eine Ausbildung zum Buchhändler absolviert, dann in München Kunstgeschichte studiert und während des Zweiten Weltkrieges als Journalist in der SS-Propaganda-Kompanie in Italien gearbeitet, allerdings ohne SS-Mitglied gewesen zu sein. 1948 erhielt er von den Briten die Lizenz für ein zur Disposition stehendes Jugendmagazin namens "Zick-Zack". Nannen wandelte das Blatt komplett um in eine Illustrierte für junge Leser, mit Klatsch und Tratsch aus dem Leben der Reichen und Schönen, oft ausgestattet mit doppelseitigen Fotos. Den Namen "Zick-Zack" lehnte er ab, da er ihm zu militant klang und ihn an die "zackige" Art der Nazis erinnerte. Oft erzählte Nannen, wie er auf den Namen "Stern" kam.
"Man müsste eigentlich der Jugend so etwas wie einen Stern der H ..., Hoffnung, Moment Mal – Stern, das wär ein guter Titel."
Nannen bezeichnete sich selbst als unpolitischen Menschen, mischte sich dennoch immer wieder in öffentliche Debatten der Bundesrepublik ein. Er veröffentlichte geheime Dokumente über Kriegsverbrechen, propagierte Willy Brandts Ostpolitik und unterstützte seinen Freund und Kollegen Rudolf Augstein, als Franz Josef Strauß dem "Spiegel" den Krieg erklärte.
"Was glauben Sie denn, was in diesem Land an Bestechlichkeit gewesen wäre, wenn es nicht den "Spiegel" und den "Stern" gegeben hätte, die diese Dinge aufgedeckt haben. Insofern ist der Enthüllungsjournalismus schon eine ganz gute Sache."
Als in den 60ern über die deutsche Bildungsmisere diskutiert wurde, gründete Nannen die Initiative "Jugend forscht". Mit der Reportage über "Christiane F. und die Kinder vom Bahnhof Zoo" sensibilisierte der "Stern" eine breite Leserschaft für die Drogenproblematik. Weil Schwangerschaftsabbruch strafbar und ein Tabuthema war, veröffentlichte der "Stern" zusammen mit Alice Schwarzer 1971 eine Titelgeschichte, in der 374 Frauen bekannten: "Ich habe abgetrieben." Doch diese kollegiale Zusammenarbeit währte nicht lang. 1978 zog die "Emma"-Chefredakteurin mit prominenten Mitstreiterinnen wie der Schauspielerin Inge Meysel gegen die "Stern"-Titelbilder, die häufig leicht bekleidete Frauen in sexuell eindeutigen Positionen zeigten, vor Gericht. Alice Schwarzer erinnert sich in einer Festschrift zu Nannens 100. Geburtstag:
"Nannen tobt, hörten wir aus der "Stern"-Redaktion. Dabei hätte er den Fehdehandschuh nur aufnehmen und was Gescheites daraus machen müssen. Schließlich nahmen wir das Heft als relevantes und kreatives Blatt ernst – und genau darum wollten wir nicht länger hinnehmen, dass er unsere Haut zu Markte trägt."
Die Klage wurde abgewiesen, der "Stern" druckte weiter seine Titelbilder, um die Auflage hochzuhalten. 1983, Nannen war bereits seit drei Jahren Herausgeber, verkündete das Blatt, die deutsche Geschichte müsse umgeschrieben werden und veröffentlichte angebliche Tagebücher Adolf Hitlers, die sich rasch als Fälschung herausstellten. Die Filmsatire "Schtonk" nahm die nahezu vorsätzliche Blindheit der "Stern"-Macher aufs Korn:
- "Für mich ist der erste Buchstabe da vorne drauf kein A, sondern ein F. Und Fritze Hitler hieß er ja wohl nicht. Oder?"
- "Das ist ein A. Das ist doch kein F. Das ist ganz eindeutig ein – F. FH: Führer Hitler."
- "Quatsch! Führer Hitler."
- "FFFF, FFFF, Führer, Führer, Führer Heil, Führers Hund, Führers Hand, Führers Haupt, Quartier. Führerhauptquartier!"
Nannen machte sich schwere Vorwürfe, dass er diese Blamage, von der sich der "Stern" nie wieder erholte, nicht verhindert hatte und zog sich ins Privatleben zurück. Er betätigte sich fortan als Mäzen und stiftete seiner Heimatstadt Emden eine Kunsthalle, der er seine eigene Sammlung überließ. Im Alter von 83 Jahren starb Henri Nannen an einem Krebsleiden.
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