Gedanken zum jüdischen Lichterfest

Von Evelyn Bartolmai |
In der kommenden Woche wird der Bundestag voraussichtlich über das Beschneidungsgesetz abstimmen - ein halbes Jahr nach dem Urteil des Landgerichts Köln. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Beschneidungsdebatte hierzulande und das Chanukkia-Fest zusammenhängen.
Lange schon waren dem Seleukidenherrscher Antiochus IV. die Juden in seinem Großreich ein Dorn im Auge, ihre Halsstarrigkeit, mit der sie an ihren Riten festhielten, sich allein der Herrschaft Gottes unterwarfen, und damit der weltlichen Macht die Gefolgschaft verweigerten. Antiochus erließ daher um das Jahr 167 vor der Zeitrechnung eine Reihe von Gesetzen, die die Ausübung der jüdischen Religion verboten. Der Tempel in Jerusalem wurde zu einer hellenistischen Kultstätte für Zeus umgewandelt, die Einhaltung des Schabbats sowie der Gebrauch der hebräischen Sprache unter Strafe gestellt, und natürlich auch die Beschneidung jüdischer Knaben verboten.

Waren die anderen Verbote noch irgendwie zu umgehen, beispielsweise indem man den Kindern die hebräische Sprache über das Spiel mit einem kleinen Kreisel beibrachte, auf dessen Seiten die Buchstaben standen, so traf das Beschneidungsverbot jedoch eine Grundpflicht, die Gott den Juden auferlegt hatte. "Brit Mila", wie der hebräische Begriff lautet, begründet das Treueverhältnis zwischen Gott und den Kindern Israel, wie es im 1. Buch Mose, Kapitel 17 beschrieben wird:

"... alles Männliche unter euch werde beschnitten, ... das ist das Zeichen des Bundes zwischen mir und euch."

Im selben Kapitel steht auch die Strafe, die denjenigen trifft, der dieses Gebot nicht einhält:

" ... der am Fleische seiner Vorhaut nicht beschnitten wird, selbige Seele soll abgeschnitten werden von ihrem Volk, meinen Bund hat er gebrochen."

Auch wenn wir im Detail heute nicht mehr wissen, wie die Juden das Beschneidungsverbot, dessen Bruch mit der Todesstrafe geahndet wurde, umgingen, so wissen wir doch, dass die Situation derart unerträglich wurde, dass es zum Aufstand gegen die Fremdherrschaft kam. Unter Führung des Priesters Matitjiahu und seines Sohnes Juda HaMakkabi erhoben sich die Massen, der Tempel in Jerusalem wurde zurückerobert, gereinigt und wieder für die jüdische Kultpraxis geweiht. Dieses siegreiche Ereignis feiern wir während des achttägigen Festes, das den hebräischen Namen "chanuka" – "Einweihung" trägt.

Auch der Brauch, mit dem kleinen Dreidel zu spielen, hat sich bis heute erhalten; lehren uns doch die vier Buchstaben, die für die Worte "Ein großes Wunder geschah dort" stehen, dass der Bund mit Gott ewig und unauflöslich ist – wenn man sich denn an die Regeln hält! Und so wird auch die Beschneidung als Fundament des Judentums in Israel kaum infrage gestellt – abgesehen von einigen wenigen Kritikern, die außerhalb des Landes zwar gern zitiert, in Israel selbst jedoch kaum wahrgenommen werden.

Auch in ansonsten völlig säkularen Kreisen, zu denen sich die Lehrerin Keren Harduf zählt, die mit Tochter Inbar und Sohn Almog in meiner Nachbarschaft wohnt, ist die Beschneidung eine Selbstverständlichkeit. Wie jede Mutter schauderte auch sie natürlich zunächst bei dem Gedanken, dass ihrem neu geborenen Sohn etwas abgeschnitten werden sollte, aber schließlich siegte die Tradition über den Zweifel, den die Argumente "archaisch", "brutal" oder "Verletzung der Rechte des Kindes" zunächst gesät hatten:

"In bestimmten Situationen müssen die Jungs im wahrsten Sinn des Wortes 'die Hosen herunterlassen'. Also wenn sie zur Toilette gehen, beim Sport oder als Soldaten unter der Dusche, denn dort macht man das ja alles in der Gemeinschaft: Und ich dachte plötzlich, dass es wirklich unfair wäre, wenn mein Sohn sehen würde und dann auch das Gefühl hätte, dass er anders als die anderen ist. Da wurde mir klar, dass dies eine Frage der Kultur ist und genauso selbstverständlich wie die Tatsache, dass jeder Mensch zwei Ohren hat. Hätte ich dies nicht getan, würde mein Sohn in diesem Land nicht als dazugehörig angesehen. Wir sind hier alles Juden und wir leben hier in unserem Land, und wenn hier ein Penis in einer bestimmten Form sein muss, dann sollte das auch bei meinem Sohn so sein!"

Das Judentum ist eine Religion des Kollektivs, aus dem sich nur wenige freiwillig ausschließen wollen. Ein Kollektiv, das in der Geschichte oft genug von außen bedroht wurde. Und so wird Chanukkia heute in Israel nicht nur als das Fest der acht Lichter, der Pfannkuchen und des Kreiselspiels wahrgenommen, sondern auch der Bewahrung der jüdischen und der nationalen Identität, die durch das Beschneidungsverbot von Antiochus ernsthaft gefährdet war.
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